Meine Jugend auf der Erde

Meine Jugend auf der Erde hätte paradiesisch sein können.
Als einziges Kind und Alleinerbe meiner Eltern, die mich innig lieb hatten, genoss ich eine gute Erziehung.
Mit Erreichen der Volljährigkeit sollte ich die Verwaltung ihrer Ländereien, Forste und des anderen Besitzes in die Hand nehmen.
Ihr irdischer Besitz bedeutete ein großes, gewaltiges Vermögen.
Sie waren davon überzeugt, dass ich, Lantos Dumonché, sie würdig bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft vertreten würde, wie es sich für einen Herrscher geziemt.
Denn das war Gottes Willen!
Jahrhundertelang hatte unser Geschlecht diesen Ort repräsentiert; unser Geschlecht war auf der Erde dazu geboren, zu herrschen und zu leiten.
Ich höre meine Mutter und meinen Vater diese Worte noch aussprechen, und doch ist es fast neunhundert Jahre her.
Ihr Gott wollte, dass ich, Lantos, so handelte, wie alle vorigen Generationen gehandelt hatten.
Ich sollte herrschen und mein ruhmreiches Geschlecht vor dem Aussterben bewahren.
Auf mir ruhten die Augen vieler, auch die von Gott.
Meine Eltern lebten für mich, und wenn sie dies erleben dürften, würde es für sie das höchste denkbare Glück bedeuten, das Gott dem Menschen auf Erden geben konnte.
Sie waren Ihm sehr dankbar für alles.
Eine neue Generation bedeutete für sie, dass Gott sie lieb hatte und ihnen Privilegien gewährte.
Viele Gebete wurden hinaufgeschickt und zu diesem Zweck waren sie mit vielen Geistlichen befreundet.
Ich war ihr einziges Kind und einziger Erbe, es sollte und musste also so geschehen, doch das Schicksal oder eine andere Macht entschied anders, sodass meine Jugend für mich kein Paradies wurde.
Ich hatte das Alter von zwölf Jahren erreicht, war mir aber dieses ganzen Reichtums nicht bewusst.
Im Gegenteil, ich fühlte mich wie andere Kinder, die solchen Reichtum weder kannten noch besaßen.
Noch ein paar Jahre und das größte Glück für meine Eltern sollte Wirklichkeit werden.
Dafür lebten sie, ausschließlich dafür.
Keine Krankheit oder anderes Leid würde ihr irdisches Glück verfinstern können, da jede irdische Hilfe für sie greifbar war.
Ihr Glück konnte man nicht zerstören, auch davon waren sie überzeugt.
Ihr Glaube war groß, sie hatten ihren Gott lieb und handelten nach Seinem Willen.
Wie wird ihr Leben sein, wenn sie das irdische Leben so verlassen?
Von den Geistlichen jener Zeit wurde dies auch bestätigt.
Ihnen war ein Sohn geschenkt worden und ein Sohn bedeutete für sie die Fortpflanzung ihres Geschlechts.
In einem alten Protokoll, vor Jahrhunderten aufgesetzt, stand geschrieben, dass derjenige, der den Namen Lantos Dumonché trug, geboren sei, um zu herrschen.
Wenn der Nachfolger mündig sei, zöge sich der gegenwärtige Leiter nach und nach zurück und Ersterer übernähme die Leitung.
Der vorige Leiter führte dann ein ruhiges, doch wohl bedachtes Leben, um seinen irdischen Besitz genießen zu können.
Als ich das Alter von zwölf Jahren erreicht hatte, wurde mir bereits meine Gemahlin zugewiesen.
Von Zeit zu Zeit kamen wir miteinander in Berührung.
Aber wir beide waren uns dieser Verfügung nicht bewusst.
Wir spielten, vergnügten uns und würden einander auf diese Art und Weise kennenlernen und womöglich lieb haben.
Jedenfalls stand für ihre und meine Eltern fest, dass wir heiraten würden.
Im Alter von fünfzehn Jahren sollten uns diese Pläne mitgeteilt werden und wir hatten sie zu akzeptieren.
Ein eigener Willen, das Nichtakzeptieren, war ausgeschlossen.
Die Aufgabe, die meinen Eltern auferlegt worden war, begriff ich nicht.
Wenn meine Mutter mit mir darüber sprach, gingen ihre Worte an mir vorbei.
Niemals wurde ich allein gelassen, es waren stets Betreuer um mich herum, sowohl Männer als auch Frauen.
Am liebsten spielte ich in der Natur, denn die Natur zog mich an, darin lebte ich und fühlte mich glücklich.
Auf den vielen Feiern meiner Eltern wurde ich jedermann vorgestellt.
Jeder musste mich kennenlernen, aber auch das ging an mir vorbei.
Es drang nicht zu mir durch, wozu all dieser Betrieb, all diese Feiern und Feste veranstaltet wurden.
Viel irdisches Gold wurde verprasst, aber den Armen wurde nichts gegeben.
Zu meinen Geburtstagen kamen zu meiner Ehre Hunderte von Kindern.
Auch sie, meine zukünftige Frau, war unter den Anwesenden und war unter ihnen allen die Auserkorene.
Aber diejenige, die ich liebte, wurde nicht zugelassen.
Das war Marianne, meine Freundin, die kleine Tochter unseres Gärtners, die ich von Zeit zu Zeit im Wald traf.
Ich mochte sie sehr gerne, doch meine Mutter fand das töricht und verbot es.
An einem jener Nachmittage merkte ich, dass in mir eine Abneigung gegen all diese reichen Kinder aufkam.
Es war so heftig, dass es mich überrumpelte, sodass es mir ins Gesicht geschrieben stand.
Früher als gewöhnlich wurde aufgehört, die Kinder wurden nach Hause geschickt und mich steckte man ins Bett.
Man glaubte, ich sei krank.
Die gelehrtesten Männer jener Zeit wurden verständigt.
Sie untersuchten mich, fanden aber nichts.
Übermüdung, lautete ihre Diagnose, und so musste ich einige Tage im Bett bleiben.
Mir war sehr wohl bewusst, dass ich weder müde noch krank war.
Ich fand den ganzen Fall sehr eigenartig, doch ich sprach mit niemandem darüber, da ich instinktiv niemandem vertraute und vom Charakter her sehr schweigsam war.
Dies alles verarbeitete ich selbst und dachte viel darüber nach.
Ich empfand eine Abneigung gegen all diese Kinder, aber noch mehr gegen meine Mutter, die meine Freundin ablehnte.
Auch wusste ich, dass Mariannes Eltern und auch meine Eltern nicht wussten, dass wir einander im Wald trafen.
Sie hätten es ihr verboten und dann wären wir auseinandergerissen worden.
Da ich dies wusste, verschwieg ich meine inneren Gefühle, und so kam in mir bereits als Kind ein Widerwille gegenüber diesem Leben, dem Reichtum und den Festen meiner Eltern auf.
Je mehr man mich verwöhnte, desto schweigsamer wurde ich und (desto mehr) wuchs meine Abneigung gegen ihre Feiern und Geburtstage.
Ich besaß keinen besonderen Verstand und war auch im Übrigen kein außergewöhnliches Kind.
Meine Kräfte waren mittelmäßig.
Es zeigte sich dann auch bald, dass ich nicht so war wie all die anderen unseres Geschlechts, die den Namen Lantos getragen hatten.
Etwas zu lernen war mir unmöglich, ich vergaß es stets wieder.
Aber wenn es Kunst oder Geschichte betraf, dann brauchte man es mir nur einmal zu sagen; davon vergaß ich nichts.
Dies hatte mein größtes Interesse, besonders die Kunst.
Alles andere, das ich zu lernen hatte, musste man viele Male wiederholen, bis man schließlich begriff, dass ich zu nichts taugte, und Lehrer ausgewechselt wurden.
Aber auch diese begriffen schon bald, dass ich entweder zurückgeblieben oder krank war und nicht imstande war, zu lernen, was jedoch für meine Erziehung notwendig war.
Für sie war ich ein hoffnungsloser Fall und die Lehrer kamen und gingen.
Nur ich blieb und veränderte mich nicht.
Mein Kinderzimmer glich einem Museum, einem Sammelplatz für Kunstprodukte.
Nicht nach der Meinung meiner Mutter, denn wie kam ich bloß zu diesen kitschigen Gefühlen?
Dese Gefühle gehörten nicht zu unserem Geschlecht.
Man räumte groß auf, doch es kamen wieder andere Gegenstände stattdessen und mein Spielzimmer blieb ein Museum.
Sichtbar zur Schau stellen war für mich nicht mehr möglich, aber wenn ich allein war – und das geschah leider nicht oft –, dann holte ich meine Figuren und Skulpturen hervor und ich setzte den Wert fest, den jede besaß.
Mein Gefühl für Kunst war in hohem Maße entwickelt, zum Ärgernis meiner Eltern.
Die Gelehrten wurden darüber zu Rate gezogen, wie ich dies vergessen könnte, denn es sei absurd.
Doch es erwies sich als unmöglich, wenn sie es auch so manches Mal versuchten, indem sie mit mir über andere Dinge sprachen.
Meine Gefühle galten nach wie vor der Kunst, die Kunst hatte meine Liebe und dieser gab ich mich gänzlich anheim.
Dies war die einzige Kluft, das einzige Leid, das ich meinen Eltern in meiner Jugend bereitete.
In vielen anderen Dingen war ich ein liebes Kind, tugendhaft, aber für sie zu weich.
Man begann, zu ahnen, dass ich auf diese Weise kein Herrscher sein würde, so, wie man mich haben wollte.
Wenn es Kunst betraf, konnte ich hundert Fragen stellen, und all meine Fragen waren – wie die Gelehrten sagten und ich wiederum erlauschte – sehr tief und mit menschlichem Sachwissen gestellt, etwas, worüber sie sehr verwundert waren.
Ich wurde mehrmals untersucht, mir wurden verschiedene organische Übungen vorgeschrieben, doch ich liebte die Kunst nach wie vor.
Mein Kunstgefühl entwickelte sich sogar jeden Tag mehr und mehr, aber ich verbarg es, und ich fühlte, wie jung ich auch war, dass dieses Gefühl nichts mit meinem Körper zu tun hatte.
Ihre Analysen konnte ich nicht verstehen und ich weiß ganz gewiss, dass die Gelehrten auch mich nicht verstanden, ebenso wenig wie meine Eltern, sodass ich für sie in diesem Sinne ein Rätsel blieb.
Man akzeptierte es, weil man dachte, ich sei schwach, und irgendwann schrieb man es Überspanntheit zu.
Das hektische Leben sei für mich zu ermüdend; diese Gefühle würden langsam, aber sicher in den Hintergrund treten, so sagten die Gelehrten.
Man sollte mir ein wenig nachgeben, was meine Eltern dann auch taten, da es offenbar nicht anders ging.
Daher ließ man mich gewähren und ich verweilte stets in der Natur.
Ich genoss nun mehr Freiheit in meinem Tun und Lassen, und genau das war es, wonach ich mich sehnte.
Ich sollte einige Monate freihaben, brauchte nicht zu lernen, denn meine Kinderfrau würde mich teilweise unterrichten.
Für sie alle war ich nun ein schwaches Kind und man kann verstehen, dass dies meine Eltern ängstigte.
Es war etwas in ihre veralteten Vorstellungen gekommen, was das Vertrauen und den Glauben an dieses irdische Glück wanken ließ.
Ihr Geschlecht war stets mit einer robusten Gesundheit gesegnet gewesen.
Deshalb war das irdische Leben für sie als Paradies zu bezeichnen.
Aber ich, ihr einziger Erbe, war schwach, daran war nicht zu zweifeln.
Dennoch war ich ein normales Kind.
Aber woher kamen diese Gefühle für die Kunst?
Ich hörte sie diese Worte aussprechen.
Warum ich meinen wahren Charakter verbarg, daran dachte ich nicht.
Ich erfasste nicht im geringsten, dass ich etwas Falsches tat, aber ich sagte bereits, dass ich eine Abneigung gegen Feiern und all diese reichen Kinder hatte.
Jeden Tag kam mich meine Mutter im Wald besuchen.
Sie stellte mir Fragen, wie ich mich fühlte, und ich gab ihr eine beliebige Antwort.
Fühlte ich mich glücklich, so beruhigte ich auch sie, aber manchmal war es, als wenn eine andere Kraft mich zwang, ihr Angst zu machen, wodurch ich ihr Leben vergällte; in so einem Fall bekam sie ein flüsterndes „Ja“ zu hören.
Daraus schloss sie, dass ich noch nicht so war, wie sie wünschte, dass ich sein sollte.
Ich hatte keine Vorstellung davon, wer und was mich dazu anspornte, doch ich fühlte es deutlich in mir aufkommen.
Es war schneller als meine eigenen Gedanken, es war bereits gesagt, ehe ich es mich versah.
Dann begann ich, darüber nachzudenken, und fand es oft sehr schade, dass ich ihr auf diese Art und Weise geantwortet hatte.
Es kam aber so plötzlich und unwiderstehlich über mich.
Doch lange dachte ich nicht darüber nach; dafür war ich noch zu jung, aber ich begriff wohl, dass es für mich Freiheit bedeutete.
Mit diesen Gefühlen kamen auch andere, die ich zuvor niemals gekannt hatte.
Ich war andauernd damit beschäftigt, aus Ton Figuren zu machen.
Die Erde dafür suchte ich im Wald und knetete diese so lange, bis sie (die Form) hielt.
Meine Kinderfrau wunderte sich darüber und verbot es, weil ich mich zu sehr beschmutzte.
Doch ich konnte es nicht lassen; sie musste es mir immer und immer wieder verbieten, aber ich blieb unverbesserlich.
Dieses Gefühl wuchs mit jeder Figur, die meine Hände schufen, sie nahmen Formen an und es kam Leben in sie.
Es ging wie von selbst; ich brauchte dabei nicht zu denken.
Ich bat sie, nicht darüber zu reden, da meine Eltern es mir verbieten würden, und durch ihre Liebe zu mir, wofür ich ihr später sehr dankbar war und es noch bin, konnte ich nach Herzenslust weitermachen.
Ich hatte sie sehr lieb; sie war gut zu mir und wir verstanden uns vollkommen.
Ich hatte für nichts anderes Interesse, es war Tag und Nacht in meinen Gedanken.
Lange blieben meine Objekte nicht am Leben, denn sie fielen auseinander, doch ich besaß die Genugtuung, dass sie gelebt hatten.
Trotzdem ließ es mir keine Ruhe und ich suchte nach Mitteln, um sie vor dem Auseinanderfallen zu bewahren.
Und diese Mittel fand ich.
Ich mischte die Erde mit anderer, die ich am Teich, unter dem Wasser, herausholte und die ich wie Teig knetete, bis sie trocken war.
Dadurch erhielt ich eine stabile Substanz, fertig zum Modellieren.
Die Figuren, die ich machte, vergrub ich unter der Erde, und ich besaß bereits mehrere Exemplare.
Plötzlich kam ich auf die Idee, einen Gott zu machen.
Für mich war es eine große Gestalt, kräftig und stark.
Von Seiner Macht spürte ich jedoch noch nichts.
Jedermann sprach über Ihn, Gott lag auf jedermanns Lippen.
Täglich hörte man, dass über Ihn gesprochen wurde!
Mit Hingabe begann ich an diesem Werk und ich gestaltete Ihn als ganze Figur aus.
Als ich fertig war, zeigte ich meiner Kinderfrau mein neuestes Erzeugnis und fragte sie:
„Wer, glauben Sie, ist diese Figur?“
„Ein Herr“, sagte sie.
„Ein Herr?“, wiederholte ich ihre Antwort und schmunzelte, weil sie es nicht wusste.
Sie verstand mein Schmunzeln und fragte: „Wer ist es denn, Lantos?“
„Gott“, sagte ich.
„Das ist Gott, mein Gott.
Ist Ihrer ein anderer?“
Sie war offensichtlich erschrocken und starrend blieb ihr Blick auf mich gerichtet.
„Gott, sagst du?“
„Ja“, antwortete ich, „wer könnte es sonst sein?
Ist Gott ein anderer als diese Figur; ist Er vielleicht nicht deutlich genug?
Erkennen Sie Ihn nicht?“
Ich stellte ihr viele Fragen auf einmal, doch sie sah mich nur fortwährend an und sagte nichts.
„Es erstaunt Sie?“, fragte ich sie.
Das war eine Enttäuschung für mich und sie spürte das, denn sie sagte: „Aber Kind, wie kommst du darauf?
Wie kommst du auf diesen Gedanken!“
Dann murmelte sie etwas wie: „Und so ein Kind nennt man nicht normal, schwach oder krank!“
Ich verstand sie, ging aber nicht darauf ein und wartete auf eine andere Antwort, doch sie sagte nichts weiter.
Dann fragte ich sie: „Werden Sie auch nicht hierüber reden?“
Sie nickte mir zu und starrte in Gedanken (versunken) weiter vor sich hin.
Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und küsste sie auf beide Wangen, ein Zeichen des Einvernehmens und Verstehens.
Auf ihren Wangen sah ich Tränen und ich fragte folglich: „Weinen Sie, habe ich Ihnen wehgetan?
Hätte ich diese Figur nicht machen dürfen?“
„Mein Lantos, lieber Junge, wie kommst du darauf?“
Ich nahm dies als ein Zeichen der Bewunderung und fühlte mich geschmeichelt.
Wie stolz war ich auf meine Figur.
Die großen Leute hatten alle ihren Gott und nun besaß ich meinen.
„Wissen Sie“, sprach ich als Antwort auf ihre letzten Worte, „dass ich Sie mehr liebe als meine Eltern?“
Sie sah mich überrascht an, innerlich bewegt.
Sie nahm meine beiden Hände in die ihren und sah mir eine Zeit lang in die Augen.
„Auch Marianne liebe ich sehr“, ließ ich darauf folgen, „alle anderen nicht.“
Wenn ich etwas älter gewesen wäre, hätte ich gewusst, was ihr durch den alten Kopf ging; jetzt aber ging das alles an mir vorbei und ich dachte schon wieder an andere Dinge.
„Nun werde ich Marianne machen“, sagte ich zu ihr, befreite mich aus ihrer Umarmung und ging an die Arbeit.
Wenn ich so beschäftigt war, wusste ich im Voraus, was ich tun musste; die Ideen kamen von selbst in mir auf.
Wenn sich mein Gedankengang verlangsamte, wusste ich, dass es mir nicht gelingen würde, etwas zustande zu bringen.
Es war genau wie mit dem Sprechen, wenn meine Mutter etwas über meine Gesundheit erfahren wollte.
Die Figur von Marianne war bald fertig und auch diese zeigte ich ihr.
Ich sah, dass sie bebte, doch ich begriff dies nicht und wartete nur auf ihre Anerkennung, denn die war mir sehr wichtig.
„Lantos“, sprach sie und sah mich dabei voller Verwunderung an, „das ist Marianne.“
Sie sieht genauso aus, sagte sie, ohne es zu wollen, zu sich selbst, doch ich fing diese Worte auf und war sehr glücklich.
Ich ließ darauf folgen: „Dann ist mein Gott doch auch echt?“
Sie wusste, dass niemand mich diese Kunst gelehrt hatte, dass meine Eltern es mir verbieten würden, dass es nicht zu meinem Stand gehörte, und trotzdem sagte sie: „Wer hat dir das beigebracht?“
„Niemand“, sagte ich, „ich kann es!“
Eine deutlichere Antwort hätte ich ihr nicht geben können, aber ich spürte, dass ich es nicht selbst war, der gesprochen hatte.
Es geschah abseits von mir selbst, doch ich konnte keine Worte dafür finden und fand es ganz normal.
Marianne bekam einen Platz bei all den anderen Figuren, die ich schon besaß.
Auch sie vergrub ich unter der Erde; niemand durfte es wissen.
Ich wollte sie glücklich machen, sobald sie mich im Wald besuchen kam.
Dieser Tag war ein strahlender Tag für mich.
Einige Tage gingen nun vorbei und die Gelehrten, die mich untersuchten, fanden, dass ich Fortschritte machte.
Meine Eltern waren sehr glücklich, doch ich begriff, dass diese Zeit bald der Vergangenheit angehören würde, und das machte mir Angst.
In diesen bangen Stunden besprach ich mein Leid mit meinem Gott.
Ich holte die Figur hervor, stellte sie auf eine Erhebung und sprach zu ihr.
Dies war mir nur möglich, wenn ich allein war.
Dieses Geheimnis wagte ich niemandem anzuvertrauen, selbst ihr nicht, die sich um mich kümmerte.
Ich fragte meinen Gott, ob ich krank sei, und viele andere kindliche Fragen mehr.
Dann war ich ganz ich selbst und musste dabei überlegen und mich anstrengen, um mich klar auszudrücken.
Aber auch jenes Spielchen erfüllte mich nicht.
Manchmal lag ich Stunden auf meinem Rücken und starrte in den Himmel, und sah in ihm verschiedene Gestalten.
Ich versuchte, einige davon zu modellieren, was mir nicht gelang.
Ich machte Wolken und eine Sonne, ließ sie strahlen und befestigte sie an einem Baum.
Ich fühlte, wie die Wärme aus meiner selbst gemachten Sonne in mich kam, und erzählte es meiner Kinderfrau.
Sie musste darüber lachen, doch es tat mir gut, denn für Freundlichkeit war ich sensibel.
Eines Nachmittags kam Marianne mich besuchen.
Sie war dem Elternhaus entflohen und in Stille zu mir gekommen.
Ich bat sie, etwas für mich zu singen, denn sie besaß eine schöne Stimme, die ich liebte, ohne es bestimmt zu wissen.
Ich sagte: „Komm, sing etwas, ich habe eine Überraschung für dich.
Wenn du es nicht machst, bekommst du sie nicht.“
„Was hast du?“, fragte sie ganz neugierig.
„Erst singen“, sagte ich.
Marianne sang; es war ein Liedchen, das jeder hier im Umkreis kannte.
Ich bewunderte sie und beneidete sie zugleich um diese wundervolle Gabe, so wie man als Kind beneiden kann.
Sie sang, als hinge ihr ganzes Leben davon ab.
Als sie ihren Gesang beendet hatte, sagte sie: „Und nun die Überraschung!“
„Komm“, sagte ich, „komm mit.“
Ich holte ihre Figur unter dem Sand und dem Moos hervor.
Ich hatte sie in Blätter gewickelt, ängstlich, dass sie zerbrechen würde.
„Setz dich dorthin und schau, wer das ist.“
Marianne erkannte sich, am meisten an ihren blonden Locken.
Ich hatte diese mit gewundenen Zweigen und Blättern aneinandergeflochten, drum herum hatte ich den Ton geschmiert, und es hielt, wie dürftig es auch war.
Sie war sehr erfreut und glücklich.
„Wer hat dir das beigebracht?“, fragte sie.
Ich sagte: „Niemand.
Du darfst die Figur behalten, doch sie muss hier bei all den anderen Figuren liegen bleiben.“
Wir nannten es unser Kunsthaus und sie war damit einverstanden.
Aber wie kam ich zu jenem Kunstgefühl, jenem Wissen; ich hatte es doch nicht gelernt?
Ich erzähle dies alles ausführlich, denn es ist meine Absicht, Ihnen deutlich zu machen, wie rein meine kindlichen Gefühle hinsichtlich meiner Liebhabereien waren, hier also meiner Kunst.
Später komme ich hierauf zurück, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Wir spielten zusammen und amüsierten uns, sodass der Tag schnell vorüberging und ich mich schon nach dem nächsten sehnte.
In jener Nacht regnete es fürchterlich.
Als ich am nächsten Tag an meinen geliebten Ort im Wald zurückkehrte, sah ich sofort, dass meine Sonne verregnet war.
Sie war zersprungen und war nicht mehr als ein gelber Fleck mit kleinen Rinnsalen.
Auf dem Boden und entlang des Baumstammes lag gelblicher Schlamm.
Zuvor war es meine Sonne gewesen, an der ich mich wärmte.
In jener Nacht war mein Glück zerstört worden.
Ich holte meinen Gott hervor und auch Er war weich und zerfiel.
Mein Gott war gestorben und ich erzählte es meiner Kinderfrau, die jedoch nicht darauf einging, mir aber in all meinen Handlungen eindringlich folgte.
Ich spürte es, fragte aber: „Soll ich eine Figur von Ihnen machen?“
Lange dachte sie über meine Frage nach und schließlich sagte sie: „Wenn du es kannst.“
Sie musste es mir nicht zweimal sagen und ich eilte davon, um das benötigte Material zu holen.
Ich kehrte zu ihr zurück und knetete die Erde zu einer festen Masse.
Eine Zeit lang beobachtete sie mich und fragte dann: „Was machst du jetzt?“
„Totmachen“, sagte ich.
„Totmachen?“
„Ja“, antwortete ich, „sonst zerfällt es.“
Ich spürte wieder, dass ich es nicht selbst war, diese Gedanken waren schneller als ich.
Aber ich machte weiter und hatte bereits angefangen, sie zu modellieren.
Ich brauchte sie überhaupt nicht anzusehen; die Figur kam mit großer Schnelligkeit zustande.
Hier ein Druck und dort ein Kniff, es kam alles aus meinem Inneren hervor, was ich sehr deutlich fühlte.
Nur meine Hände kneteten den Stoff und modellierten.
Nachdem ich eine Weile gearbeitet hatte, fragte ich sie: „Darf ich mich mal kurz entfernen, ich bekomme es sonst nicht fertig.“
Auch darüber war sie verwundert, doch ich ging fort.
Nach kurzer Zeit kehrte ich zurück, ihr Figur war fertig und ich stellte sie zum Anschauen vor sie hin.
Im selben Augenblick rief sie aus: „Lantos, Lantos, wie kommst du zu alledem, ich muss mit deinen Eltern darüber sprechen.“
Sobald sie diese Worte sprach, überfiel mich ein unbehagliches Gefühl.
Ich fühlte eine Beklemmung auf meiner Brust, sodass ich fast nicht atmen konnte.
Ich glaubte, ich würde zusammenbrechen, doch nach einem Augenblick verschwand es und ich fühlte mich wieder normal.
Dies alles war in einem kurzen Augenblick geschehen.
Ich sah zu ihr, und, wie jung und kindlich ich auch war, ich verwünschte den Augenblick, in dem ich diese Figur gemacht hatte.
Es drohte Gefahr und ich spürte, wodurch, konnte aber keine Erklärung dafür finden.
„Ist dir unwohl?“, fragte sie sanft und zärtlich.
„Nein“, antwortete ich kurz und streng, „ich fühle mich gut.“
Zum ersten Mal hatte ich wie ein Dumonché gesprochen, wodurch sie erschrak.
Unsere schöne Verbindung aber war zerstört, denn ich vertraute ihr in nichts mehr.
In meinem Gefühl zog ich mich von ihr zurück; ich war in nichts mehr zu erreichen.
Ich verstand nicht, warum, ich begriff nichts von all dem, trotzdem fühlte ich, was ich wollte, denn es lag tief in mir.
Sie hatte mit meinen Eltern darüber gesprochen und anhand des Gesagten verstand ich, dass sie das „Warum“ verschwiegen hatte.
Sie hatte lediglich erzählt, dass ich sie streng und kalt in ihre Schranken gewiesen hatte.
Wie meine Eltern darauf reagierten?
Sie fanden mich so, wie es sich für mich gehörte.
Sie sahen darin den wahren Charakter ihres Geschlechts und waren erfreut.
Hiermit war der Zwischenfall vorbei und vergessen, aber ich hatte mich verändert.
Von dieser Stunde an ignorierte ich all ihre guten Absichten.
Vor irgendetwas fürchtete ich mich weiterhin, nur wovor?
Ich sehnte mich nach Marianne; sie war die Einzige, der ich noch vertraute und gegenüber der ich meine inneren Gefühle äußern konnte.
Meine Liebe zu ihr wuchs.
Die Figur meiner Kinderfrau zerstörte ich, sie bekam keinen Platz bei den anderen.
Wenn sie mir Fragen stellte, wich ich der Antwort aus.
Doch es kam wieder zu einer Annäherung, denn sie gab mir weiterhin ihre Liebe.
Nach einigen Tagen wurde ich schwach, worauf ihr die Tränen über die Wangen flossen und sie mich leidenschaftlich an ihre Brust drückte.
„Mein Junge“, sagte sie, „wie kannst du so böse sein.“
Dadurch verstand ich, dass sie meine wahren Gefühle nicht verstand und meine Angst nicht fühlte.
Als ob mein Leben davon abhinge, kämpfte ich für etwas, was von ihr, die doch viel älter war, nicht gefühlt wurde!
Ich wachte über „etwas“, das um mich herum und in mir lebte, das ich aber selbst nicht verstand.
Andere Kinder verbergen in meinem Alter auch ihre kleine Welt, wenn sie nicht verstanden werden.
Man wird keinem Wesen Gefühle anvertrauen, das nicht dieselben Gefühle besitzt und darauf reagiert.
Das Seelenleben verschließt sich unerbittlich.
Das Gefühl des Kindes wird entweder schlummern oder es plagt sich weiter damit ab und kann nicht aufhören.
Es wird und muss dasjenige erreichen, wonach es sich sehnt; es wird schärfer und bewusster, bis es sich entfaltet und sich die wahren Eigenschaften manifestieren.
Darauf baut sich der Mensch eine eigene Zukunft auf.
In den Jahren, die kommen werden, wird sich der Geist entwickeln, vor allem, wenn das Mannes- und Frauenalter näherrückt.
Dann ist man bewusst oder im Schlaf, doch jener Schlafzustand gehört zu denen, die dies alles, was ich hier erzähle, weder erleben noch fühlen noch verarbeiten noch besitzen.
In mir lag eine treibende Kraft und man dachte an Schwäche, also etwas Stoffliches, doch dieses ganze Problem spielte sich nur in meinem Inneren ab.
Vor denjenigen, die mich nicht verstanden, verschloss sich diese Kraft unweigerlich.
Doch wenn der ältere Mensch mich mit seiner Liebe umstrahlte, öffnete es sich wie von selbst und ich ging in jene Liebeskraft über, die mich glücklich machte.
Dadurch wurde ich auch schwach vor ihr, die sich um mich kümmerte und meine Lehrmeisterin war.
Ich wusste sehr sicher, dass ich, wenn sie meinen Eltern die wahre Ursache erzählt hätte, auf keinen Fall noch etwas von ihr angenommen hätte.
Dies vereinfachte meine Annäherung und die Rückkehr meiner alten Gefühle für sie.
Ich sagte, dass ich nicht böse sei, aber auch, dass sie nicht reden dürfe.
„Sie brechen Ihr Wort doch nicht?“, ließ ich darauf folgen.
„Mein Wort, sagst du?“
„Ihr Wort“, wiederholte ich und sah sie unverwandt an.
Neue Gedanken kamen in mir auf und ich fragte sie: „Soll ich eine neue und andere Figur für Sie machen?“
„Tu, was du willst, mein Junge“, sprach sie, woraufhin ich davoneilte und verschwand.
Ein Dutzend Schritte von ihr entfernt fühlte ich, dass mein Drang zum Modellieren abnahm, und ich setzte mich nieder, um nachzudenken.
Wie lange ich dort gesessen hatte, wusste ich nicht, die Zeit verflog, Gedanken folgten einander, und vom Denken wurde ich müde und schlief ein.
Ich wurde erst wach, als ich hörte, dass ich bei meinen Namen genannt wurde.
Vor mir stand Marianne.
Ich erinnerte mich sofort an das Versprechen und begrüßte sie nicht.
Marianne wusste nicht, was in mir vorging, doch sie sah mich böse an, drehte sich um und ging weg.
„Bleib“, schrie ich ihr hinterher, „bleib!“
Doch sie blieb nicht und war bereits verschwunden.
Wieder machte ich mich auf den Weg, konnte aber nicht auf die gewünschten Gedanken kommen und kehrte zurück.
Meine Kinderfrau lächelte mir von Weitem zu und ich verstand ihr Lächeln.
Es wurde nicht mehr über diese Figur gesprochen, aber ich sagte zu ihr: „Wissen Sie, dass ich bald von hier fortgehe?“
„Bald von hier fort, Lantos?
Wie kommst du darauf?“
„Mitgehört, ich hörte es meine Mutter sagen.
Es geht mir besser, wissen Sie das denn nicht?“
„Nein“, sagte sie, „mir ist nichts davon bekannt.“
Aber am nächsten Tag kam meine Mutter und sagte es ihr.
Mit Anteilnahme erkundigte sie sich, wie es mir ging, und auch nach ihren Gefühlen.
Ich sah von meiner Mutter zu ihr, die mich lieb hatte, und erwartete mein Todesurteil.
Ich wusste bereits, was sie sagen würde, sie sagte: „Der Wald tut ihm gut, es geht ihm viel besser.“
Es wurde beschlossen, dass ich in einigen Monaten woanders meine Leibeserziehung erhalten würde.
Neue Lehrmeister sollten mir ihre Kräfte geben, aber mein freies Leben war dann vorbei und ein neues würde beginnen.
Am nächsten Tag erzählte ich Marianne die große Neuigkeit, sie verhielt sich sehr verlegen.
Zusammen streiften wir in der Umgebung umher, Hand in Hand, wie zwei Verliebte.
Plötzlich sagte sie zu mir: „Ich werde Kränze flechten und dann heiraten wir.“
Augenblicklich stimmte ihrem Plan zu und gemeinsam pflückten wir Blumen, damit das freudige Fest gelingen würde.
Mein geliebter Hund war bei uns und das gute Tier sollte unser Kind werden, wenn wir einmal ehelich verbunden waren.
Bald waren die Kränze fertig und wir kehrten zu meiner Kinderfrau zurück, die stets in der unmittelbaren Nähe blieb und uns keinen Augenblick aus dem Auge verlor.
Hand in Hand traten wir ihr entgegen.
Ich ergriff das Wort und sagte: „Sie müssen uns trauen.“
„Was sagst du?“
„Trauen“, wiederholte ich, „wir sind dazu entschlossen, denn bald gehe ich fort.“
In uns lag heiliger Ernst für dieses Geschehen.
Als sie uns beobachtete und an unseren ernsten Gesichtern und unserer Haltung spürte, dass sie mitmachen musste, verband sie uns mit einigen Worten in der Ehe.
Wir waren Mann und Frau und Marianne machte sofort ihre Rechte geltend.
Ich musste gehorchen, lieb zu ihr sein und sie in allem bevorzugt behandeln.
Doch bald hatten wir unsere Verbindung vergessen und suchten nach anderen Spielen, um uns die Zeit zu vertreiben.
Stundenlang lagen wir Hand in Hand auf dem Rücken und starrten gen Himmel, aber keiner von uns beiden unterbrach die Stille.
Es war, als fühlte sie, dass sie mich bald entbehren würde.
Aber dann sprang sie plötzlich auf und suchte das Weite.
Was war in dieses freche Mädchen gefahren?
Darüber musste ich dann ständig nachdenken, konnte aber nicht hinter die Wahrheit kommen.
Manchmal kam sie nach einigen Stunden wieder zurück und wenn ich sie nach ihrem Fortgehen und ihren Launen fragte, bekam ich keine Antwort.
Ich spürte, dass sie mich die ganze Zeit heimlich beobachtete und sich anders verhielt als gewöhnlich.
Kam das von meinem Fortgehen?
Als ich sie fragte, ob sie es schade fände, dass ich fortginge, begann sie zu schluchzen.
Arme Marianne!
Ich streichelte ihre blonden Locken und versprach, ihr etwas zu schenken.
Wenn sie sang, wusste ich, dass sie glücklich war.
Sie nahm meine Hand in die ihre und stimmte ihren Jubelgesang an.
Wie lieb ich sie gewonnen hatte!
Ich sagte ihr, dass ich sie sehr liebte, noch mehr als meine Eltern.
Sie verstand das vollkommen.
Unsere kleinen Seelen ersehnten Wärme, vor allem ich, da ich in meiner Umgebung keine empfing.
Dann legten wir uns wieder nieder und sagten einander schöne Dinge.
Plötzlich sagte sie: „Komm, Lantos, ich werde dich begraben.“
„Begraben?“, fragte ich.
Ein merkwürdiges Spiel, doch ich fand es auch reizvoll und wollte sie nicht enttäuschen.
Ich sollte begraben werden und sie würde um ihren Gemahl trauern.
Sie begrub mich unter Sand und Laub, mein Kopf blieb frei, aber meine Augen musste ich geschlossen halten.
Ich tat, was sie wollte, denn sie war stets diejenige, die sich neue Spiele ausdachte.
Darüber lachte ich lauthals vor Spaß, doch für sie war es heiliger Ernst.
Sie trauerte, dass es eine wahre Lust war.
Tränen kullerten ihr über beide Wangen.
Auch ich wurde ernst.
Marianne kniete neben mir nieder und sprach: „Ach, wie hatte ich ihn lieb, und nun ist er nicht mehr.“
Es war tragisch, sie empfand echten menschlichen Kummer.
Während sie weinte, fühlte ich eine merkwürdige Kraft in mich kommen.
Ich begann zu zittern und zu beben und kalte Ströme durchzogen meinen Körper.
Ich wollte diesem Spiel ein Ende machen, aber es war mir nicht möglich, ich war erstarrt, meine Macht über meine Gliedmaßen war gebrochen.
Diese Gefühle blieben eine geraume Zeit, doch unser Spiel war dadurch gestört.
Dann fühlte ich meine Kräfte zurückkehren.
Wir sahen einander in die Augen und wir beide spürten, dass etwas geschehen war, das nicht zu unserem Spiel gehörte.
Ohne es zu wollen hatte es mich überrumpelt.
Dann lachten wir schallend vor Spaß und auch dieses Spiel gehörte der Vergangenheit an.
Unerwartet fragte sie, ob sie ihre Figur sehen dürfe.
An der Stelle angekommen, wo ich meine Sammlung aufbewahrte, holte ich ihre Figur hervor, doch sie war nicht vorzeigbar, sie war zu einer glitschigen Masse vermodert.
Sie drängte mich, eine neue zu machen.
Das musste sie mir nicht zweimal sagen und diese Figur wurde noch schöner als die erste.
Ich umwickelte sie mit einem alten Stoffstück und vergrub sie erneut.
Sie hatte während der ganzen Zeit kein Wort gesprochen, doch als ich ihr Bildnis gut verstaut hatte, sagte sie: „Bist du krank?
Du siehst so blass aus.“
„Nein“, sagte ich, „ich fühle mich sehr gut.“
Doch sie starrte mich weiterhin an und auf einmal drehte sie sich um und verschwand.
Sie machte mich wütend damit, dass sie so plötzlich verschwand.
Ich rannte ihr hinterher, wollte wissen, warum sie wegging, ohne etwas zu sagen.
Das war der einzige große Fehler, den ich an ihr entdeckte, der mich jedoch störte und mir wehtat.
Ich hatte sie seit Tagen nicht gesehen und streifte allein umher und suchte nach irgendeinem anderen Vergnügen oder ich klagte meiner Kinderfrau mein Leid.
Auch sie konnte mir auf Mariannes Verhalten keine Antwort geben.
Durch ihr Tun und Lassen zerschlug sie etwas in mir, sie zerbrach etwas, und dadurch litt ich.
Dann war ich in nichts zu erreichen und mein wahres Gesicht offenbarte sich anderen, die in meiner Umgebung waren.
Dann machte ich alles und jedes kaputt und wurde dabei von meinen Eltern unterstützt.
Nun war ich schließlich wie einer von ihnen, nun hatten sie vor nichts mehr Angst.
Die Zeit verstrich und ein Mal noch begegnete ich Marianne.
Ich fragte sie nach dem Grund ihres plötzlichen Verschwindens, doch sie gab mir keine Antwort und ignorierte meine Frage.
Da kannte ich mich selbst nicht mehr und packte sie mir, um sie zu verprügeln.
Sie schrie um Hilfe, und auf ihr Rufen hin schoss meine Kinderfrau ihr zu Hilfe und befreite sie.
Marianne nutzte die Gelegenheit und machte sich davon.
Wütend war ich, aber ich wagte es nicht, meine Kräfte mit denen meiner Kinderfrau zu messen, und auch ich eilte daher fort und suchte mein Heil in meinem Zimmer.
Dort kam ich zu mir und merkte, dass meine Angst vor dem Einen in mir verschwunden war.
Ich hatte es bereits von dem Augenblick an gespürt, als meine Mutter mit meiner Kinderfrau über mein Fortgehen gesprochen hatte.
Dieser Zeitpunkt stand nun unwiderruflich fest.
Ich dachte an Marianne und fragte meine Mutter, ob ich mich von ihr verabschieden dürfe.
Sie verbot es jedoch und zuckte mit den Achseln.
Ein anderes Kind, das ich nicht ausstehen konnte und seit langer Zeit nicht gesehen hatte, sollte zu mir kommen.
Aber dieser Besuch war nur kurz; durch meine Stimmung wurde er beendet und meine zukünftige Frau ging weg.
Ich sollte sie nicht mehr wiedersehen, eine andere Macht zerriss dieses Band, woran weder Geist noch Mensch etwas würde ändern können.
Am nächsten Morgen brachte man mich in eine andere Umgebung, wo für meine Erziehung gesorgt werden sollte.
Meine Jugend, die schönste Zeit meines Lebens auf der Erde, war vorbei.
Marianne begegnete ich nicht mehr.
Im Gefühl meiner Mutter lag eine tiefe Kluft zwischen ihr selbst und mir, die nicht zu überbrücken war.
Wie jung ich auch war, ich erkannte die Bedeutung davon trotzdem.
Aber ich fühlte mich nicht wie sie; ihr Stand, ihre Geburt, ihr Reichtum und ihre Herrschaft riefen nichts in mir wach.
Ehe ich fortging, dankte ich meiner Kinderfrau für alles.
Auch sie sollte ich nicht mehr wiedersehen.