In Kontakt mit Jener Seite

Kreuz und Brett nannte man die Gegenstände, durch die wir den Kontakt mit Jener Seite unterhielten.
Das Kreuz war ein Reif, in dessen Mitte sich an zwei gekreuzten Latten ein nach unten gerichtetes Stöckchen befand.
Die Sitzungsteilnehmer nahmen das Kreuz lose auf die Hände, und wenn nun eine Intelligenz das Wort an uns richten wollte, setzte sie das Kreuz durch ihre Kraft in Bewegung und tippte mit dem Stöckchen die Buchstaben an, die in alphabetischer Reihenfolge auf dem Brett standen.
So bildeten sich Worte, aus denen ganze Botschaften entstanden.
Wir bereiteten uns jedes Mal ernsthaft auf den Séanceabend vor.
Niemals begannen wir, ohne vorher zu beten; auch las mein Vater oft ein Stück aus der Bibel vor.
So unternahmen wir alles, um die Séance in einer harmonischen Atmosphäre verlaufen zu lassen.
Trotzdem dürfen Sie nicht glauben, dass die Botschaften, die „Jene Seite“ uns durchgab, immer gleich hochstehend und geistig waren.
Nur allzu oft erschraken wir über die derbe, ja manchmal liederliche Sprache, mit der die Geister zu uns sprachen und durch die wir uns im Amsterdamer Amüsierviertel wähnten.
Wir waren dann fast soweit, Kreuz und Brett in die Ecke zu werfen.
Schließlich hatten wir uns doch nicht aus Sensationslust an den Tisch gesetzt, nicht um schmutzige Sprache zu hören oder um Lug und Betrug aufgetischt zu bekommen.
Die weisen, erhabenen Belehrungen jedoch, die uns bei den Malen erreichten, wenn sich uns ein Meister offenbarte, hielten uns davon ab, die Séancen aufzugeben.
Vater stellte meistens die Fragen.
Eines Abends, als unter uns eine feierliche und hingebungsvolle Stimmung herrschte, offenbarte sich ein Meister.
Kraftvoll und deutlich kamen seine Worte und Sätze durch.
„Dürfen wir erfahren, wer Ihr seid?“, fragte Vater.
Die Antwort kam sofort.
„Was sagt schon ein Name, Freund der Erde.
Was haben Sie davon, wenn ich Ihnen meinen Namen durchgebe, Sie kennen mich ja dann trotzdem noch nicht?
Aber wenn Sie dennoch einen Namen wollen, so nennen Sie mich Johannes.“
„Johannes!“, sagte Vater überrascht.
„Aber – seid Ihr dann mein verstorbener Bruder?“
„Nein, mein Freund, das hätte ich Ihnen schon gesagt.
Dachten Sie, dass ich das für mich hätte behalten können?
Dass ich mich beherrschen könnte, wenn ich Ihr verstorbener Bruder wäre und wieder Kontakt zu Ihnen bekäme?
Seien Sie gewiss, dass wir unsere Verwandten und Freunde weiterhin lieben, auch wenn wir unser irdisches Leben abgelegt haben.
Der Tod verändert nichts, meine Freunde, all unsere Gefühle behalten wir auch nach diesem Leben.“
„Wir sind Euch sehr dankbar, guter Geist“, sprach Vater und fuhr fort: „Dürfen wir Euch Fragen stellen?“
„Nur zu, ich warte schon darauf.“
Vater fragte: „Denkt Ihr, dass es Krieg geben wird?“
(Fußnote in der ersten Auflage: Diese Séancen fanden vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 - 1918 statt.)
„Ja, er kommt, aber Ihr Land wird nicht in den Krieg verwickelt.“
Groß war unsere Überraschung, dies so nachdrücklich erklärt zu hören.
Gleichzeitig drang die schauderhafte Prophezeiung zu uns durch.
Die Welt stand also abermals vor einem neuen Krieg, was für Millionen Angst und Schrecken bedeuten würde.
„Warum muss es doch immer wieder neue Kriege geben?“, fragte Vater betrübt.
„Die Bedeutung eines Krieges für die Erde kann nachzuvollzogen werden, aber nur von uns, die wir im auf jener Seite des Grabes leben.
Wenn Sie wüssten, wozu all diese Kriege dienen, würden Sie auch den Zweck des menschlichen Wesens auf der Erde kennen.
Die Erklärung dieses kolossalen Problems könnte ein Buch füllen, aber das ist nicht die Absicht.“
„Könntet Ihr es nicht doch versuchen?“
„Nein, denn damit würde ich nichts erreichen.“
„Warum nicht, wenn ich Euch fragen darf?“
„Weil wir sowieso immer wieder gestört würden.“
„Aber könnt Ihr denn nicht dafür sorgen, dass keine Störungen mehr kommen?
Sagt uns, was wir dagegen tun sollen, wir würden alles dafür geben.“
„Es wäre noch nicht genug, um uns vor Störungen während der Sitzungen zu schützen.“
Und die anschließend buchstabierten Worte bewiesen bereits, dass der gute Geist recht hatte.
Denn plötzlich tippte das Kreuz an: „Ihre Mutter ist hier“, und gleichzeitig bewegte sich das Kreuz zu meinem Vater.
Erstaunt antwortete dieser:
„Irrt Ihr Euch nicht?
Meine Mutter lebt noch!“
Es kam keine Antwort, aber das Kreuz drehte sich heftig weiter.
Allmählich wurde es jedoch ruhiger.
Dann buchstabierte es:
„Sind Sie bereit, denn auch wir sind soweit.“
„Habt Ihr soeben gesagt, dass meine Mutter hier sei?“, lautete Vaters erste Frage.
„Ich nicht, Freunde.
Dies war eine Störung.“
„Können die denn gar nicht verhindert werden?“
„Wir hier tun unser Bestes.
Aber das ist eine komplexe Sache.
Haben Sie noch Fragen?“
„Würdet Ihr uns etwas über Euer Leben erzählen, guter Freund?
Ist Euer Leben wie unseres; ich meine, könnt Ihr denken und fühlen wie auf der Erde?“
„Nein“, kam sofort, „unser Leben ist vollkommen anders als eures.
Wir haben den Stoff abgelegt, unser Leben ist astral, ist geistig.
Nichts ist noch in uns, das unser Leben mit Ihrer Welt verbindet.
Dennoch können wir in Ihrer Welt wahrnehmen, dort alles erleben, wenn wir es wollen, auch denkt man bei Ihnen auf der Erde, dass wir tot und daher für Sie aufgelöst sind.
Nehmen Sie an, dass es keinen Tod gibt und dass das Leben ewig ist.
Und dass Gott, der Schöpfer allen Lebens, Liebe ist und keinen Hass kennt.
Nehmen Sie von mir an, dass ER nicht verdammt und dass nicht Er es ist, der Kriege zustande bringt.
Die Beweise Seiner Liebe sind sichtbar für alle, die sehen wollen.
Niemand in den Sphären des Lichts wird anderes bezeugen als ich, denn wir alle hier leben in und durch Seine Liebe.
Seine Liebe gilt allen Seinen Geschöpfen und einst werden alle, niemand ausgenommen, in Seine Herrlichkeit aufgenommen werden.“
„Wir danken Euch für Eure Worte.
Ihr macht uns sehr glücklich.“
„Was ich Ihnen erzähle, ist die heilige Wahrheit.
Ich versuche, auf der Erde die Menschen vom ewigen Leben zu überzeugen.
Erreiche ich das und verändern sie ihre Auffassungen, fangen sie an, nachzudenken und beginnen sie ein höheres Leben, dann verändert sich dadurch auch meine Welt.
Denn dann diene ich, dann arbeite ich an einer geistigen Aufgabe, und das bringt mir mehr Licht und einen höheren Himmel.
Ich rate Ihnen, arbeiten auch Sie an sich selbst, arbeiten Sie an anderen, dienen Sie ihnen, erzählen Sie ihnen, was Sie hier von mir hörten, und auch Sie werden an Licht gewinnen.
Und Gottes Segen wird Sie überstrahlen.“
„Wir sind Euch so dankbar, Meister Johannes.
Dürfen wir neue Fragen stellen?“
„Nein, Freund, für heute Abend ist es genug.
Ich komme jedoch zu Ihnen zurück.
Ich grüße Sie alle, doch beten Sie nun erst und lassen Sie dann los.“
Vater betete vor und wir anderen beteten ernst, dankbar und andächtig mit.
Herrlich verlief dieser Abend, auf diese Weise konnten wir viel lernen.
Könnte es doch bei jeder Sitzung so sein!
Gespannter und sehnsüchtiger denn je saßen wir das nächste Mal wieder um den Tisch.
Sofort kam Meister Johannes an das Kreuz.
Er buchstabierte:
„Ich grüße Sie, meine Freunde.
Das Leben auf unserer Seite ist erhaben, tief und wahrhaftig.
Wenn Licht in Ihnen ist und Sie lernen wollen, können Sie sich viel zu eigen machen; einst werden sich dann auch unsere Welten für Sie öffnen.
Dort können Sie hingehen, wo Sie wollen.
Unseren Körper haben wir abgelegt.
Wir schweben durch den Raum, der uns gehört.
Alles, was sich in unseren und den darunter liegenden Sphären befindet, gehört uns, ist unser Besitz.
Und das ist gewiss nicht wenig.
Je weiter wir im Geist sind, desto größer wird unsere Kenntnis von Gottes mächtigen Gesetzen, desto reiner wird unser Leben und unsere Umgebung.
Warum ich Ihnen dies sage und immer wieder sagen werde?
Um Sie aufzuwecken, an sich selbst zu arbeiten, damit Sie demnächst in die Herrlichkeit eingehen können.
Denn seien Sie gewiss: irdische Sinnenfreuden, irdisches Leben, das alles ist nur zeitlich, unser Glück, unser Leben hingegen ist ewig!
Verzagen Sie daher nicht, sondern arbeiten Sie unaufhörlich daran, Ihre Liebe gegenüber Gottes Leben zu vergrößern.“
„Könnt Ihr uns vom Leben in Eurem Himmel erzählen?“
„Gewiss, mein Freund.
Aber um Ihnen davon zu erzählen, müsste ich zehn Abende ohne Störungen haben.
Erst dann könnte ich Ihnen ein Bild von der Heiligkeit auf unserer Seite geben.“
„Das ist doch möglich, Meister Johannes?“
„Das denken Sie, aber so einfach ist das nicht.
Das werden Sie erleben, denn Störungen werden nicht ausbleiben.
Glauben Sie jedoch auch weiterhin an mich, auch wenn ich vom Kreuz verdrängt werde und meine Kräfte nicht ausreichen sollten, die Störungen zu beherrschen.“
„Nein, Meister, wir werden immer an Euch glauben!“
Tief überzeugt sprach Vater diese Worte in unser aller Namen.
„Niemand auf der Erde kennt sich selbst, mein Freund“, kam dann zu unserer Überraschung auf dem Brett.
„Was meint Ihr jetzt, Meister?“
„Damit meine ich, dass Sie doch irgendwann den Mut verlieren werden, die Séancen fortzusetzen.
Und das ist möglicherweise auch das Beste, für Sie zumindest.
Warum ich dann trotzdem hier bin und mich dafür einsetze, Ihnen meine Lektionen durchzugeben?
Damit Sie diese niemals vergessen und später dafür dankbar sein werden.“
Rätselhaft klangen diese Worte.
Vater wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
Kurz war es still und dann – wie um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben – stellte Vater die Frage, die uns schon länger beschäftigte und die wir oft gemeinsam besprochen hatten:
„Habt Ihr Christus schon gesehen?“
„Ich durfte zwar einen Blick auf Sein Heiliges Leben werfen, aber Ihn zu sehen bedeutet wiederum etwas ganz anderes.“
„Aber uns wird doch auf den Erde beigebracht, dass wir nach diesem Leben bei Christus sein werden, wenn wir ein gutes Leben geführt haben?“
„Diejenigen, die Ihnen solches beibringen, kennen das Ewige Leben nicht.
Und dennoch können wir Gottes Heiliges Kind bewundern, Sie und ich, und wenn wir es wollen.
Dies klingt seltsam, nicht wahr?
Wenn ich Christus sehen will, meine Freunde, stelle ich mich auf Sein heiliges Leben ein, ich sehe dann Sein Gehen auf Erden, ich sehe Ihn sprechen und meditieren, ich sehe Ihn am Kreuz auf Golgota und tief beuge ich dann mein Haupt.
Sie können das auch, Sein Leben auf Erden ist Ihnen bekannt.
Aber Christus so „sehen“’, wie Er nun ist, bei Gottes Sohn sein, nein, das ist Ihnen und mir nicht möglich.
Schon allein der Gedanke bedeutet Spotten mit Seiner Heiligkeit.
Und zu glauben, dass wir, Sie und ich, in unserem Zustand den Körper und das Blut Christi empfangen können, wie man es Ihnen auf der Erde beibringt, ist ein schreckliches Sakrileg.
Wer von uns ist dessen denn würdig?
Nein, sehen Sie Christus in Seinem Leben auf Erden, überdenken Sie dessen Heiligkeit und beugen Sie davor tief Ihr Haupt.
Und dann wird Er mit Ihnen sein, weil Sie Ihm in Seinem Heiligen Leben folgen wollen.“
Das Kreuz schwebte kurz über dem Brett, als wolle es jedem die Gelegenheit geben, die Worte zu sich durchdringen zu lassen.
Dann fuhr Meister Johannes fort:
„Gehe zu Golgota, Mensch der Erde, besteige den Kalvarienberg und bitte um Kraft, um zum Kind Gottes, hängend am Kreuz, aufsehen zu können.
Versuche zu verstehen, welch eine Liebe Ihn veranlasst haben muss, Sich ans Kreuz nageln zu lassen.
Auf Golgota werden Sie nicht aufgefordert, Sein Heiliges Blut zu trinken, wohl aber, die Lektionen zu lernen, die Er, aus dem höchsten Himmel zur Erde hinabsteigend, der Menschheit geben wollte.
Sie und wir, auf unserer Seite, bekommen dann durch Christus Verbindung mit Gott und Seinen Gesetzen.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, sagt der Christus.
„Niemand gelangt zum Vater denn durch Mich.“
Indem wir Ihm folgen, werden wir, Sie und ich und alle Menschen, eins mit Ihm sein.
Aber dann werden wir, wie Er, uns selbst eingesetzt haben müssen, werden wir gänzlich wie Er sein müssen!
Werden wir Seine Göttliche Liebe, Seine Göttliche Weisheit und Seine Göttliche Kraft besitzen müssen!“
Tief beeindruckt entsprachen wir nach diesen erhabenen Worten der Aufforderung des Meisters Johannes, zu beten.
Lange Zeit saßen wir still zusammen und dachten über seine Botschaft nach.
Erfüllt von Dankbarkeit dankten wir Gott, dass es uns gegeben war, solch einen Kontakt mit hinübergegangenen Seelen zu unterhalten, Menschen wie wir, die dachten und arbeiteten und in all ihrem Glück nicht die Seelen vergaßen, die sich noch in der Sphäre der Erde abmühten, um sich ein höheres Leben zu eigen zu machen.
Bei der nächsten Séance war die erste Frage, die Vater stellte:
„Gibt es ein Fegefeuer und eine Hölle, Meister Johannes?“
„Eine Hölle und ein Fegefeuer“, kam die Antwort des Meisters sofort und deutlich, „wie man es Sie gelehrt hat, nein, die kennen wir hier nicht.
Es gibt hier Höllen und es gibt ein Fegefeuer, aber anders, ganz anders, als es Ihnen erzählt wurde.
Glauben Sie wirklich, dass ein Gott der Liebe es gutheißen kann, dass Sein Leben ewig in einer Hölle schmort?
Niemals ist das möglich!“
„Eine ewige Verdammnis existiert also nicht?“
„Nein.“
„Aber die Kirche sagt es doch und Millionen von Menschen akzeptieren dies aufgrund ihrer Autorität, wie schrecklich und widersprüchlich sie die Existenz dieser Hölle auch finden.“
„Einst wird jeder wissen, dass es keine ewige Hölle gibt, dass Gott Sein eigenes Leben nicht verdammt, nicht verdammen kann.“
„Könnt Ihr uns mehr darüber erzählen?“
„Wie gerne, Freunde der Erde, würde ich Ihnen alles erzählen, was ich über Gottes Gesetze weiß.
Aber Sie würden mich doch nicht verstehen.
Vielleicht später, warten Sie ruhig ab.
Halten Sie nun alles fest, was ich Ihnen an diesen Abenden erzähle.
Denken Sie darüber nach, dienen Sie und tun Sie das Gute.“
„Es ist oft schwierig, Meister Johannes, zu wissen, was gut und was schlecht ist.“
„Sie müssen lernen, es selbst zu erfühlen.
Prüfen Sie alles, was Sie tun, an der Liebe.
Prüfen Sie alles an der reinen Liebe Gottes und Sie sind nicht mehr imstande, etwas Falsches zu tun.
Sie lernen dann, zu erfühlen, was gut und was falsch ist.
Ich bin bei Ihnen, werde Ihnen folgen und Ihnen helfen.
Wer das Licht sucht, erhält Hilfe von denen, die das Licht bereits besitzen und eine Bake sein wollen.
Dies sind Gesetze und Kräfte, die für jeden wirken, der ernsthaft ein höheres geistiges Leben beginnen will.“
„Es ist herrlich, was Ihr uns schenkt.
Und wie gut es doch auf diesen letzten Sitzungen geht, ganz ohne Störungen.
Wie kommt das so plötzlich?“, wollte Vater wissen.
„Jubeln Sie nicht zu früh, Freund.
Schon allein dadurch, dass Sie so reden, können Sie die Ursache von Störungen sein.“
„Das verstehe ich nicht, Meister.“
„Die Art und Weise, Fragen zu stellen, ist für den Verlauf der Sitzungen sehr wichtig.
Aber nun kann ich darauf nicht näher eingehen.
Haben Sie noch Fragen?“
„Ja, eine Frage, die uns schon mehr als ein Mal beschäftigt hat und auf die uns niemand Antwort gegeben hat.
Ihr sagtet uns, dass wieder ein Krieg ausbrechen würde.
Kann Gott diesen Krieg denn nicht verhindern?“
„Nein, das ist Ihm nicht möglich!“, kam die Antwort von Meister Johannes schnell und entschieden.
„Aber Ihr selbst nanntet Gott mehrmals einen Vater der Liebe.“
„Ganz richtig, guter Freund, aber Gott hat nichts, hören Sie, nichts mit Ihren Kriegen zu schaffen.
Wir Menschen, und wir allein, haben Schuld am bevorstehenden Krieg, merken Sie sich das.
Wir haben diesen Krieg gewollt, alle, die auf der Erde und hier auf Jener Seite leben (Siehe das Buch: Die Völker der Erde aus dem Jenseits betrachtet).
Können Sie das annehmen?“
„Nein“, sagte Vater zögernd, und eine tiefe Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet.
„Nein, das verstehen wir nicht.“
„Ich spreche die heilige Wahrheit.
Trotzdem hat der Krieg auch eine gute Seite.
Durch alles Elend lernen wir, dass wir mit Hass und Gewalt nicht weiterkommen und dass uns nur die Liebe zueinander Glück und Ruhe bringen kann.“
„Und dafür sind all diese Schrecken nötig?“
„Schrecken, mein Freund, die wir uns selbst aufgehalst haben!
Die Menschheit, und nur die Menschheit, ist die Ursache des Elends auf der Welt, denn wer nach den Gesetzen Gottes lebt, erschafft kein Elend und braucht daher auch kein Elend zu fürchten!
Dennoch gewinnt Gott, denn gerade durch die Schrecken lernt die Masse, lernt der Einzelne, wie ich schon sagte, das Böse abzulegen und das Gute zu suchen.“
„Aber Meister – wie –“
„Halt deinen Mund, Dussel!“
Wir erschraken uns sehr.
Wir mussten hinnehmen, dass ein Spottgeist Meister Johannes verdrängt hatte vom Kreuz.
Mit Bedauern kamen wir zu der Erkenntnis, dass Störungen nicht auszuschließen waren.
Selbst ein Geist des Lichts, ein Meister, konnte sie nicht verhindern!
Zögernd fragte Vater: „Seid Ihr noch da, Meister Johannes?“
„Ja!“, lautete die Antwort, die buchstabiert wurde.
„Aber – warum dann so verändert?“
In Vaters Stimme klang deutlich sein Misstrauen.
„Ich bin nicht verändert, Idiot.“
Langsam, zögernd tippte das Kreuz die Buchstaben an.
Auch daran war zu erkennen, dass ein anderer Einfluss das Kreuz steuerte.
Nicht richtig wissend, was zu tun war, folgten wir den unschlüssigen, schwingenden Bewegungen des Kreuzes.
Plötzlich wandte es sich wieder zum Brett und schrieb nun kräftig und ohne zu stocken:
„Hören Sie nun auf und beten Sie.
Gehen Sie mit Ihrer Frau tanzen – gönnen Sie ihr das.“
Wie nun?
Waren die letzten Worte wieder von Meister Johannes?
Oder war es noch der Spottgeist, der sie buchstabierte?
Aber wie konnte es dann sein, dass sie so deutlich und ohne Fehler oder Zögern durchkamen, und ohne Scheltwort, wie die vorherigen Sätze des Eindringlings?
Das Abhalten von Séancen war recht schwierig, fanden alle.
Mit gemischten Gefühlen trennten wir uns.
Besonders meinem Vater, den der niedergeschriebene Rat schließlich betraf, fiel es schwer, sich dem merkwürdigen Ereignis gegenüber klar einzustellen.
Er warf sich vor, keine guten Fragen gestellt zu haben, sodass er dadurch zum Verursacher der Störung wurde.
„Alles ging so wunderbar“, klagte er auf dem Weg nach Haus, „und dann auf einmal dieser Spottgeist!
Lässt sich dagegen denn gar nichts unternehmen?
Und was soll ich von dem Letzten halten, Theo, war das doch Meister Johannes, der zum Kreuz kam?
Wenn es so ist, und es kann doch sein, habe ich mich Mutter gegenüber dann falsch verhalten?
Hätte ich mit ihr mitgehen sollen?
War es denn nicht falsch, was sie tat?
War es ein Fehler von mir, der Scheidung zuzustimmen?
Hätte ich sie gerade nicht bei mir behalten und Himmel und Erde bewegen sollen, um ihr bessere Gedanken zu geben?
Ist es nicht eigentlich feige von mir gewesen, mich damit abzufinden, dass sie aus unserem Leben ging?“
Ich tat mein Bestes, ihn aus seinen dunklen Gedanken gerauszuholenen, aber es gelang mir nicht.
Das Ereignis auf der Séance ließ ihm keine Ruhe, ja, allen Ernstes sagte er mir einige Tage später, dass er daran dachte, zu Mutter zurückzukehren.
Die Worte der Intelligenz hatten ihm deutlich gemacht, dass er noch für Mutter verantwortlich war.
So fühlte er es zumindest.
„Aber wenn es nun nicht Meister Johannes gewesen ist, der die Worte aussprach, und wir es mit einem gemeinen Streich des Spottgeistes zu tun hatten?“, fragte ich ihn.
Mutlos zuckte er da mit den Achseln; wenn das Letztgesagte wahr war, was von den Séancen konnte man dann doch glauben?
Wenn nun selbst ein Meister nicht in der Lage war, solch eine gemeine Störung zu verhindern ...
Ein Engel hatte doch sicherlich Macht über einen Teufel?!
War das nicht alles Betrug und hatten folglich die Gegner des Spiritismus nicht recht, wenn sie dieses ganze Getue als Werk des Teufels verschrien, von dem anständige Menschen sich fern halten sollten?
Ja, soweit war Vater bereits gekommen ...
Ich sah nur ein einziges Hilfsmittel und schlug ihm vor, einmal zusammen eine Séance zu halten, möglicherweise würde dabei Klarheit kommen und all seine düsteren Gedanken würden sich dadurch auflösen.
Er ging sofort auf meinen Vorschlag ein und bald hatten wir Kontakt.
„Warum lassen Sie sich so aus dem Gleichgewicht bringen, Freund?“, schrieb das Kreuz.
„Können Sie denn die Wahrheit nicht vom Betrug, das Gute nicht vom Bösen unterscheiden?
Habe ich Sie denn nicht vorher schon gewarnt, dass es Störungen geben würde?
Sie sagten mir damals, Sie würden immer an mich glauben.
Wie können Sie auf Wesen hören, welche die Lüge und den Betrug darstellen?
Es spricht nicht für Ihre Persönlichkeit, dass ein paar armselige Worte Sie derart Ihrer Sicherheit berauben können.
Ihre Frau hat ihren eigenen Weg gewählt.
Sie wollte sich nicht von Ihnen verändern lassen.
Sie haben getan, was Sie konnten.
Nun wird sie selbst lernen müssen, dass sie das Falsche sucht.
Allein das Leben kann sie das noch lehren, nicht Sie.
Sie haben also keine Schuld, mein Freund, nehmen Sie dies von mir an.
Greifen Sie nicht mehr in ihr Leben ein und schenken Sie nicht sofort dem Unsinn glauben, den Spottgeister Ihnen vorgaukeln wollen.“
Beschämt und in sanftem Ton antwortete mein Vater: „Ich danke Euch, Meister Johannes, könnt Ihr es mir verzeihen?“
„Lassen Sie es sich eine Lehre sein.“
„Aber darf ich Euch noch Folgendes fragen: Könnt Ihr mir sagen, wo die Spottgeister so plötzlich herkamen, wie sie uns so plötzlich überfallen konnten?“
„Sie selbst sind es, die sie anzog.
In Ihnen lebt noch immer der Verdruss über Ihre Ehe, auch wenn Sie während der Séance nicht daran dachten.“
„Aber wie konnten die Geister es dann gerade in dem Moment wissen?“
„Das ist ganz einfach, sie lesen es in Ihrer Aura“, antwortete Meister Johannes kurz und kräftig.
„Bin ich denn so schlecht?“
„Das hat nichts mit Schlechtsein zu tun, mein Freund.
In dem Moment, in dem Sie um den Tisch sitzen, sind Sie für Jene Seite ganz und gar offen.“
„Auch für die schlechten Wesen?“
„Leider ja, auch für die Finsternis.“
„Lässt sich dagegen denn nichts unternehmen?“
Entmutigt stellte Vater diese Frage.
„Nein, vorläufig nicht.“
„Und auch Ihr könnt nicht verhindern, dass die Dämonen unsere Abende stören, Meister Johannes?“
„Nein.
Übrigens sind es keine Dämonen, ein Dämon sucht (es) nicht bei Ihnen, mein Bester.
Ein finsterer Geist ist noch kein Dämon.
Unglückliche sind es, wenn Sie es wissen wollen.“
„Und die sollten dann in unseren Auren lesen können, Meister?
Das ist schwer zu akzeptieren.“
„Dennoch ist es so.“
Ruhig, aber kräftig tippte das Kreuz, gelenkt vom Geist des Lichts, die Buchstaben an.
Es war ein Genuss, zu sehen, wie sich die Sätze zusammensetzten.
„In dem Moment, in dem Sie um den Tisch sitzen, liegt Ihr innerliches Leben völlig offen.
Sie leben noch auf der Erde, inmitten der Finsternis also.
Aber Sie besitzen Licht.
Ist es nun so unbegreiflich, dass die Unglücklichen auf unserer Seite, die Abstimmung auf Finsternis und Kälte haben, hierher kommen, um sich bei Ihnen und den anderen ein wenig zu wärmen?
Hat einer von Ihnen mit auch nur einem einzigen Gedanken Abstimmung auf sie, kommt bereits eine Verbindung zustande und daher kommt es, dass sich das höhere Wesen auflöst.
Dann erleben Sie, dass Unsinn buchstabiert wird.
Mehr Elend können Sie nicht verursachen, diese Wesen, die keine Dämonen sind.
Letztere haben tierhaftes Gift in sich; mit ihnen Verbindung zu bekommen, kann für Sie Geisteskrankheit bedeuten.“
„Es bleibt also immer schwierig, gute Séancen zu bekommen, Meister?
Ist diese Umgebung nicht richtig, um Sitzungen zu halten?“
„Hier leben tatsächlich verschiedene finstere Einflüsse, aber es ist überall gleich.
Natürlich hat jeder Raum, jedes Haus eine eigene Abstimmung, die durch diejenigen geschaffen wird, die darin leben.
Aber bedenken Sie, dass Sie die Séance im Raum halten, dass Ihr Zimmer daher für jeden Geist offen steht, ob er sich nun im Licht oder in der Dunkelheit befindet.
Ich rate Ihnen nun Folgendes: Versuchen Sie, sich während der Séancen leer zu machen; ganz wird es Ihnen nie gelingen, dies ist nämlich eine zu hohe Kunst, aber versuchen Sie es zumindest nach bestem Vermögen.
Ich muss – um es den Störenfrieden zumindest zu erschweren, zu Ihnen durchzudringen – Ihr Denken und Fühlen und das der übrigen Teilnehmer ausschalten.
Denn je leerer Sie sind, desto weniger können die niedrigen Wesen in Ihrem Inneren lesen und desto einfacher fällt es mir, Sie zu beherrschen und in mein Leben hochzuziehen.
Es wird dem Durchgeben dessen, was ich Ihnen zu sage haben, zugute kommen.“
„Wir werden versuchen, zu tun, was Ihr sagt.
Darf ich nun noch eine Frage stellen?
Vielleicht stelle ich sie ungeschickt, aber ...
Kennen diese Geister meine Frau auch?“
„Natürlich kennen sie sie, schließlich können sie ihr folgen.
Verstehen Sie es denn noch immer nicht ganz?
In ihrer Aura lesen die astralen Wesen die Sehnsüchte, die in ihr hausen, ab.
Der Mensch selbst ist es, der die Türen seiner Seelenwohnung weit öffnet und die niedrigen Wesen einlässt.
Und immer wieder kehren sie zurück, die Finsteren, denn sie wollen auf der Erde (Dinge) erleben.“
„Wie schrecklich, Meister.
Sie leben sich also durch sie aus?“
„So ist es, mein Freund.
Erst wenn sie das Falsche ihrer Taten einsieht und sich mit aller Kraft gegen ihre niedrigen Sehnsüchte zu widersetzen beginnt und diese endlich besiegt, erst dann wird sie von diesen Wesen, die sie nun ja selbst anzieht, befreit werden, sie werden sich von ihr abwenden, weil es dann für die Wesen durch sie nichts mehr zu erleben gibt.“
Die Worte, die das Kreuz nun antippte, ließen mich und auch Vater überrascht aufsehen.
Meister Johannes schrieb:
„Ihr Sohn sollte einmal versuchen, zu schreiben.
Ich werde dann versuchen, durch ihn aufzuzeichnen, was ich Ihnen zu sagen habe.
Auf diese Weise geht es schneller.“
Das Kreuz kam zur Ruhe.
Ich holte Papier und Bleistift und setzte mich hin, voll Spannung wartend auf die Dinge, die kommen würden.
Lange brauchten wir nicht zu warten, bald setzte sich meine Hand ohne mein Zutun in Bewegung und schrieb Buchstaben, Wörter und Sätze.
„Ich will versuchen, mein Kind, durch dich zu schreiben.
Mach dich leer, hab den Wunsch, dich ganz zu geben und es wir mir gelingen, dir geistige Nahrung zu geben.
Denke nicht selbst, ich werde es sein, der ...“
Groß wurde unsere Enttäuschung jedoch, denn plötzlich verdrängte ein Spottgeist Meister Johannes, e

r bemächtigte sich meiner Hand und schrieb:
„So, Rotznase, musst du nun auch noch anfangen?
Müssen sie dich auch noch spuken lassen?
Geh lieber zu Schule, Affe, oder halte die Nase in den Wind.
Was tust du hier eigentlich?
Lass dir von deiner Mutter den Brei bereiten und geh dann ins Bett.“
Ich warf den Bleistift weg, aber auf Drängen meines Vaters, der nun argumentierte, dass wir jetzt durchhalten müssten, nahm ich ihn doch wieder auf.
Wir warteten ab.
Dann schrieb meine Hand:
„Sie müssen Geduld haben, Freunde, denn es gibt Störungen.
Hier kann ich nichts dagegen tun, Sie müssen da durch, wenn Sie gute Sitzungen empfangen wollen.
Dafür braucht es Geduld.
Es ist nicht einfach, ein gutes Medium zu werden, dafür musst du alles einsetzen.
Dir und keinem Menschen im Raum wird etwas umsonst geschenkt.
Dies ist die schreibende Mediumschaft, jedoch durch die Inspiration.
Folgendes geschieht: Ich verbinde mich von Gefühl zu Gefühl mit dir.
Du darfst nicht denken, das habe ich dir schon gesagt, denn dann störst du mich.
Du musst dich also von deinen irdischen Sorgen lösen.
Meine Gedanken schicke ich durch dich hindurch, du weißt also zuvor, was deine Hand niederschreiben wird.“
„Es ist wunderbar, Meister Johannes“, sagte mein Vater, als er sah, dass meine Hand innehielt und er gelesen hatte, was niedergeschrieben war.
„Darf ich Euch eine Frage stellen?“
„Nein“, schrieb meine Hand, und merkwürdig war, dass ich tatsächlich schon wusste, was kommen würde, „für heute Abend ist es genug; Ihr Sohn würde zu müde werden und das darf nicht sein.
Ich will ihn nicht erschöpfen.
Nun wünsche ich Ihnen einen guten Abend, ich gehe fort, werde aber zurückkehren.“
Meine Hand blieb still liegen, nun, da sich die Kräfte, die sie gelenkt hatten, auflösten.
Ich besaß also die schreibende Mediumschaft, die Geister konnten mich erreichen und über mich ihre Botschaften durchgeben.
Vaters Gesicht strahlte, so froh war er über die Möglichkeiten, die diese Art der Kommunikation bot, andere Seelen vom ewigen Leben zu überzeugen.
Seltsam jedoch, ich selbst konnte nicht froh sein.
Es war mir unmöglich, das Gefühl, das ich hatte, gut in Worte zu fassen, aber – ich wollte nicht gerne schreiben ...
Um Vaters Begeisterung nicht zu dämpfen, schwieg ich jedoch.
Er fing stets wieder aufs Neue davon an.
„Wie herrlich ist es, Theo, dass du schreiben darfst.
Wie viele Menschen können und dürfen das?
Wir werden sie wachrütteln können, sie weiser machen, sie davon überzeugen, dass es keinen Tod gibt, sondern nur Leben.
Meister Johannes wird uns helfen.
Er wird uns geistige Nahrung für all die Menschen geben, die sich danach sehnen, wissen zu dürfen.
Wir müssen unser Bestes tun, Junge, vielleicht bekommen wir schöne Sitzungen.
Lass uns also genau tun, was Meister Johannes gesagt hat, uns leer machen, nicht denken und uns auf das Höhere einstellen.“
Bei der nächsten Sitzung saßen wir wieder mit den anderen am Tisch.
Das Kreuz lag mit der Spitze nach oben auf dem Brett, lose hatten wir die Hände darauf gelegt.
Plötzlich kam Bewegung hinein, es ging hoch und kehrte um.
Während jedoch die ersten Buchstaben angetippt wurden, überfiel mich ein Gefühl des Schlafs, das schnell wieder wegzog.
Dann ergriff meine Hand den bereitliegenden Bleistift und begann zu schreiben.
„Wenn Licht in Ihnen ist, warum verzweifeln Sie dann noch?
Warum denken Sie stets an den drohhenden Krieg?
Sie sollten sich doch auf das höhere Leben einstellen?“
Überrascht las Vater, was da niedergeschrieben wurde.
„So deutlich könnt Ihr unsere Gedanken also verfolgen, Meister?“, fragte er.
„Das habe ich Ihnen früher schon gesagt.
Aber schaffen Sie Ihre schlechten Gedanken aus dem Kopf.
Sie ziehen sonst, Sie wissen das, falsche Einflüsse zu sich.
Stellen Sie sich auf uns ein und verbannen Sie den irdischen Kummer aus Ihrem Denken.
Folgen Sie nur dem, was Ihnen Freude und Ruhe gibt.
Und nun – stellen Sie Ihre Fragen, falls Sie welche haben.“
„Seid Ihr schon lange hinübergegangen, Meister?“, fragte Vater daraufhin, der schon früher uns gegenüber bemerkt hatte, dass er gerne etwas mehr über Meister Johannes, seine Person und sein Leben wissen wolle.
„Was ist lange, was ist Zeit, mein Freund, wenn das Leben ewig ist?
Hier in den Sphären kennen wir keine Zeit, hier ist das Leben unendlich, auch wenn sich die Sphären einst auflösen werden.“
„Aber – das heißt also, dass es doch ein Ende gibt?“
„Ja und nein.
In dem Sinn, wie Sie es meinen ja, aber nach dem, was wir wissen, nein.
Die Sphären, den Himmel, in dem wir leben, haben wir verdient, er ist unser Besitz.
Wir bleiben jedoch nicht stehen, stets kräftiger arbeiten wir an uns selbst, stets inniger wird unsere Liebe zum Leben Gottes, stets größer, bewusster unser WIssen über Seine Gesetze, und so gehen wir höher und höher, immer tiefer dringen wir in Gottes Welt ein, so lange, bis wir das All, die Göttliche Sphäre, erreicht haben.
Dann lösen sich die darunterliegenden Sphären auf, aber verschwinden tun sie trotzdem nicht, und zwar, weil sie unser Besitz sind und wir sie einfach, indem wir uns auf sie abstimmen, wieder für uns aufbauen können, um vollständig mit ihnen eins zu sein.
Können Sie dies fühlen?“
„Nicht ganz, Meister, aber wir werden darüber nachdenken.“
„Seien Sie bestrebt, sich die Liebe zu Eigen zu machen, und Sie bauen sich eine Sphäre des Lichts.
Groß wird das Glück sein, das Sie dort erwartet.
So groß, dass es nicht zu beschreiben ist.
Viel würde ich Ihnen gern über unsere Welt erzählen, die Welt, die auf Sie wartet.
Aber fragen Sie mich.“
Nach kurzem Zögern fragte Vater: „Seid Ihr Mann oder Frau, Meister?“
„Habe ich es mir nicht gedacht, dass Sie mir diese Frage früher oder später stellen würden?
Aber Freund, was macht es aus, dies zu wissen?
In den Sphären fühlen wir uns weder (als) Mann noch (als) Frau.
Wir fühlen uns als beides.
Erstaunt Sie das?“
„Ja, sogar sehr, denn davon haben wir ja noch nie gehört.
In den Büchern habe ich darüber auch noch nichts gelesen.“
„Ich bin Ihnen beim Lesen gefolgt.
Es war durchaus in den Büchern.
Sie haben diese Tiefe jedoch nicht gefühlt.“
„Könnt Ihr uns hierüber mehr erzählen, Meister?“
Aber an diesem Abend sollten wir nichts mehr empfangen.
Ich bekam das Gefühl, als ob Störungen drohten, denn plötzlich schrieb meine Hand: „Vielleicht auf der nächsten Sitzung, nun müssen Sie aufhören.
Ich grüße Sie und gehen Sie nach dem Gebet fort.“
Vater und ich setzten uns am nächsten Abend an den Tisch, wir brauchten nicht lange zu warten, schnell begann meine Hand, zu schreiben.
„Hier bin ich wieder in Ihrer Mitte, Freunde der Erde, Kinder der Ewigkeit, um Ihnen geistige Nahrung zu bringen.
Ich grüße Sie.
Sie stehen mit dem ewigen Leben in Verbindung.
Auf dem Weg hierher kamen mir Ihre Liebe und Ihre Sehnsucht nach geistiger Hilfe bereits entgegen.
Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Gefühle.“
„Wollt Ihr uns nun mehr erzählen, Meister, über das „Mann und Frau“-Sein in den Sphären?“
Sofort nach dieser Frage begann meine Hand, zu schreiben:
„Um Sie alles richtig verstehen zu lassen, müsste ich Ihnen ein kosmisches Bild geben; dann können Sie mir jedoch nicht folgen.
Ich werde mein Bestes tun, alles so einfach wie möglich zu sagen, damit es Ihnen zumindest einigermaßen deutlich wird.
Natürlich sind wir in den Sphären nicht geschlechtslos, sind wir durchaus entweder Mann oder Frau.
Aber zwischen Ihrem Zustand und dem unsrigen gibt es einen Unterschied, und zwar Folgenden: Der irdische Mensch, der noch stofflich und nicht geistig abgestimmt ist, fühlt sich entweder (als) Mann oder (als) Frau, er kennt nur die Gefühle, die zu seinem Geschlecht gehören.
Wir allerdings, die das Stoffkleid abgelegt haben, fühlen uns räumlich, unser innerliches Leben ist auf den Raum abgestimmt.
Wir fühlen uns (als) Mann únd Frau, fühlen uns (als) Vater únd Mutter.
Wir haben uns die Gefühle beider Geschlechter zu Eigen gemacht, was erst nach viel Gefecht möglich wurde.
Wir fingen an, universell zu fühlen, und lieben universell!
Wir fühlen uns daher weder (als) Mann noch (als) Frau, da wir uns (als) beides fühlen.
Und nehmen Sie auch dies von mir an: Auch Gott, der Schöpfer allen Lebens ist Vater und Mutter.“
Tief beeindruckt von dem, was Meister Johannes niederschrieb, ließ Vater die Worte zu sich durchdringen.
Bevor er jedoch eine nächste Frage stellen konnte, unterbrach eine schreckliche Störung die Heiligkeit des Augenblicks.
Während wir über die Worte des Meisters nachdachten, lag meine Hand ruhig wie in Erwartung einer neuen Frage auf dem Papier.
Dann fühlte ich plötzlich einen starken Krampf in meine Hand kommen.
Der Meinung, dass Meister Johannes wieder schreiben wolle, ließ ich sie gewähren.
Der Schreck fuhr uns jedoch in die Knochen, als wir lasen:
„Was können Menschen doch suchen, oder?
Pfui, was seid ihr doch für arme Schlucker.“
„Seid Ihr ein Spottgeist?“, rutschte es Vater heraus.
„Spottgeist, Spottgeist?“, wurde geschrieben und wir fühlten den Sarkasmus darin.
Die Hand fuhr fort: „Was sucht ihr bloß in unserer Welt?
Gibt es nicht genug zu erleben, dort, wo ihr seid?
Sucht es doch in eurer eigenen Welt, dort gibt’s eine Menge zu kaufen.
Leckeren Schnaps, Frauen.
Zum Küssen.
Lebendig tot seid ihr, ihr lebt nicht.“
Ich warf den Bleistift weg.
Aber Vater überredete mich, ihn wieder aufzunehmen.
„Vielleicht ist es ein Unglücklicher, dem wir helfen können.
Wir können Gutes tun“, so bekundete er.
Ich nahm den Bleistift wieder auf und sofort bildeten sich Sätze.
„Ich kann euch eine Menge erzählen.
Da ist zum Beispiel die Mutter, der eine sucht es bei der Mutter, aber er ist Vater.
Wenn man von beiden nichts hat, fühlt man sich übers Ohr gehauen.
Dann ist man sozusagen geschlechtslos.
Dämlich seid ihr ja, wirklich.
Verdammt dämlich.“
Ich sah Vater an.
„Sollen wir damit weitermachen?“, fragte ich ihn.
Er nickte.
Widerwillig gab ich meine Hand frei.
„Ich sag’s mal so, entweder man mag einen Schnaps oder nicht.“
„Wer seid Ihr“, fragte Vater.
„Piet Hein, aber ich vermisse meine Silberflotte und das ist wirklich schade.“
Vater und ich mussten kurz lachen.
„Ihr seid also doch ein Spottgeist“, sagte Vater.
Ich wollte aufhören, den Bleistift weglegen, aber meine Hand hielt ihn krampfhaft fest.
Man wollte also weiterschreiben.
„Nein, nicht aufhören.
Du musst mich aussprechen lassen.“
„Sagt mir dann, wer Ihr seid“, begann Vater wieder.
„Ich werde es Ihnen sagen, aber glauben Sie mir dann und lachen Sie nicht.
Ich bin Napoleon, jenes kleine, aber bärenstarke Kerlchen, der kleine Korse, ihr wisst schon.
Es ist herrlich, mit euch zu sprechen.“
„Ihr wollt doch nicht behaupten, dass Ihr Napoleon seid, oder?
„Nein, ich quatsche nur so daher.“
„Ihr seid unglücklich.
Ihr müsst ein anderes, ein besseres Leben anfangen.
Dieses so ist nichts, es ist kalt und leer.“
„Glaubst du das, armer Schlucker“, kam sofort.
„Denkst du, dass du Bescheid weißt, Eisenkönig?
Dass du mir helfen könntest?
Das werde ich schon selbst in Ordnung bringen, dafür brauche ich euch nicht.
Ihr helft mir doch nur vom Regen in die Traufe.
Und eure Gesichter gefallen mir nicht.
Du hättest deine Frau besser im Griff haben sollen.
Dann wäre sie nicht davongelaufen.“
Vater erschrak.
„Wie kommt Ihr darauf?“
„Sie sehen, dass ich es weiß!“
„Auf diesen Unsinn antworte ich nicht“, sagte Vater und fuhr fort: „Ich frage Euch, können wir Euch helfen?“
„Ja, aber nicht mit einer Partie Beten.
Unten in deiner Eisenwarenhandlung liegen Dinge, vor denen es mir graut.
Die ziehen mich an und ich muss sie immer anschauen.
Bring sie fort, machst du das?“
„Was stört dich daran?“
„Die Beile.
Würdest du mich kennen, nähmst du die Beine wohl in die Hand.“
„Bist du denn so gefährlich?“
„Ich bin nur gefährlich, wenn ich Beile sehe.
Ansonsten fresse ich dir aus der Hand.“
Wir mussten lächeln.
Doch sofort schieb meine Hand: „Müsst ihr darüber lachen?
Es ist traurig genug.
Ich kann Beile nicht ausstehen.
Man kann damit Menschen ermorden.
Und jeder Schlag sitzt auch noch.“
Vater zuckte mit den Achseln.
„Du tätest besser daran –“
Bevor Vater aussprechen konnte, schrieb meine Hand: „Hör doch auf mit deinem Gemecker.
Tu lieber, was ich verlange.
Und geht jetzt lieber schlafen, versteht ihr mich, meine Herren?
Schlafen – und ich lege mich in Ihrer Mitte nieder – die Ruhe, die mich da überkommt ...
Ewig werde ich schlafen, und – vergessen.
Manchmal würde ich gern dichten.
Woher das kommt?
Ich weiß nichts darüber.
Höre: Deine Haushälterin taugt nichts.
Du hättest eine andere nehmen sollen.
Dann hätte ich etwas Wärme fühlen können.
Wie damals.
Diese ist kühl, viel zu kühl.
Sie will nichts.
Ich bin hier nun mal zu Haus und ich brauche auch etwas.
Deine eigene Frau war ein Schatz.
Die liebte es, von ihr hatte ich was.
Tust du es, nimmst du eine andere?
Es ist langweilig hier, verstehst du.
Ich lebe hier schon so lange.
Ich muss hier leben, auch wenn ich weg wollte.
Es ist mein heiliger Ernst.“
„Bist du ein Selbstmörder?“, fragte Vater gespannt.
„So etwas bin ich.
Ich tötete und man darf nicht töten.
Kümmere dich gleich um die Beile.
Die machen mich noch verrückt.
Ich muss hier leben.
Aber wenn du verd...“
Ich warf den Bleistift weg und ging meine Hände waschen.
Mein Widerwillen vor dem Schreiben war zu Ekel angewachsen.
Ich stellte mich nicht mehr für diesen Unsinn zur Verfügung, beschloss ich.
Auch Vater sah nicht mehr viel Sinn darin.
Es war schade um die prächtigen Séancen mit Meister Johannes, aber letztendlich war man nie sicher, dass er und nur er das Wort an uns richtete.
In unserem Haus lebte ein Selbstmörder.
Es musste gefährlich sein, hier Séancen zu halten.
Wir entschlossen, damit ganz aufzuhören.
Vater wollte fort aus dem Haus.
Hier, dachte er, würde er sich niemals von dem Kummer loskommen, den er all die Jahre hatte erleiden müssen.
Wir zogen nach Rotterdam, wo Vater ein Geschäft kaufte.
Ich betrieb das Geschäft größtenteils, während er sich ausruhte und las.
Wenn dann und wann die Sehnsucht in uns erwachte, den Kontakt mit dem Jenseits zu erneuern, reichte die seltsame Erinnerung an die zahlreichen Störungen völlig aus, damit wir nicht darauf eingingen.
Wohl aber lasen und überdachten wir immer wieder die wundervollen, oft tiefgreifenden Worte von Meister Johannes.
So vergingen einige ruhige Jahre.
Vater wurde stiller und stiller, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich.
Ich glaubte nicht, dass ich ihn noch lange behalten sollte.