Ich setzte meinem Leben ein Ende und das Eintreten in die geistige Welt

Alles war emotional, was ich hier erlebte, aber nun begann ich, doch stark nach dem Tod zu verlangen.
Alle meine Wünsche hatten diesem einen Gedanken Platz gemacht: „Der Tod“.
Roni war glücklicher als ich; hätte er doch mir, anstatt ich ihm, den Schädel eingeschlagen, denn dieses Leiden war schrecklich.
Der Tag war gegangen und die Nacht nahte.
Ich wollte versuchen, ein wenig zu schlafen.
Der Wind heulte wieder durch die Luke, aber das machte mir keine Angst mehr, daran war ich nun gewöhnt.
Ich sehnte mich nur noch danach, sterben zu dürfen, mehr nicht.
Innerlich fühlte ich mich etwas ruhiger, aber dennoch konnte ich keinen Schlaf finden, sodass ich unwillkürlich wieder begann, mich umzusehen.
Ja, da sah ich wieder Bewegung, also kamen sie gerade.
Seit langer Zeit hatte ich nichts von ihnen gesehen.
Ich hatte mir also nichts eingebildet.
Noch immer wusste ich nicht, ob es Menschen oder Tiere waren.
Ich verfolgte alle ihre Bewegungen und fand es seltsam, dass ich mich nicht mehr so fürchtete wie zuvor.
Sie wurden stets deutlicher, blieben aber in einen Schleier gehüllt.
Ich folgte ihnen in allem.
Tatsächlich, so dachte ich, es sind Menschen.
Aber woher kommen diese Menschen?
Nun höre ich ein flüsterndes Geräusch und versuchte, seine Bedeutung mitzubekommen.
Doch es war zu leise.
Da fragte ich auf einmal: „Sind hier Menschen?
Seid ihr lebende Wesen?“
Ich wartete, hörte aber nichts, doch das Leben um mich herum wurde dichter und dichter.
Plötzlich fühlte ich, wie etwas Unbegreifliches in mich kam.
Es war, als ob zu mir gesprochen würde.
Nochmals fragte ich, ob da Menschen seien.
Wieder hörte ich, wie gesprochen wurde, doch ich verstand es nicht und fragte: „Bist du wirklich ein Mensch?“
Auf einmal hörte ich, wie ganz deutlich gesagt wurde: „So wie du.“
So wie ich?
Aber das konnte doch nicht sein?
Ich war hier eingesperrt und war alleine.
Ich fragte: „Welche Kräfte sind es denn, die du besitzt?“
„Deine“, hörte ich sagen.
„Meine?“, wiederholte ich.
„Deine“, hörte ich wieder.
„Bist du ein Mensch oder ein Tier?“, fragte ich.
„Mensch, wie du.“
„Und wo lebst du?“
„Hier, nahe bei dir, um dich herum und in dir.“
Davon verstand ich nichts.
In mir?
War ich mit der unsichtbaren Welt verbunden, mit dem Jenseits?
Gab es dann doch ein Weiterleben?
Ich fragte wiederum: „Bist du gestorben?“
„Nein“, hörte ich, „wir leben doch?“
Jetzt wusste ich immer noch nichts.
Neben mir sah ich nun verschiedene Wesen.
Ich konnte ihre Körper wahrnehmen und sah, dass es Menschen waren.
Sie sagten also die Wahrheit.
Sie sahen mich an und lächelten mir zu.
Ich wiederholte meine Frage, bekam jedoch keine Antwort.
Nun fragte ich: „Seid ihr von der Erde?“
„Ja“, hörte ich sagen, „aber in einer anderen Welt.
Zwischen der Erde und dem Jenseits.“
Auch das verstand ich gar nicht.
Ich glaubte, dass man mich zum Narren hielt, oder suggerierte ich mir selbst etwas?
Doch im selben Augenblick hörte ich, wie gesagt wurde: „Ich sage die Wahrheit, du siehst uns doch?“
„Ja, ich sehe euch.“
„Nun denn, so komm zu uns“, hörte ich, was mich unwillkürlich erschaudern ließ.
„Zu euch?“, fragte ich.
„Hier bist du von all deinen Qualen befreit.
Hier ist Leben und du kannst dich amüsieren.“
Dies brachte mich aus der Fassung, denn sie wussten, wonach ich mich sehnte.
Dann mussten es Menschen sein, denn sie dachten wie ich.
Aber warum keine direkte Antwort auf meine Frage, ob sie auf der Erde gestorben waren?
„Seid ihr gestorben?“, fragte ich.
Da meinte ich, ein teuflisches Gelächter zu hören.
Waren es Teufel?
„Sagt mir, wer seid ihr?“, bat ich erneut.
„Ist nicht möglich“, hörte ich.
„Warum nicht?“, fragte ich und hörte: „Sagst du jedem, wer du bist?“
Diese Antwort war klar, so denken und reden konnten nur Menschen.
Danach fragte ich: „Kannst du so denken wie ich?“
„So wie du.“
Nun hörte ich eine geraume Zeit nichts mehr, doch ich sah sie deutlich.
Erst wollte ich dies verarbeiten, denn ich verstand es noch überhaupt nicht.
Trotzdem stellte ich noch einige Fragen, bekam aber keine Antwort mehr.
Die Nacht verstrich und der Tag nahte, aber noch war ich nicht hinter die Wahrheit (gekommen).
Den ganzen Tag über dachte ich an alles und ersehnte die Dunkelheit, denn ich erlebte Dinge, von denen ich in meinem Leben nicht gehört hatte.
Eins war mir klar: Sie waren scheußlich, diese Wesen.
Es waren Gestalten, menschliche Wesen, aber eher teuflisch.
Am Tag, wenn es hell war, sah oder hörte ich nichts von ihnen.
Das Tageslicht konnten sie offenbar nicht vertragen.
Doch ich sehnte mich nach der Nacht, denn es nahm mir meine anderen Gefühle, mein Leid, meinen Hunger und Durst und meine Sehnsüchte.
Nun dauerte der Tag für mich ein Jahr.
Wie lange ich schon hier war, wusste ich nicht.
Doch an der Jahreszeit, wenn die Wärme der Kälte Platz machte, erkannte ich, dass wieder ein Jahr um war.
Wie mein armer Körper das aushalten konnte, verstand ich noch immer nicht.
Die Kälte ließ mich beinahe erfrieren und der Sommer manchmal ersticken.
Doch es geschah nichts von beidem, ich blieb am Leben, wie erbärmlich es auch um mich bestellt war.
All diese verschiedenen Gefühle, die durch mich hindurchgegangen waren, konnte ich voneinander unterscheiden.
Am meisten hatte ich durch diese verschiedenen Angstgefühle zu leiden gehabt, ebenso wie durch meine Sehnsüchte.
Nun tauchte eine neue Beschäftigung auf und mit ihr sollte ich mich vergnügen, danach verlangte ich, sodass für mich nunmehr der Tag eine Ewigkeit dauerte.
Vielleicht kam ich jetzt hinter die Wahrheit, würden sich viele Rätsel lösen.
Alles würde sich in mir verändern, wenn ich erst einmal alles über ihr Leben wusste.
Äußerlich brauchte ich mich nicht mehr zu verändern.
Wenn ich so, wie ich nun war, vor meinen Freunden erschiene, würden sie mich nicht mehr wiedererkennen.
Ich trug einen langen Bart, mein Haar hing bis auf meine Schultern herunter und es war schneeweiß.
Ich sah aus wie ein Gelehrter, wie ein ehrwürdiger Mensch, und doch war ich ein Mörder.
Innerlich und äußerlich hatte in mir eine große Veränderung stattgefunden.
Ich nahm wie gewöhnlich in meiner Ecke Platz und wartete die Nacht ab.
Als es dunkler wurde, sah ich, wie auch sie sich näherten.
Noch waren sie in einen Schleier gehüllt und ich wusste bereits, wann ich sprechen konnte und sie mir antworten würden.
Um sie herum sah ich nun ein rötliches Licht, aber da hindurch grüne Lichtblitze und ich musste unwillkürlich an ein nahendes Unheil denken, das mit ihnen zu mir kam.
Doch als sie näher kamen, dachte ich nur noch an mich und an die Fragen, die ich würde stellen dürfen.
Sah ich richtig?
Tatsächlich, ich sah eine Frau.
Woher kam sie?
„Sind hier Frauen?“, fragte ich.
Keine Antwort.
Ich hatte doch deutlich die weiblichen Linien wahrgenommen, dafür war ich ja Künstler.
Ein Künstlerauge sah schärfer als das eines gewöhnlichen Menschen.
Wieder sah ich Frauen, es war nicht eine, sondern es waren Dutzende.
Ich sah, wie sich ihre Körper bewegten, auf und nieder gingen, als spielten sie ein Spiel, wie es Tausende von Mücken zu tun pflegen.
Anmutig schwebten sie empor, um dicht an mir vorbeizuziehen.
Sie waren fühlbar, doch ich wagte nicht, mich zu rühren.
Träumte oder wachte ich?
Ich tastete michab, schlug mit meiner Faust gegen die Wand, kniff mir in meine eingefallenen Wangen und konstatierte, dass ich wach war.
Ja, es waren Frauen, ich sah sie nun deutlich.
Ich lauschte, ob ich sie sprechen hörte, und sah, dass sie einander umschlangen.
Es war sonderbar, doch ich war sehr ruhig und sah zu.
Plötzlich vernahm ich eine Stimme, die ich sofort wiedererkannte, und gleichzeitig war ich davon überzeugt, dass ich sie innerlich hörte.
„Willst du Fragen stellen?“, hörte ich.
„Oh“, sagte ich, „gerne, sehr gerne.“
Und ich fragte: „Sehe ich recht, sind das Frauen?“
„Du siehst richtig“, hörte ich und war glücklich.
„Sag mir, woher kommen diese Frauen?“
„Von der Erde“, sagte die Stimme.
Das ist, dachte ich, eine deutliche Antwort.
Dann hörte ich, wie gesagt wurde: „Siehst du mich?“
„Nein“, sagte ich, „ich sehe dich noch nicht“, doch ich bemerkte, dass sich gleich neben mir etwas verdichtete.
„Ja“, rief ich ganz freudig, „nun sehe ich dich.“
Ich blickte in zwei grünstrahlende Augen, die mich durchdringend ansahen.
Dann hörte ich, wie gesagt wurde: „Bin ich ein Mensch?“
„Ja, du bist wie ich ein Mensch, ich danke dir.“
Danach zog er sich zurück und ich fragte: „Gibt es dort Vergnügen?“
„Hier gibt es alles.
Wir leben so, wie wir es selbst wollen.“
„Wunderbar“, sagte ich.
Das Gespräch kam nun schnell in Gang, es ging wie von selbst.
„Was muss ich tun, um dorthin zu euch zu kommen?“
Da hörte ich sehr deutlich: „Mach deinem Leben ein Ende, bleib nicht in diesem Kerker, komm zu uns.“
„Meinst du das ernst?“, fragte ich.
„Ja, gewiss, ich meine es ernst.“
„Sag mir zunächst noch, bist du gestorben?“
Das Wesen schien nachdenken zu müssen, und nach einiger Zeit hörte ich: „Wir alle sind gestorben.“
„Aha“, sagte ich und ließ darauf folgen:
„Es gibt also ein Jenseits?“
„Etwas Ähnliches.“
„Es gibt also keinen Tod?“
„Nein“, hörte ich, doch es klang mir schrill in den Ohren.
„Herrlich“, sagte ich, „du lebst also auf der anderen Seite des Grabes?“
„Ja“, hörte ich, doch es hatte lange gedauert, ehe ich diese Antwort bekam.
„Stört uns etwas?“
„Ja“, sagte die Stimme.
„Das dachte ich mir schon“, sagte ich.
„Aber lebt ihr in der Hölle?“
„Nein“, sagte er, „hier ist es herrlich.“
Dann hörte ich ein Gelächter, doch ich verstand nicht, warum sie über diese Frage lachen mussten; ich meinte es doch ernst.
„Sie lachen nicht über dich“, hörte ich, „sie machen Spaß.“
„Spaß?“, wiederholte ich.
Und ich langweilte mich zu Tode.
Dort hatten sie Vergnügen, waren zusammen, und ich war immer allein.
Nun hörte ich, wie nach meinen Gedanken gesagt wurde: „Komm doch zu uns!“
„Ich werde ernsthaft darüber nachdenken“, sagte ich.
Danach fragte ich, was mich am meisten beschäftigte: „Sag mir, lieber Freund, ist dort Gott?“
Ich hörte nun ein fürchterliches Gelächter und ich fühlte, dass meine Frage dumm gestellt war.
Satanisch klang ihr Gelächter in meinen Ohren.
Trotzdem fragte ich: „Lacht ihr über mich?“
„Nein“, sagte er.
„Kennt ihr denn einen Gott?“
„Ich nicht und wir alle nicht“, hörte ich ihn sagen.
Das war wieder eine sehr klare Antwort, sie kannten Gott auch nicht.
„Sag mir, lieber Freund, aber gib mir eine klare Antwort, seid ihr verdammt?“
Ich lauschte aufmerksam und hörte ihn sagen: „Keiner von uns weiß was davon.“
„Dort bei euch gibt es also keine Verdammnis?“
„Hier nicht.“
Wenn das so war, wollte ich in diese Welt.
„Noch eine Frage, die du mir klar beantworten musst.“
„Frag, so viel du willst“, hörte ich.
„Ich danke dir, bin dir sehr dankbar.
Brennt dort Feuer bei euch?“
„Feuer, sagst du?“
„Ja, Feuer?
In der Hölle brennt doch Feuer?“
„Hier ist kein Feuer.“
Das auch nicht?
Sind denn dann die Geistlichen auf der Erde geisteskrank oder bin ich es, dachte ich.
„Das sind Geisteskranke“, hörte ich ihn sagen, und er wiederholte: „Hier brennt kein Feuer.“
„Wie glücklich machst du mich, lieber Freund, wie glücklich bin ich.“
Ein tiefer Seufzer entfuhr meiner Brust.
Wenn das so war, konnte ich wieder Liebe zu Gott empfinden.
Ich dachte lange nach und auch er sprach nicht zu mir, als ob er offenbar wusste, dass ich überlegen musste.
Nach einer langen Zeit fragte ich: „Sind all die Geistlichen – und es gibt viele – falsch unterrichtet?“
„Ja“, hörte ich, „das muss so sein.“
„Und der Heilige Vater?“
„Auch er.“
„Das ist furchtbar“, sagte ich.
Dann waren Millionen Menschen betrogen worden.
Wenn sie es nicht wussten, wer dann?
Sie waren doch die Vertreter Gottes?
Ach, dieser unbegreifliche Gott.
Diese ganzen Gelehrten, die Gott kannten, waren also auf dem Holzweg, wussten nichts von Gott, genauso wie ich.
Ich war meinem Freund sehr dankbar, doch dieses Problem wurde immer komplizierter, nun konnte ich überhaupt nichts mehr davon verstehen.
Welch ein Mysterium!
„Komm zu uns“, hörte ich ihn sagen, „und dein Leid und dein Schmerz sind vorbei.
Alles wird aufgehoben, komm, komm bald, die Zeit drängt.“
„Werde ich bei euch sein?“
„Ja, gewiss.“
„Ist bei euch Nacht und Tag?“, fragte ich.
„Habt ihr mich nicht gehört?“, fragte ich erneut, weil es so lange dauerte, bis ich eine Antwort bekam.
„Doch, schon“, sagte er nach einer Weile, „aber ich kann dir das nicht erklären.“
„Ist meine Frage denn so schwierig?“
„Das nicht, aber vergiss nicht, dass wir in einer anderen Welt sind.“
Das stimmte – dass ich daran nicht gedacht hatte!
Trotzdem fand ich es seltsam.
Meine Frage war nicht tief, sondern menschlich.
Das kleinste Kind wusste von Tag und Nacht.
Ist diese Welt denn so unbegreiflich?
Es musste wohl so sein, denn alle Menschen auf der Erde wussten nichts von ihr, selbst die höchsten Geistlichen nicht, wie sie sagten.
„Erzähle mir“, bat ich, „habt ihr genug zu essen und zu trinken?“
„Wir haben alles, was dein Herz begehrt.“
„Wie glücklich ihr dort dann seid, ich besitze überhaupt nichts.“
„Dann komm und warte nicht länger.“
Nun fragte ich wieder: „Ihr seid also doch gestorben?“
„Ja“, sagte er.
„Danke, jetzt bist du deutlich.
Auf der Erde?“
„Auf der Erde“, hörte ich.
„Kannst du mir noch mehr erzählen?“
„Nur das, was du mich fragst.“
Ich dachte nach und schaffte es nicht, etwas zu fragen.
Dennoch waren Tausende in mir.
Nach einer Zeit fragte ich wieder: „Weißt du, dass ich hier auf meinen Tod warte?“
„Ja“, hörte ich, „das hast du mir bereits erzählt.“
Ich werde noch verrückt, dachte ich, denn ich brachte alles durcheinander.
„Du bist also tot und du lebst?“, fragte ich und war erfreut über meine scharfsinnige Frage.
„Ja“, hörte ich, „wir sind tot und wir leben.“
Nun wusste ich genug.
Es gab also keinen Tod.
Sie lebten in einer anderen Welt und ich würde in sie eintreten.
Dann war der Tod etwas Herrliches und ich brauchte mich nicht zu fürchten.
Ich fragte: „Hast auch du diesem irdischen Leben ein Ende gesetzt?“
„Ich nicht, aber viele hier.“
„Herrlich“, sagte ich, „ich komme bald, muss erst gut darüber nachdenken.“
Es schien mir ein großer Schritt zu sein, doch dann wäre ich von allem Elend befreit.
„Was gedenkst du, zu tun?“, hörte ich nun wieder.
„Ich werde erst nachdenken und dann werde ich es dir morgen Nacht sagen.“
Danach hörte ich so was wie ein Knurren, dachte jedoch, dass es nicht für mich bestimmt war und dass irgendein Wesen das gemacht hatte, was ich aufgefangen hatte.
Anschließend hörte ich: „Ich rate dir, dich bald zu entscheiden, die Zeit drängt.“
Zum zweiten Mal wurde mir dies gesagt und ich antwortete: „Ich werde mich beeilen.“
„Gut“, hörte ich, „sehr gut, denn jetzt besitzt du noch die Kraft, es zu tun.
Bald wird dein ausgehungerter Körper nicht mehr imstande sein, dies zu können.“
„Das ist klar“, sagte ich, „daran habe ich nicht gedacht.“
Er hatte recht, bald würde ich diese Kräfte nicht mehr besitzen.
Ich bedankte mich bei ihm, fragte aber noch schnell, da es bereits zu dämmern begann: „Hilfst du hier noch anderen Gefangenen?“
„Ja, einem noch.“
„Und die anderen?“, fragte ich.
„Die hören und sehen uns nicht.“
„Ich bin also privilegiert?“
„Das bist du“, sagte er.
„Du bist begabt“, ließ er darauf folgen.
Das war wahr, wie deutlich war diese Antwort.
„Weißt du“, fragte ich noch, „dass ich ein Künstler bin?“
„Ich weiß es.“
„Von wem?“
„Ich sehe und fühle es.“
„Fabelhaft“, sagte ich, „du hast Menschenkenntnis.
Ist der andere, dem du hilfst, auch begabt?“
„Nein“, hörte ich sagen.
„Du bist empfindsamer als er.“
Das verstand ich auch und war erfreut darüber.
Ich hörte noch: „Jetzt gehe ich fort und denke gut nach; bis heute Nacht.“
„Bis heute Nacht“, sagte ich, „und vielen, vielen Dank.“
Die Wesen lösten sich vor mir auf, denn die Nacht machte Platz für den Tag.
Nun hatte ich sehr viele Probleme, über die ich nachdenken konnte.
Sollte ich mich dazu entschließen?
Ich fand alles merkwürdig.
Sehr interessant war es.
Am meisten freute mich, dass die Geistlichen der Erde von all diesen Problemen nichts wussten.
Wie schwadronierten sie über ihre Weisheit!
Wie gelehrt waren all diese Menschen!
Sie waren die Auserkorenen und trotzdem wussten sie nichts, nichts von diesem Leben.
Ich fühlte mich sehr glücklich und hatte all mein Elend vergessen.
Den ganzen Tag über dachte ich nach.
Gott verdammte nicht, dort war kein Feuer, zwei große Probleme waren also schon beantwortet.
Man hatte dort zu essen und zu trinken, man lebte dort und man konnte gehen, wohin man selbst wollte.
Es konnte nicht schöner sein.
Ich würde Schluss machen, ganz sicher.
Aber wie sollte ich das tun?
An diesem Gitter?
Das war die einzige Stelle, die dafür in Betracht kam.
Mit dem Kopf gegen die Wand rennen war nicht so sicher.
Hier wollte ich nicht länger bleiben, denn ich sehnte mich nach den Menschen, nach Festen und nach Essen und Trinken, nach Liebe und Glück.
Dort waren Männer und Frauen beisammen, es konnte nicht herrlicher sein, und ich war mit allem zufrieden.
Hier besaß ich nichts, und es könnte noch lange dauern, bis ich sterben würde.
Ich wollte diese scheußlichen Nächte, die ich anfangs durchgemacht hatte, nicht wieder erleben, dann würde ich wahnsinnig werden.
Nun besaß ich noch die Kraft, in einer Weile nicht mehr, denn ich wurde immer schwächer.
Sollte ich hier als Kranker liegen müssen?
Nein, ich war fest entschlossen, Schluss zu machen und wünschte, es wäre schon Nacht, damit ich es ihm sagen konnte.
Von all diesem Ungeziefer aufgefressen zu werden, das gefiel mir überhaupt nicht.
War Roni auch in dieser Welt?
Dann hätte ich nicht getötet, sondern ihm bloß das irdische Leben genommen.
Ein Gefühl der Erleichterung kam in mich.
Roni lebte also und wusste jetzt mehr als ich; ich würde ihn sogar wiedersehen.
Auch Marianne!
Dann würden wir Hand in Hand weitergehen und einander lieben können.
Oh, welch ein Glück erwartete mich dort.
Wenn sie bereits dort war, sah ich sie womöglich sofort.
Falls sie aber noch am Leben war, dann würde ich warten.
Auf jeden Fall lebte ich, lebte sie, es gab kein Feuer und man wusste dort nichts von einer Verdammnis.
Viele schöne Dinge erwarteten mich.
Bald konnte man meine Leiche begraben.
Ich würde ja gerne mal ihre Gesichter sehen.
Wenn ich hier schreiben könnte, würde ich einen wunderbaren kleinen Brief dazulegen und ihnen für alles danken, was ich in dieser ganzen Zeit genossen hatte.
Die Sonne ging unter, alsbald würde es Nacht sein.
Ich dachte an all die Fragen, die ich noch zu stellen hatte, und wollte vorbereitet sein.
Ich musste versuchen, rein zu denken.
In der vorigen Nacht war es mir beinahe zum Verhängnis geworden.
Mein Hirn geriet in Verwirrung, aber die wesentlichen Fragen hatte ich dennoch behalten.
Das waren die Fragen, nach denen meine ganze Seele schmachtete.
Ich nahm wie gewöhnlich Platz und wartete ab.
Links von mir sah ich bereits Bewegung.
Sogleich stellte ich eine Frage, bekam aber keine Antwort darauf.
Ich würde noch warten müssen.
Doch wohin ich auch schaute, überall sah ich nun Leben.
Aus der Tiefe kamen sie empor, was wirklich unterhaltsam war.
Plötzlich hörte ich sagen: „Guten Abend, mein Freund.“
„Guten Abend“, sagte ich, „es freut mich, dass du so früh gekommen bist.
Weißt du, dass Abend ist?“, fragte ich.
„Ich habe es dich sagen hören“, sagte er.
„Weißt du das denn nicht selbst?“
Ich lauschte, hörte aber nichts.
Dann, nach einigen Minuten, sagte er: „Was für ein Unsinn.“
„Was für ein Unsinn?“, wiederholte ich seine Äußerung.
Ja, sagte ich zu mir selbst, es ist auch Unsinn.
Ich habe wohl andere Fragen zu stellen.
„Mein bester Freund, hörst du mich?“
„Ich höre dich und lausche.“
„Danke, doch hör nun gut zu, ich habe dir etwas zu sagen.
Ich werde Schluss machen.“
„Sehr gut, aber tu es bald.“
„Hilfst du mir?“
„Ja“, hörte ich, „ich werde dir helfen.“
„Wirst du mich glücklich machen?“
Ich erschrak heftig, denn ein satanisches Gelächter erscholl.
Sind das Teufel?, dachte ich.
Unter all dem Gelächter meinte ich, ein abscheuliches Kreischen zu hören.
Wo hatte ich das einst gehört?
Oh ja, als Roni starb.
Nun wusste ich nicht mehr, was ich fragen sollte.
„Woran denkst du, lieber Freund?“, hörte ich ihn sagen.
„Warum lachst du über meine Frage?“
„Wie kommst du darauf, ich habe nicht gelacht.“
„Bin ich argwöhnisch?“
„Ja“, sagte er, „dies geht dich nichts an.“
„Warum lachen sie denn?“
„Sie amüsieren sich.“
„Oh, das ändert die Sache.“
Ich sah nun viele Wesen beisammen und sie hatten es zusammen vergnüglich.
Es gab etwas, das mich abstieß, wovon mir übel wurde, doch ich schüttelte es von mir ab.
Sie meinten es gut mit mir und ich durfte nicht undankbar sein.
Doch dieser Ekel kehrte in mich zurück und das ängstigte mich.
Deshalb fragte ich ihn: „Was ist es, das mich ängstigt, weißt du das?“
Scharf war seine Antwort und ich hörte: „Dein Gewissen.“
„Mein Gewissen?“
Doch ich musste es bestätigen, der Mann sprach die Wahrheit.
Ich war ein Mörder, ich hatte getötet.
„Hast du noch etwas zu fragen?“
Ich dachte nach, wusste aber nichts mehr zu fragen.
„Ich habe wenig Zeit“, hörte ich.
„So, das ist schade.“
„Ich werde dir helfen.“
„Das ist gut“, sagte ich, „das ist herrlich.“
„Morgen also?“
„Morgen“, sagte ich.
Ja, morgen würde ich es tun.
Nun wurde mir duselig, ihre Welt wurde unsichtbar für mich und ich fiel in den Schlaf.
Es war bereits hell, als ich wach wurde, und ich fühlte mich herrlich ausgeruht.
Das haben sie mir gegeben, dachte ich.
Ich fühlte mich stark und gleich würde ich mich bereit machen, um von hier zu verschwinden.
Das Essen, das man mir wie gewöhnlich brachte, ließ ich stehen.
Nun brauchte ich keine Nahrung mehr, ich bekam andere, wenn ich erst einmal bei ihnen war.
Ich würde meinen ausgehungerten Körper nicht belasten, er hatte genug gelitten.
Ich sprach meinem armen Körper zu und sagte, dass er andere Nahrung erhalten würde und viele andere Dinge mehr, aber plötzlich blieb ich in meinem Gedankengang stecken.
Denn wenn dieser Körper tot war, dann brauchte er schließlich keine Nahrung mehr?
Welches Problem kam jetzt in mir auf?
Merkwürdig waren meine Gedanken.
Dass ich daran nicht eher gedacht hatte.
Wo kamen diese Gedanken so plötzlich her?
Ich fühlte, dass mir schwindlig wurde.
Das Licht in meinen Augen wurde schwächer.
Ob ich blind wurde?
Ich sprang auf und ging ein wenig auf und ab.
Allmählich sah ich wieder besser.
Ich wurde schwach, sehr schwach, es war höchste Zeit, dass ich Schluss machte.
Rasch würde ich alles vorbereiten.
Aus dem Stroh würde ich einen langen Stock machen und dann einen Strick hinter dem Gitter befestigen.
Aber ich hatte keinen Strick.
Dann musste ich eben meine Decke zerreißen.
Nun saß ich ruhig da und arbeitete an meinem Strohstock, aber meine Gedanken waren dennoch bei jenem Problem, beim Sterben und bei der Nahrung, denn ich begriff nicht recht, was das bedeutete.
Ach, dass ich darüber nicht weiter nachgedacht hatte.
Der Geist, natürlich, brauchte keine Nahrung mehr.
Doch auch davon wusste ich nichts, hatte noch nie davon gehört, aber so würde es wohl sein.
Der Geist, wiederholte ich wieder, der Geist!
„Der Geist“, hörte ich plötzlich in mir sagen.
Wer sprach zu mir?
Es wurde in mir gesprochen.
„Der Geist, er lebt, der Geist bleibt am Leben.“
Ich bekam Angst, das brachte mich aus der Fassung, ich war nicht mehr ich selbst.
Ich verfluchte meine eigenen Gedanken.
Wahnsinn, nichts anderes als Wahnsinn!
Ich musste mich beeilen, er hatte mich im Voraus gewarnt.
Mach voran, Lantos, beeile dich, du wirst verrückt, blind und noch vieles mehr.
Alsbald würde ich sterben, dann bräuchte ich nicht mehr nachzudenken.
„Nicht hierüber, aber über tausend andere Dinge“, hörte ich.
„Bist du es?“, fragte ich.
„Kannst du mich am Tage erreichen?
Herrlich ist das.
Ich bin gleich bereit“, sagte ich.
Ich knotete nun diese ganzen schmalen Streifen aneinander, band sie von oben an meinem Strohstock fest und versuchte, sie hinter die Gitterstäbe zu bekommen.
Während ich versuchte, dies zu tun, begann im selben Augenblick mein Herz so heftig zu klopfen, dass ich glaubte, ich bräche zusammen und der Tod erbarme sich meiner von sich aus.
Was bedeutete dies nun wieder?
Ich fühlte, dass eine Kraft durch mich hindurchging, die nicht meine war.
Ich musste Halt suchen, um nicht zu fallen.
Auch mein Sehvermögen wurde schwächer und so musste ich meinen Plan kurz aufgeben, um zu Atem zu kommen.
Ich werde noch blind, dachte ich.
Es ist höchste Zeit, ich zögere zu lange.
Doch ich hatte gedacht, dass dies einfacher gehen würde.
Es war, als wirkte man mir in meinem Tun und Lassen entgegen.
Als ich dort so saß und mich ausruhte, hörte ich plötzlich, wie an die Zellentür geklopft wurde.
Das war noch nicht geschehen.
Wurden die Wärter höflich?
Wieder hörte ich es.
Ja, ja, du wirst total verrückt, wenn du nicht machst, dass du dorthin kommst, dachte ich.
Aber erst muss ich noch ein wenig zu Atem kommen.
Je länger es dauerte, desto schwächer wurde mein Sehvermögen, denn ich sah meine Umgebung wie in einen Schleier gehüllt.
Doch ich sah, dass in jenen Schleier Bewegung kam.
Waren das meine Freunde?
Der Schleier wurde dichter und dichter, und nun sah ich eine Erscheinung, die sich genauso aufbaute, wie sie es stets getan hatten.
Nur sah ich jetzt Licht, ein starkes Licht umstrahlte dieses Wesen.
Deutlich konnte ich seine Formen sehen.
Ein schönes Antlitz hatte diese Erscheinung.
Was sollte ich nun wieder erleben?
Da hörte ich, wie zu mir gesprochen wurde.
„Höre, mein Freund, mein Bruder, hör zu.“
Seine Stimme hatte einen anderen Klang, wie ich noch keinen gehört hatte.
„Mach deinem Leben kein Ende.
Das Leiden, das du erlebt hast, ist nicht zu vergleichen mit dem, was du dann empfangen wirst.“
„Wer bist du?“, fragte ich.
„Ich bin ein Geist des Lichts.“
„Warum kommst du nicht näher?“
„Das ist nicht möglich.
Nochmals, ich komme dich warnen.“
„Mich?“
„Dich.
Du wirst furchtbar zu leiden haben und einsam sein, also mache deinem Leben kein Ende.
Du kannst dein Leben nicht vernichten, denn der Geist lebt in der Ewigkeit weiter.“
„Weißt du etwas über eine Ewigkeit?“
„Ich lebe in der Ewigkeit, lieber Freund.“
„Das weiß ich bereits“, sagte ich, „deine Brüder haben es mir erzählt.“
„Sie sind (zwar) meine Brüder, aber Dämonen der Hölle, die dich vernichten werden.“
„Was sagst du, vernichten?“
Ich schaute zu dem Wesen und fragte: „Bist du gekommen, um mir meine letzten Stunden zu vergällen?“
„Nein, um dir zu helfen.
Zuvor schon sprach ich zu dir, doch du hast mich von dir weggestoßen.
Ich bin der Geist, der soeben zu dir sprach, und ich will dich daran hindern, dass du dich selbst tötest.“
„Du hast das getan?
Du gönnst mir nicht einmal meinen Tod?
Du möchtest mich noch länger quälen?“
„Still, Bruder“, ergriff er wieder das Wort, „sei kurz still, verhalte dich ruhig.“
Er sah mich an, ein mächtiger Strom brachte mich zur Ruhe.
„Was willst du?“, fragte ich.
„Bedenke, lieber Bruder, dass Gott dir das Leben gab.
Unser Vater, der im Himmel ist, dein und mein Vater, gab dir das Leben, und dieses Leben darfst du nicht vernichten.
Es ist Gottes Willen, dass man dies nicht tut.
Gott ist Liebe, mein Kind, vergiss das niemals.
Wenn du deine Strafe abgesessen hast, wirst du ein anderes Leben beginnen.“
Gott ist Liebe, dachte ich, Gott?
„Du sagst, dass Gott Liebe ist?“
Ich konnte mich nicht beherrschen und lachte auf.
Gott ist Liebe?
„Weißt du“, sagte ich, „wie ich gelitten und gefleht habe?
Weißt du, warum ich hier bin?
Weißt du, lieber Freund, wie man mich behandelt hat?
Weißt du, dass ich hier von Ungeziefer aufgefressen werde, dass es in mir nagt und dass diese Einsamkeit mich wahnsinnig macht?
Du sprichst von Einsamkeit, habe ich hier nicht lange genug allein gesessen?
Ich frage dich, neidest du mir meinen Tod, mein Glück?
Dort werde ich Glück besitzen, dort erwartet mich Essen und Trinken.
Dort erwarten mich Vergnügen und Freunde, Frauen und Männer.
Hier gehe ich zugrunde, körperlich und geistig.
Scher dich weg, leuchtender Geist.
Geh dahin, wo du hergekommen bist, ich will deine salbungsvolle Stimme nicht mehr hören.
Geh, sag ich dir, gehe schnell.
Lass mich in Ruhe, störe mich nicht bei meiner Arbeit, lass mich tun, was ich will, ich brauche deinen Rat nicht, jetzt nicht und niemals, geh, geh!“
Wie zornig machte mich dieser Mensch.
„Du bist des Teufels!
Ein Geistlicher von der Erde.
Kommst du etwa im Auftrag deines Meisters?“
Ich dachte, ich würde vor Lachen ersticken, als diese Gedanken in mich kamen.
Meine Freunde hatten mir davon erzählt und ich verstand.
Hier vor mir stand eines jener Wesen.
„Geh zurück“, sagte ich.
Er stand noch immer da und sah mich nach wie vor an.
„Wenn ich Werkzeuge hätte und Stein, würde ich dich modellieren“, sagte ich.
Trotzdem ging er nicht weg und ich fühlte eine unglaubliche Ruhe in mich kommen.
Er war merkwürdig.
„Willst du nicht gehen?“, fragte ich.
„Noch dies, mein Freund“, sprach er.
„Du bist jetzt nicht zu erreichen, aber einst wirst du Hilfe brauchen.
Wenn die Einsamkeit dich überfällt, die Stille dich traurig macht, vielleicht brauchst du dann Hilfe.
Wenn es mir möglich ist, zu dir zu kommen, werde ich dir helfen.
Rufe mich, mein Name ist Emschor.
Hörst du, Emschor.
Wir werden einander wiedersehen, einst, einst.
Du denkst, dass ich wirres Zeug rede, aber du wirst dies alles erleben.
Hunger und Durst werden dich quälen.
Du verfluchst Gott, doch du verfluchst dein eigenes Leben.
Du wirst immer weitergehen, denn es gibt kein Ende.
Du wirst in ein anderes Leben eintreten, und zwar in das Leben des Geistes, dort, wo ich lebe.
Ich werde wiederkommen, doch bevor ich gehe, lieber Freund, will ich das noch sagen: Ich bin gekommen, um dir zu helfen, doch du willst nicht, dass dir geholfen wird, du möchtest keine Hilfe.
Auch ich setzte einst, vor vielen Jahrhunderten, meinem irdischen Leben ein Ende.
Ich glaubte, ich würde mich vernichten, doch ich lebte weiter und musste dies auf der anderen Seite des Grabes büßen.
Deshalb sage ich dir, dieses Elend ist nicht mit dem zu vergleichen, was dich dort erwartet.
Wisse, dass ich dein Bruder bin und dass ich die Wahrheit spreche.
Leb wohl, mein Sohn, wisse, was du tust.
Gott sei mit dir.“
Der Geist verschwand vor meinen Augen.
Der Schleier, in dem er gekommen war, löste sich auf und ich war wieder allein.
Ein merkwürdiges Ereignis war das.
Ich hielt den Strohstock in meinen Händen und war sprachlos.
Wo war er?
Ich rief ihn bei seinem Namen, wartete lange, hörte jedoch nichts.
Nochmals rief ich, keine Antwort.
Wurde ich wahnsinnig?
War ich kurz davor, meinen Verstand zu verlieren?
„Wo bist du“, rief ich ganz laut, „wenn du mir helfen willst, dann komm zu mir, dann sag mir etwas.“
Nein, kein Ton kam zu mir, nichts, nichts.
Ich klopfte an die Tür, betastete mich von allen Seiten, schlug mit der Faust gegen die Wand, ging einige Male in meiner Zelle auf und ab, sprach zu mir selbst und kehrte an den Platz zurück, wo ich gesessen hatte.
Noch war ich normal, denn ich wusste und verstand, was ich tat.
Aber was dann?
Meine Augen?
Wurde ich blind?
Ich bildete mir nur etwas ein, denn warum sah ich ihn jetzt nicht?
Ich hielt mich nur auf.
Ich würde rasch Schluss machen, denn ich wurde blind, ich konnte nicht mehr gut sehen und es wurde also höchste Zeit.
Ich wollte nicht in die Einsamkeit zurück, ich wollte Menschen sehen und Leben um mich herum.
Hier wurde ich krank.
Noch besaß ich die Kraft dazu, nachher, wenn ich blind war, war es zu spät.
Ich sprang auf und hielt den Stock hoch.
Ja, nun klappte es.
Den Strick zog ich nach unten und machte eine Schlinge, durch die ich hindurch musste.
Ich schaute um mich, doch kein Wesen war in meiner Nähe.
Zunächst probierte ich, ob er stark genug war, um mich zu tragen.
Ja, er hielt zum Glück, aber bei jedem Handgriff zitterte ich.
Ich merkte nun, dass ich fiebrig wurde, das Herz schlug mir bis zum Hals und meine Knie gaben nach.
Was sollte ich nun wieder erleben?
Ich hatte das Gefühl, als flösse das Blut aus meinem Körper.
War es denn so schwer, zu sterben?
Jetzt nahm ich all meine Kraft zusammen, steckte meinen Kopf hindurch und ließ mich fallen.
Der Strick schnitt in mein Fleisch, ein Röcheln kam aus meiner Brust und ich fühlte, dass ich erstickte.
Mein Kopf zersprang vor Anspannung, meine Augen quollen aus den Höhlen und meine Brust schwoll an.
Plötzlich dachte ich an Marianne.
Dann zog blitzschnell mein irdisches Leben vor meinem Geist vorüber und ich fühlte ein grauenerregendes Geschehen.
Ich fühlte, dass ich auseinanderriss, als ob ich zerfetzt würde.
Danach zog mich etwas in die Höhe und ich hörte um mich herum ein satanisches Gelächter, das in meiner Seele vibrierte.
Falsch und gemein klang es.
Wo war ich?
Lebte ich?
Nun hörte ich , dass gesprochen wurde, aber weit, sehr weit von mir entfernt.
Trotzdem verstand ich jedes Wort.
Ich hörte: „Nun bist du hier, bei uns.
Du wirst Leben sehen, viel, sehr viel Leben.
Das tierhafte Leben wird an deiner Seele nagen.
Rache!
Endlich ist denn meine Zeit gekommen, Rache ist süß, Lantos Dumonché.
Rache ist süß, hörst du?
Unsere Wege trennen sich nun.
Wisse, dass du mich einst gequält hast, mich bestohlen und zugrunde gerichtet hast.
Dein Leben sei verflucht!
Verflucht, du und die Deinen.
Leb wohl, du hast deine Schuld bezahlt.
Rache!
Rache!
Hol dich der Teufel!“
Schrecklich, was für ein Monster!
„Die Würmer werden in deiner Seele eine Wohnung finden.
Mir wirst du nicht mehr begegnen.
Rache, Rache“, hörte ich in weiter Ferne, und Stille trat ein.
Doch ich lebte!
War ich bei den Toten?
Was beseelte jenes Wesen?
Es war die Stimme, die stets zu mir gesprochen hatte.
Hatte ich ihm etwas angetan?
War ich zusammengebrochen?
Lebte ich noch auf der Erde?
Wo lebte ich?
Ich konnte sehen und hören und doch war Finsternis um mich herum.
Wo sind nun all diese Wesen?
Was für ein Schock, wie scheußlich war das.
War ich gestorben?
Ich konnte fast nicht atmen.
Ein Band schnürte meine Kehle ein, mein Kopf stand unter Spannung.
Ich sah um mich, was war das?
Neben mir hing mein Stoffkörper und ich erkannte mich selbst.
Mein Stoffkörper hing dort am Gitter und ich hing daneben.
Ich versuchte, mich zu entfernen, doch etwas hielt mich fest und zog mich zum Stoffkleid zurück.
Trotzdem wollte ich weg von jener Leiche, doch eine Kraft war stärker als ich und mit einem Schlag wurde ich in meinen Stoffkörper zurückgeschleudert.
Abscheulich war das.
Ich lebte im Geist und konnte nicht gehen, wohin ich wollte.
Träumte ich oder war ich wahnsinnig?
Nun fühlte ich eine starke Kälte.
Aber wo waren sie?
Warum ließen sie mich jetzt alleine?
War ich in der Ewigkeit und hatte diese leuchtende Gestalt die Wahrheit gesagt?
Waren die anderen Dämonen?
Hatte ich noch nicht genug gelitten?
Ich war betrogen worden und brach in Tränen aus.
Das war meine erste Enttäuschung, allerdings eine schreckliche!
Sie hatten mich in ein neues Elend gestürzt.
Ein Elend, das ich kennenlernen musste und von dem ich fühlte, dass es noch schlimmer sein würde als das, was ich bereits erlebt hatte.
Hass, nichts als Hass erwartete mich auf dieser Seite.
„Rache“, rief das Wesen mir zu, „Rache ist süß“.
Hatte ich ihm etwas angetan?
Ich kannte ihn nicht einmal, wusste von nichts.
Hatte ich ihn vernichtet, betrogen und gequält?
Ich weinte lange, denn ich war erschüttert und zutiefst ergriffen.
Beängstigend war dies alles und ihr Hass ließ mich schaudern.
Nun wollte ich wissen, was mich festhielt, doch zunächst musste ich ruhig sein, ganz ruhig.
Ich sah, dass eine Schnur aus mir herauskam, die mich mit meinem Stoffkörper verband.
Diese Schnur funktionierte elastisch.
Sie lag um mein ganzes Stoffkleid herum und es war mir unmöglich, sie zu durchtrennen.
Mein Gott, rief ich verzweifelt aus, was habe ich nur getan?
Wie kannst Du dies gutheißen?
Hätte ich bloß auf diesen leuchtenden Geist gehört, der sprach die Wahrheit.
Ich fühlte mich noch elender als in meiner Zelle.
Wie falsch, wie gemein waren sie, dass sie mir dies gönnten.
War ich in der Hölle?
Feuer sah ich nicht, in dem Punkt hatten sie also die Wahrheit gesprochen.
Nochmals versuchte ich, mich loszureißen, doch meine Kräfte versagten und ich musste aufhören.
Es zog mir die Kehle zu, wenn ich mich gegen dieses Verhaftetsein wehrte.
Wenn ich ruhig blieb, das hatte ich bereits gefühlt, war es zu ertragen und ich konnte atmen.
Doch beim geringsten Widerstand kehrte alles in aller Heftigkeit zu mir zurück und ich litt ungeheuerlich.
Ruhte auf mir ein Fluch?
Ich verstand das nicht.
Eins aber wusste ich, dass es keinen Tod gab und dass ich nun in der Ewigkeit lebte.
Ich hielt mich jetzt so weit wie möglich ruhig, denn ich wollte nachdenken.
Endlich wusste ich, dass es keinen Tod gab, aber ich war allein, ganz allein.
Es war eine leere Welt, in der ich lebte.
Ich versuchte, meinen Zustand zu verstehen.
War dies das Jenseits?
Ich legte mich nieder, um zu schlafen, fühlte jedoch, dass auch das nicht möglich war.
In mir fühlte ich eine heftige Wirkung und diese Wirkung hielt mich wach.
Was habe ich getan, dachte ich, wie dumm bist du gewesen.
Ich fühlte, hörte und dachte wie auf der Erde, ich hatte mich in nichts verändert.
Ich fühlte mein Herz schlagen, ich hatte Hunger und Durst, aber ich besaß nichts, kein Essen, kein Trinken, und ich sehnte mich doch so danach.
Ich wollte (es) noch einmal probieren, mich von meinem Stoffkörper zu befreien.
Ich zwängte mich gänzlich in mein irdisches Kleid und wollte mich bewegen.
Nein, es ging nicht, ich ging hindurch.
Es war tot, da hing meine Leiche, in ihr hatte ich gelebt, jenes Kleid hatte mich getragen und mir bis zu dem Augenblick gedient, als ich Schluss machte.
Ich hier war Lantos Dumonché und das dort war lediglich ein nebensächliches Etwas, ein Kunstwerk der Schaffenskraft, doch in diesem Leben hatte es keinen Wert.
Bald würde man dieses Kleid begraben und ich lebte weiter, womöglich bis ins Unendliche.
Es war schon merkwürdig, wenn ich an andere Dinge dachte, fühlte ich mein Elend nicht so heftig.
Schnell begriff ich, dass das andere mich nicht so quälte, wenn ich gänzlich in diese Gedanken überging.
Gehörten diese Kräfte zu diesem Leben?
Ich würde gut auf alles achten und versuchen, mir dies anzueignen, vielleicht linderte es mein Leid und auch das, was ich noch würde erleben müssen.
Dieses Leben, das fühlte ich deutlich, war so ganz anders als das irdische Leben.
In diesem Leben dachte ich und sofort ging ich in diese Gedanken über.
Auf der Erde musste man erst denken und dann handeln.
Hier war es bereits geschehen, was mir deutlich aufgefallen war.
Ein abscheuliches Problem lernte ich nun kennen.
Ich kannte bereits den Tod und das ewige Leben, wenn ich auch noch wenig davon wusste.
Würde ich auch Gott kennenlernen?
Wie verlangte ich danach, und trotzdem bebte ich, wenn ich an Ihn dachte.
Aber ich würde abwarten, alles gut in mich aufnehmen und verarbeiten.
Ich hatte das Gefühl, als ob ich zwischen Himmel und Erde schwebte, denn, wie ich bereits sagte, diese Welt war leer, ich lebte in einem leeren Raum und spürte keinen Boden unter meinen Füßen.
Können Sie sich etwas Derartiges vorstellen?
Ich begann, noch mehr zu fühlen, und wusste nun, dass ich selbst mein irdisches Leben abgeschlossen hatte, es hatte vernichten wollen, was doch nicht möglich war.
Der Geist Emschor hatte die heilige Wahrheit gesagt und ich würde seinen Namen nicht vergessen, vielleicht würde ich ihn einmal brauchen.
Es hatte Licht um ihn herum gelegen und an jenem Licht erkannte ich die Wahrheit.
Wenn ich das erkannt hätte, wäre ich noch in meinem Stoffkörper gewesen.
Doch all das Leid und diese Probleme, all dieses Elend und das Einsam-Dasitzen hatten mich hierher gebracht.
Wie hatte ich mich vergessen.
Aber ich wusste es nicht besser.
Doch auch hier waren Einsamkeit, Kälte und tiefe Finsternis.
Beängstigend war die Stille, die ich hier fühlte.
Abermals folgte ich der Schnur, denn ich konnte es noch immer nicht akzeptieren.
Doch als ich meine Lage fühlte, kam ein tiefer Schmerz in mich, weil ich dieses Grauenhafte zu verstehen glaubte.
Nein, das war doch nicht möglich, das konnte ich nicht verarbeiten, denn es würde mich gänzlich vernichten.
Ich verstand nun, dass erst mein Stoffkörper verwest sein musste, bevor ich mich würde entfernen können.
Ich musste den Verwesungsprozess selbst durchmachen.
Meine Seele krampfte sich zusammen, als ich dies fühlte.
Nun verstand ich ihre Worte, dass die Würmer in meiner Seele eine Wohnung finden würden.
Ach, wie abscheulich war diese Wahrheit.
Dadurch fühlte ich diese Wirkung in mir, dieses ganze unbegreifliche Leben.
Hieran war nicht zu zweifeln, diese Wahrheit musste ich akzeptieren, denn ich sah und fühlte es in mir selbst.
Dies brachte mich gänzlich aus der Fassung, es war eine niederschmetternde Wahrheit.
Keine Folter, kein Elend auf der Erde, wie brutal auch immer, war mit diesem Grauen zu vergleichen.
Hätte mein Vater mich nur zu Tode geprügelt, wie gerne hätte ich mich ihm ergeben.
Ich ekelte mich vor dem, was ich fühlte und wahrnahm, denn der Prozess hatte bereits angefangen.
Wie lange würde dies dauern?
Etwas Unmenschliches begann, sich abzuspielen, und das musste ich erleben.
In mich kam eine abscheuliche Gestank, und auch das begriff ich.
Sogar meine Riechorgane hatte ich in diesem Leben behalten.
Meine irdischen Schmerzen und all der Kummer in meinem Kerker waren Kleinigkeiten gegenüber diesem neuen und geistigen Leid.
Wenn es dann doch einen Gott gibt, einen Vater der Liebe, wenn es Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gibt, wenn es Mitleid gibt, das Menschen und Tiere fühlen, wenn es einen Allmächtigen Vater im Himmel gibt, der über all Seine Kinder wacht, dann frage ich mich, wie kannst Du dies gutheißen?
Ich musste mich wohl in der Hölle befinden.
Feuer sah ich allerdings nicht, aber dies war noch schlimmer.
Ach, mein Gott, nach so viel Leid auch noch dieses.
Hiervon wusste man auf der Erde nichts.
Wie tief sind diese Probleme, wie schrecklich ist geistiges Leid.
Oh Mensch, setze deinem irdischen Leben kein Ende.
Nimm dir nicht das Licht des Tages, akzeptiere, akzeptiere alles, sonst stehst du auf dieser Seite vor deinem gescheiterten Leben.
Wie sehr würde ich das denen auf der Erde laut, ganz laut zurufen!
Was auch immer geschieht, was du auch erlebst, wie furchtbar dein Leid auf der Erde auch ist, tu das nicht, halte es aus, denn alles hat einmal ein Ende.
Du hast Licht, du siehst Menschen, du kannst gehen, wohin du willst, du hast deinen eigenen Willen, du hast alles.
Aber ich saß hier fest, musste erleben, dass mein Körper verweste, und fühlte es, denn in mir spielte sich dies alles ab.
Was ist eine zerbrochene Liebe, was ist der Verlust deines geliebten Menschen, deines Besitzes, von Geld oder Gütern und tausend anderen Dingen, wenn du weißt, dass es ein Weitergehen gibt?
Viele setzen aus Kummer oder wegen verschiedener anderer Dinge ihrem irdischen Leben ein Ende, aber dann werden sie dies erleben müssen, dieses Grauenhafte, den Verwesungsprozess ihres eigenen Kleides.
Hier kam ich zum Nachdenken, in der Stille meines eigenen Grabes lernte ich diese Probleme kennen.
Oh, wenn ich dies einmal der Menschheit erzählen dürfte, wenn dies einmal möglich wäre und mir gestattet würde!
Wenn es diese Gesetze und Kräfte gab, dann würde ich meine Seelenkräfte in sie hineinlegen und all mein Elend beschreiben, um die Menschen auf der Erde vor diesem abscheulichen Prozess zu bewahren.
Vielleicht wird das möglich sein.
Es gab so viele Gesetze und Probleme, die ich bereits kennengelernt hatte, vielleicht war auch dies möglich.
Ich fühlte, dass ich damit beginnen musste, mich auf Ruhe einzustellen, sonst wäre mein Leid nicht zu überblicken und nicht zu ertragen.
Ich merkte bereits, dass meine Kehle, wenn ich mich ruhig verhielt, nicht so sehr wehtat und ich atmen konnte.
Aber still dasitzen, das konnte ich trotzdem nicht.
Ich wollte mich immerfort bewegen, musste in Bewegung sein, denn dann spürte ich die Wirkung nicht, die mein Körper erlitt.
Ich durfte auch nicht rebellieren, musste ruhig sein und nachdenken, dann würde ich all diese Zustände kennenlernen.
Ich begann, das Leben, das in meinem Stoffkleid lebte, nun immer deutlicher zu fühlen.
Wenn ich versuchte, von hier wegzukommen, kehrte alles mit Heftigkeit in mich zurück, und doch versuchte ich es immer wieder, weil ich dachte, ich könnte es doch.
Aber es ging nicht, ich saß gnadenlos fest.
Ich erlebte das Gesetz von Ursache und Wirkung.
Kleine Ursachen haben große Wirkungen und ich dachte, dass dies die größte und letzte Wirkung sei.
Ich hätte mir kein größeres Elend bereiten können.
Ich fühlte, dass dies das tiefste Leid war.
Ein Gesetz hatte ich gebrochen, welches man nicht brechen kann.
Nun verstand ich, was der Geist des Lichts meinte.
Ich fühlte und sah dieses Gesetz, nein, ich erlebte dieses Gesetz mit Herz und Seele.
Wenn dies geschehen war, könnte ich dann gehen, wohin ich wollte, und würde mir wieder aufs Neue Leid und Schmerz begegnen?
Wie lange war ich bereits auf dieser Seite?
Nun glaubte ich, Bewegung zu fühlen.
Neben mir sah ich Schemen und diese Schemen waren wie jene, die mich hierher gelockt hatten.
Ich merkte, dass ich von diesem Ort weggetragen wurde, und auch das verstand ich.
Man ging, meine Leiche zu begraben.
Ich konnte die Menschen nicht sehen, nicht sprechen hören, und doch wusste ich, wohin ich ging, was mit mir geschah.
Ich strengte mich an, um zu horchen, aber nein, ich hörte nichts, kein Geräusch drang zu mir durch.
Für diese Welt war ich abgeschlossen und das hatte ich selbst getan.
Ich fühlte nun, dass ich hinabsank und kam zur Ruhe, aber den Sarg sah ich nicht, in dem ich doch hätte liegen müssen.
Was zum Stoff gehörte, war unsichtbar für mich.
Alles war unsichtbar, nur mein Körper nicht, denn in dem lebte ich, ihm war ich fest verhaftet.
Mein Körper und ich waren eins durch diese verfluchte Schnur.
Wenn es meine Zeit gewesen wäre, wäre diese Schnur dann gerissen?
Ich begann bereits, aufs Neue Fragen zu stellen.
Wenn der Mensch stirbt, würden sich diese Körper dann trennen, und kam der eine unter die Erde und würde der andere weiterleben?
Es musste wohl so sein, denn hier erlebte ich es.
Ich war Geist und der Geist lebte weiter bis ins Unendliche.
Der Geist des Lichts, der mich gewarnt hatte, sagte mir dies.
Was für einen langen Weg müsste ich dann zurücklegen.
Wo war Gott?
Hier?
Dies kann doch nicht Sein Himmel sein, denn dies war am allertraurigsten.
Die Schemen, die ich soeben wahrgenommen hatte, gingen fort.
Mein irdisches Kleid lag nun im Grab, aber ich selbst lebte daneben und musste dies alles erleben.
In dieser schaurigen Stille musste ich zu mir selbst kommen und so dachte ich an mein ganzes Leben auf der Erde.
Alles, was ich getan hatte, bis hin zu den kleinsten Kleinigkeiten, all meine Gedanken und Taten zogen wieder an mir vorbei.
Dann kam ich zu Roni, ihn hatte ich getötet.
Roni, mein Freund, wo bist du?
Lebst du in dieser Welt oder hast du eine andere als ich?
Bist du auch so bekümmert und hast du auch so viel Leid empfangen wie ich?
Ach, Roni, kannst du mir vergeben?
Ich dachte eine geraume Zeit an ihn und konnte mich von diesen Gedanken nicht lösen.
Ich dachte immer nur an meinen Mord und an ihn, meinen Freund, dessen Leben ich vernichtete.
Wie abscheulich ist ein Mord, einem Menschen sein Glück, sein Licht und alles, was es auch sein mag, zu nehmen.
Dazu besaß ich nicht das Recht.
Wie fluchte und verstieß meine Tat gegen alle Gesetze.
Wie verkehrt hatte ich damit gehandelt.
Oh, inständig flehte ich ihn um Vergebung an.
Jetzt, da ich dies alles selbst erlebte und das Verlangen nach dem Leben wieder in mich zurückkehrte, jetzt, da ich fühlte, wie herrlich es war, auf der Erde leben zu dürfen, etwas tun zu dürfen, in welcher Form auch immer, jetzt erkannte ich, was ich verbrochen hatte.
Roni, mein Freund, rief ich, ich werde dich um Vergebung anflehen.
Wo bist du?
Komm zu mir, ich bitte inständig darum, nimm dies von mir, vergib mir und ich werde wiedergutmachen, werde alles büßen.
Mein Leben will ich geben, wenn du mir vergeben willst.
Stunden, nein, wochenlang nach irdischer Zeit dachte ich an ihn.
Ich konnte mich einfach nicht freimachen, er allein beschäftigte mich.
Warum, fragte ich mich, warum muss ich so sehr an ihn denken?
Manchmal wurde mein Nachdenken schwächer, aber dann wieder drängte sich mir alles auf und ich verglich diese Probleme mit seinem Leben, das ich vernichtet hatte.
Nun meinte ich, mehr Licht zu sehen, oder bildete ich mir nur etwas ein?
In mir war es wieder ruhig, doch ich dachte weiterhin an meinen Freund, diese Gedanken und Gefühle blieben in mir.
Hörte ich richtig?
Ich lauschte andächtig, es war, als hörte ich gerade etwas.
Eine Stimme?
Ein leises Geräusch?
Ich lauschte erneut, und ja, ich hörte eine leise Stimme, ein Flüstern klang in meinen Ohren.
Wie von Ferne kam es zu mir und ich meinte, diese Stimme zu kennen.
Nun wurde sie deutlicher und ich hörte, wie in mir und um mich herum gesagt wurde: „Weckst du mich auf?“
„Ach, bist du es?“
Ich wagte es nicht, seinen Namen auszusprechen, doch es musste sein und ich fragte: „Bist du es, Roni?“
„Ja, ich bin es, du hast mich aufgeweckt.“
„Ich?“, fragte ich.
„Du, Lantos, du allein.
Doch es sind andere Kräfte, die dir die Kraft geben, mich aufzuwecken.
Oh, wie groß ist meine Müdigkeit, wie tief, wie tief bin ich eingeschlafen.“
„Wo bist du, Roni?“
„Ich weiß es nicht.“
„Kannst du mir vergeben, Roni?“
„Nein“, hörte ich ihn sagen.
„Nein?“, wiederholte ich.
„Wie kannst du so hart sein.
Ich bitte inständig darum, Roni, ich flehe dich an, vergib mir?
Ich habe so gelitten.“
„Ich auch, denn mein Leben wurde abgeschnitten und das hast du getan, Lantos.“
„Vergib mir, Roni, komm, vergib mir?“
„Ich würde es gern, Lantos, aber es ist nicht möglich.“
„Nicht möglich, sagst du?“
„Nicht möglich.
Die Tat, deine Tat bleibt.“
„Wie kommst du zu diesem Wissen?“
„Ich weiß das, denn in mir, hörst du, tief in mir, liegt es.
Es ist eine Kraft, die stärker ist als ich selbst.
Diese Kraft sagt es, sie drängt sich mir auf.
Ich muss auf sie hören, denn sie treibt mich in diesen Zustand.“
„Wie schrecklich, wie hart du bist.“
„Ich bin nicht hart, Lantos, ich will dir vergeben, doch es geht nicht.
Erst dann, wenn sich dies alles auflösen wird und diese Gesetze in Harmonie gekommen sind.
Wir störten diese Gesetze, du und ich.
Wir beide, Lantos, werden dies alles wiedergutmachen müssen, erst dann kann ich dir vergeben.
Aber warum hast du mich geweckt?“
„Ich?“
„Ja, du.“
„Ich bin mir dessen nicht bewusst.
Wie kommst du auf diese Weisheit, Roni?“
„Es liegt in mir, ich fühle es.
Es ist, als ob ich träume und aus meinem Traum zu dir spreche.
Wer gibt mir die Kraft, zu dir zu sprechen?
Weißt du das?
Kannst du mir antworten?
Komm, Lantos, gib mir eine Antwort!“
„Ich weiß es nicht, kann dir nicht antworten.
Zuerst muss sich alles auflösen, sagst du?“
„Ich fühle, dass es so sein wird.“
„Was machst du jetzt, Roni?“
„Ich muss schlafen, aber ich werde leben.“
„Weißt du etwas über Marianne?“
„Nein, aber ich werde sie sehen, werde ihr begegnen.“
„Du?“
„Ich, Lantos, ich, weil es so sein soll, denn ich fühle es.“
„Quälst du mich noch in diesem Leben?
Wagst du es, mich auch jetzt noch zu hassen, du Schuft?
Ein Schurke bist du!
Du mit Marianne und ich hier?
Wie kannst du es wagen, das noch zu sagen?
Wie grausam, wie teuflisch du bist, hörst du, teuflisch.
Dein Hass ist teuflisch.
Du ... “
Ich fühlte, dass ich versank; doch nach einem Augenblick kehrte ich in meinen vorigen Zustand zurück.
„Roni“, rief ich abermals zu ihm, „meinst du das ernst?“
Ich horchte, hörte aber nichts.
Dann, nach einem kurzen Augenblick, hörte ich ihn sagen: „Warum rufst du mich zurück?
Du raubst mir meine Ruhe, lass mich schlafen.“
„Sag mir, Roni, ob du dies alles ernst meinst.“
„Es liegt in mir, dass ich leben und Marianne wiedersehen werde.
Aber warum rufst du dies in mir wach?
Wer gibt dir das Recht dazu?“
„Ich rufe dich nicht zurück, Roni“, sagte ich und fragte: „Siehst du mich, Roni?“
„Nein“, hörte ich ihn sagen, „doch ich fühle dich, ich kann dich nur fühlen.
Du bist hier bei mir.“
„Das ist nicht wahr“, sagte ich, „ich bin hier.“
„Wie dem auch sei“, sagte er, „ich fühle dich und höre dich zu mir sprechen.“
„Auch ich höre und fühle dich“, sagte ich zu ihm.
„Ich bin eingeschlafen, aber wenn ich wach werde, fühle ich, dass ich leben werde.“
„Denkst du, Roni, dass es andere Kräfte sind, durch die wir dies erleben?“
„Es muss wohl so sein, denn ich hasse dich, hörst du, ich hasse dich.“
„Wie hart du bist.“
„Wer hat diese liebevollen Gedanken für dich in mich gelegt?
Nochmals, ich hasse dich, Lantos, ich hasse dich.“
Die Stimme kam von Ferne zu mir, ich fühlte, dass er, Roni, zu seiner Welt zurückkehrte.
Wo lebte er eigentlich?
Schon wieder ein neues Problem.
Er würde Marianne sehen und ich nicht?
Warum er?
Was bedeutete das nun wieder?
Ach, dieser Schurke!
Über das Grab hinaus hasste er mich.
Hatte ich ihn aufgeweckt?
Schlief er denn und musste er schlafen?
Das war wieder sehr merkwürdig.
Wer würde ihm und mir helfen?
Ich hatte etwas gefühlt, sah mehr Licht, aber nun herrschte wieder tiefe Finsternis.
Sollte es die leuchtende Gestalt gewesen sein?
Emschor?
War er es?
Es musste wohl so sein.
Man weckte Roni auf, wie in einem Traum sprach er mit mir, und ich fühlte, dass da etwas war, das dies zustande brachte.
Ich fand Roni hart, weil er mich noch hasste.
Aber ich hatte ihn um Vergebung gebeten und ich fühlte mich nun erleichtert.
Nun musste er eben selbst wissen, was er tat.
Ich bereute es, dass ich mich wieder aufgeregt hatte, doch er war wie ein Teufel gewesen und hatte sich noch überhaupt nicht verändert.
Alle Sünden wollte ich wiedergutmachen, aber er nicht, er wollte leben, er hasste und hasste weiter.
Er wollte erneut leben?
Oder musste es sein?
War dies ein Gesetz?
Er und Marianne?
Ich aber fühlte Marianne nicht.
Warum er wohl und ich nicht?
Hatte er ein Recht auf sie?
Durch was?
Oh, dieser Teufel, er reizte mich, er hatte vor, mich auch hier noch zu quälen.
Doch ich zwang mich wieder zu anderen Gedanken und versuchte, zu mir selbst zu kommen.
Von all dem Denken wurde ich müde und ich wollte versuchen, ob ich schlafen konnte.
Doch dies musste ich aufgeben, der Verwesungsprozess hielt mich wach.
Ein Zeitgefühl hatte ich nicht mehr, denn in meiner Zelle hatte ich die Tage nicht mehr aufgezeichnet, und hier würde ich es nicht können.
Nach meinem Gefühl waren Monate vergangen, es konnten aber auch schon Jahre sein.
Ich dachte und dachte weiterhin und immer wieder versuchte ich, mich zu befreien.
Doch konnte ich mich bereits etwas weiter von meinem Stoffkleid entfernen, wodurch ich verstand, dass einst das Ende kommen würde, obwohl es noch lange dauern konnte.
In mir selbst fühlte ich viele andere Gefühle, die direkt von meinem Stoffkörper zu mir kamen.
Ich konnte diese Schmerzen und das Gefühl nicht verhindern, das Leben ging weiter, musste weitergehen, sonst würde ich ewig hier sitzen bleiben.
Je schneller sich dieser Prozess vollzog, desto lieber war es mir.
Wie ich bereits sagte, brachte mir mein Nachdenken eine gewisse Erleichterung, weil ich dann im Gefühl in das überging, woran ich dachte.
Ich verstand hierdurch, dass ich, wenn ich mich auf andere Dinge einstellen konnte, meine Schmerzen und alle Qualen, die ich nun erfuhr, nicht so intensiv spürte.
Alles ist hier eine Frage der Konzentration und ich lernte, mir all diese Gefühlsabstimmungen zu eigen zu machen.
Plötzlich spürte ich, wie ein heftiger Ruck durch mich hindurchging.
Ich fragte mich, was dies zu bedeuten hätte.
Es kam von meinem Stoffkleid.
Ich konzentrierte mich und verstand dann die Bedeutung dieses Geschehens, ich fühlte und sah es deutlich.
Mein irdisches Kleid war in das zweite Stadium der Zersetzung eingetreten, einen solchen Ruck hatte ich schon früher verspürt.
Indem ich dies fühlte und wahrnahm, verstand ich dieses große und mächtige Problem, wie entsetzlich es auch war.
Immer inniger würde ich dieses Elend erleben, bis mein Stoffkleid zerfallen war.
Hier musste ich durch, musste alles bis ins Letzte verarbeiten.
Es war ein schrecklicher Vorgang.
Unmenschlich!
Aber wenn ich einmal frei wäre, könnte ich gehen, wohin ich wollte, und bekäm gut zu essen und zu trinken und könnte mich amüsieren.
Oder war auch das Lug und Trug?
Der Verwesungsprozess störte immer wieder mein Denken, und das Stadium, in dem sich mein Körper befand, erinnerte mich daran, dass ich noch immer nicht weiterkonnte.
Dies brachte mich auf andere Gedanken.
Hierdurch lernte ich mich selbst kennen.
Ich verstand dadurch, dass ich selbst in meinem irdischen Leben in allem die Führung gehabt hatte, dass „ich“ meinen Körper leitete und hatte handeln lassen.
Wenn ich es nicht selbst gewollt hätte, hätte meine Hand das Stück Marmor nicht ergriffen, wäre Roni noch am Leben und wäre mir all dieses Elend und das, was ich bereits erlebt hatte, erspart geblieben.
Ich war Lantos Dumonché, der Künstler, mein Kleid war mein Mittler, aber auch der Geist war der fühlende Körper, der nach dem Tode weiterlebte.
Ich selbst war das unnatürliche und unbegreifliche Wesen, ich hatte mich selbst auf der Erde nicht verstanden.
Wie unergründlich war ich.
Aber was war das Ende von mir, von diesem Körper?
Würde das, was ich jetzt war, immer weitergehen?
Immer nur weiter zu noch unbegreiflicheren Zuständen und sonderbareren Gegenden?
Sollte ich nie mehr zur Erde zurückkehren?
Was war die Absicht des Schöpfers, denn ich verstand und wollte gerne akzeptieren, dass da jemand gewesen sein muss, der dies erschaffen hatte und der im Voraus wusste, was der Anfang und das Ende sein würden.
Sonst taugte nichts von dieser ganzen Schöpfung etwas und wenn ich weiter hier leben müsste, wäre es ein armseliger Zustand.
Dann wäre es kein Schöpfer, sondern ein Vernichter.
Wie es auch wäre, ich verstand sehr gut, dass alles anders gewesen wäre, wenn ich mich auf der Erde beherrscht hätte.
Wie vollkommen passten diese Körper ineinander, wie natürlich wirkten sie im Stoffleben, wie einfach waren beide Körper, aber wie zutiefst geheimnisvoll für den Menschen auf der Erde, der es nicht durchschauen konnte.
Wenn ihm dies möglich wäre, dann stünde der Mensch auf der Erde vor unbegrenzten Möglichkeiten.
Dann wäre sein Können grenzenlos, wüssten die Geistlichen der Erde, dass niemand verdammt würde, wodurch sie den Menschen die Ängste nehmen könnten.
Dann setzte kein Mensch seinem irdischen Leben mehr ein Ende, weil er wüsste, dass es gar nicht möglich war und ihm sonst neues Elend bevorstand, noch tierhafter und unmenschlicher.
Es freute mich, dass ich dies alles verstand, und es linderte mein Leiden.
Wieder versuchte ich, mich zu entfernen, und ich merkte, dass ich nun einige Meter weiter gehen konnte.
Auch meinte ich, etwas Neues wahrzunehmen.
Es war sehr eigenartig, wenn ich zu meinem Stoffkörper sah, blickte ich in die Finsternis, aber über mir war es etwas heller.
War dort oben der Raum?
Auf Händen und Füßen kroch ich umher, fühlte aber nichts.
Ich sah lediglich diese Finsternis und jenes Licht, etwas zu betasten war nicht möglich.
Doch ich wollte es wissen und dachte darüber nach.
Plötzlich fühlte ich, was das bedeutete.
Auf einmal kam dieser Gedanke in mich.
Diese Finsternis dort, wo meine Leiche lag, das war die Erde, und hier über mir war der Raum.
Wenn ich also richtig fühlte, befand ich mich am Rand meines eigenen Grabes.
Die Schnur dehnte sich dadurch, dass mein Körper verging.
Die Stoffwelt befand sich in der Finsternis und das Universum schied sich ab, was ich deutlich sehen konnte.
Trotzdem war es so ätherhaft, dass ich noch immer durch den Stoff hindurchging.
Würde er sich einst verdichten, sodass ich mich wie auf der Erde fortbewegen konnte?
Wie langsam vollzog sich dieser Prozess, aber dennoch würde das Ende kommen „müssen“.
In stiller Gelassenheit wartete ich ab, und wenn ich mich nicht mehr beherrschen konnte, fing ich wieder an, nachzudenken.
Immer musste ich etwas anderes ausprobieren, sonst könnte ich es nicht aushalten.
Ich fühlte und sah abermals mein Leben auf der Erde an mir vorüberziehen.
Ich hatte bereits einige Male alles nachvollzogen, aber dann begann ich wieder von vorne, zu denken.
Keinen Gedanken wollte ich vergessen.
Ich vollzog meine Fehler und jede Tat immer wieder aufs Neue nach, wie nichtig und klein sie auch waren, ich wusste mich an alles zu erinnern.
Aus meiner Jugend verstand ich nur dieses nicht, es war eine Kraft in mir, die mich von zu Hause fortgetrieben hatte, mich angespornt hatte, mit meinen Eltern zu brechen.
War ich auch darin ich selbst gewesen oder waren es andere, mir unbekannte Kräfte, die auf mich eingewirkt hatten?
Waren sie es, die mich in diese Welt gelockt hatten?
Derjenige, der mich erwartete und den ich vernichtet haben sollte?
Sehen Sie, das verstand ich nicht, und dennoch fühlte ich, dass auch dies eine Bedeutung hatte.
Dann gab es noch etwas, was ich nicht verstand, was aber ein und dieselbe Kraft sein musste.
Ich wollte mich nämlich von Roni lösen, doch wie sehr ich auch wollte, es war mir nicht möglich.
An ihn war ich geschmiedet und ich wurde gezwungen, von meinen Eltern fortzugehen.
Wer trieb mich von zu Hause weg?
Warum konnte ich mich von Roni nicht lösen?
Waren das Gesetze, Naturkräfte?
Auf der Erde schon fragte ich mich das und war noch immer nicht dahinter gekommen.
Aber nun gab ich es auf, denn mir wurde schwindlig davon.
Plötzlich verspürte ich wieder einen heftigen Ruck und ich verstand, dass dies mit meinem Körper zu tun hatte.
Noch war mein armes Kleid nicht vergangen.
Ach, wenn ich es gut gepflegt hätte, wie lange hätte es dann gedauert?
Nun fühlte ich mich glücklich, dass dies nicht der Fall gewesen war.
Die Müdigkeit, die ich verspürt hatte, war nun verschwunden und ich stieg in die Finsternis hinab, um zu sehen, ob das Ende dieses Prozesses bald kommen mochte.
Zu Beginn war es ein dichter Schleier, der um mein ganzes Stoffkleid gehüllt lag und der mich wie eine Schnur mit meinem Körper verband, doch jetzt war er durchscheinend.
Ich freute mich sehr darüber, denn dies bedeutete, dass ich bald meine Freiheit bekommen würde.
Ich lernte wieder andere Gesetze und Kräfte kennen.
Wenn ich nach oben wollte, aus meinem Grab weg, musste ich es wollen und erst dann könnte ich mich bewegen.
Alles ist hier, so dachte ich, was du selbst willst, sonst geschieht nichts und du bleibst, wo du bist.
Dadurch lernte ich, mich einzustellen, und dieses Einstellen bedeutete, in etwas anderes überzugehen.
Wieder konnte ich weiterkommen und das machte mich glücklich.
Ungefähr ein Dutzend Meter konnte ich mich bereits entfernen.
Nun fühlte ich, wie dieser Schlaf wieder zurückkehrte, aber ich kannte seine Bedeutung noch nicht.
Wie sehr ich auch suchte und dies zu fühlen versuchte, ich kam nicht dahinter, doch die Stille wurde inniger und mein Schlaf spürbarer.
Diese Phänomene fühlte ich erst nach dieser letzten Erschütterung.
Ich hatte mich nun etwas an diese Stille gewöhnt, und begann, an tausend andere Dinge zu denken, die ich bald tun würde.
Wenn ich erst einmal frei wäre, dann würde ich schon weitersehen, dann wäre mein Leid vorbei und ich könnte gehen, wohin ich wollte.
Jetzt durfte ich den Mut nicht verlieren, musste stark und tapfer sein und alles ertragen.
Ich fühlte, dass das Ende nahte, weil der Schlaf tiefer wurde und diese Stille in mich drang.
Diese beiden Gefühle quälten mich weiter, doch weil das Ende bald kommen würde, beherrschte ich mich.
Fast hatte die Natur ihre Arbeit getan und mein Stoffkleid wäre zerfallen und ich befreit.
Wie pflegte man dieses Kleid auf der Erde, wie lieb hatte man dieses Kleid.
Doch nun verstand ich, wie wenig jenes Kleid in diesem Leben bedeutete.
Hier hatte allein der Geisteskörper Bedeutung.
Hier war das Geistige das Wesentliche, das lebt und leben soll.
An das Kleid dachte man so wenig, und doch war dies das Schönste und Großartigste, was der Mensch als fühlendes, denkendes und funktionierendes Leben war.
Auf der Erde hatte mein Stoffkörper Wert und Bedeutung, hier wurde er zu nichts reduziert.
Das Stoffkleid wurde auf der Erde in Samt und Seide gehüllt, aber darunter lebte tiefe Traurigkeit, denn der Geisteskörper ging in Lumpen gehüllt.
Der Mensch war arm, denn er kannte sich selbst nicht.
Wie anders fühlte und sah ich das irdische Leben jetzt.
Wenn ich noch einmal auf der Erde leben dürfte, würde ich gläubig werden, denn nun wusste ich mehr.
Ich erlebte abscheuliche Dinge, doch ich lernte und eignete mir eine Weisheit an, die man auf der Erde nicht kannte und niemals kennenlernen oder erleben würde, da diese Weisheit zum geistigen Leben gehörte.
Diese ganze Weisheit gab mir den Mut und die Kraft, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern alles zu verarbeiten, wie traurig es auch war.
Wieder kehrte ich zu meinem Stoffkleid zurück und wollte wissen, wie weit es schon war.
Mir wurde schlecht von dem entsetzlichen Gestank, aber der Schleier war für mich nicht mehr sichtbar.
Doch ich sah noch mein Kleid, aber in einem anderen Stadium, die Gebeine wurden sichtbar.
Es freute mich, als ich fühlte, dass die Schnur an Kraft verlor und ich mich immer weiter entfernen konnte.
Aber gleichzeitig fühlte ich, dass die Stille und der Schlaf immer massiver in mich kamen.
Ich stolperte vorwärts, immer weiter entfernte ich mich von meinem Stoffkörper, doch der Schlaf zwang mich, zu ruhen.
Nun fühlte ich, wie ich versank, tiefer und tiefer; und (ich) fiel nieder, um zu schlafen.
Noch war ich im Gefühl bei meinem irdischen Kleid, doch der Schlaf und die Stille dominierten und ich wusste gar nichts mehr.