Meine Mutter

Ein Fluch ruhte auf diesem Haus, auf denen, die regierten, auf jedem Stein dieses giftigen Gebäudes.
Alle waren Schuld daran, doch es würde einstürzen.
Meine Ruhe diente dazu, zu denken.
Und ich dachte; sehr innig dachte ich an das, was mir gegeben worden war.
Ab meinem Eintreten folgte ich allem.
Zunächst überdachte ich, was Dectar mich gelehrt und was ich selbst gesehen und erlebt hatte.
Als ich damit fertig war, folgte ich wieder dem, was heute geschah.
Unter all den Einwirkungen, der Spannung und dem Konzentrieren und dem Sonderbaren daran dachte ich dort unvermittelt, meine Mutter zu spüren.
Die Gedanken wurden mir ebenso rasch entnommen, oder in mir unterdrückt, wie sie in mich gekommen waren.
Dennoch hatte ich das Gefühl, dass meine liebe Mutter dort bei mir war.
Jetzt, da ich mit dem Nacherleben begonnen hatte, kehrte ich von selbst wieder zurück zu dem Augenblick, und hörte ich nun neben mir sagen:
„Sei gegrüßt, mein lieber Venry.“
Ich bin es, deine Mutter.
Ich bin hier, mein Junge, in dir und um dich.
Wir sind gänzlich eins, Venry, also mach dir keine Gedanken, denn ich weiß, was der Tempel der Isis ist und bedeutet.
Du bist in guten Händen, Venry, auch Dectar.
Wir werden dir helfen, mein Junge.
Ardaty und ich bitten Gott um Kraft, die dir gegeben wird, weil wir allen dienen.
Hast du den Schlaf bereits kennengelernt, Venry?
Was du dann erlebst, ist mächtig und das musst du lernen, denn darin liegen viele Geheimnisse.
Wir beide leben in jenen Gesetzen, Venry, und es ist sehr lehrreich.
Vater ist sehr glücklich, auch hier hat er seine Gärten.
Die Schätze dieser Welt wirst du auf die Erde bringen.
Dein Mund wird sprechen, und du wirst weite Reisen unternehmen und Dinge sehen, die dort nicht gesehen werden können, aber in denen wir leben und eins sind.
Wenn dich neuer Hass überkommt, lieber Junge, so mache dich davon frei, ich bitte dich inständig darum, auch Vater.
Was sie taten, werden sie in unserer Welt rechtfertigen müssen; ihr Leben geht dich jedoch nichts an, vergiss das nie, Venry.
Die Fundamente des Tempels sind morsch, darunter herrscht Finsternis, und ich höre das Weinen kleiner Kinder, die um Hilfe rufen.
Es sind noch junge Seelen, welche die Gesetze erlebten und für die sie zur Erde zurückkehrten.
In diese jungen Leben blicke ich, Venry, und dein Vater weiß davon.
Denke an deine Aufgabe, die Welt soll wissen, was auf dieser Seite lebt.
Du besitzt diese Gaben und Kräfte, in deiner Seele sind sie vorhanden.
Du wirst auch die Schlüssel empfangen und die geheimen Gesetze kennenlernen, doch du musst sie dir zu eigen machen, sodass du sehr stark bist, um „Isis“ groß zu machen.
Es sollte jedoch Geduld in dir sein, oder du wirst zusammenbrechen unter einer Last, die du jetzt noch nicht tragen kannst.
Dazu ist Lebensweisheit notwendig, und Erfahrung kann dich stärken.
Vergiss das nie.
Oh, mach dir keine Sorgen, mein Kind, wir sind allein, und es gibt Hilfe, große Hilfe, Venry, die dir schon als Kind gegeben wurde.
Höre auf Dectar, er kennt die Gesetze.
Ihr Gift wird dich töten, wenn du voreilig, zu eifrig bist, und deine feurige Begeisterung macht mir Sorgen, doch du wirst gehorchen, nicht wahr, Venry?
Du musst dich bezwingen, sonst erwartet dich die Einsamkeit, und ich komme also, um dich zu warnen.
Du bist kein Kind mehr, und später wirst du mich verstehen.
Frage mich nicht, was das zu bedeuten hat, denn du wirst es nicht verbergen können, und dann wird die Bürde zu schwer, und man wird deine Gedanken auffangen können.
Wenn du möchtest, kannst du mir Fragen stellen, später wird das nicht mehr möglich sein.
Frage also ruhig, Venry.“
„Was soll ich tun, liebe Mutter?“
„Sehr innig an dich denken und an dir arbeiten, Venry.
Nicht erlauben, dass andere dein Fühlen und Denken auffangen können, und dass fremde Gedanken in dich kommen; nur die, die von dir sind oder von Dectar, und die dein Leben und Denken ausmachen, wofür du hier bist.“
„Ist Vater hier anwesend?“
„Nein, mein lieber Junge, doch er hört uns dennoch sprechen und ist sehr glücklich, jetzt, da er hört und sieht, dass wir verbunden sind.“
„Habe ich es richtig gespürt, Mutter, dass du heute bei mir warst?“
„Du lebtest damals im Raum, doch auch ich war dort, und du hast mich gespürt.“
„Ich kann dich nicht sehen, Mutter?“
„Nein, unmöglich, Venry, später vielleicht, wenn du sehr viel Weisheit erworben hast und deine Kräfte groß sein werden, sodass viele Erlebnisse in dir sind und du dennoch du selbst bleibst.
Ist dir das klar, Venry?“
„Ich verstehe dich schon, Mutter, und bin dir sehr dankbar.
Du kennst das Ziel meines Lebens?“
„Ja, mein Junge.
Unser aller Gott schenkte dir große Gaben.
Doch wenn man Gaben empfängt, so ist damit verbunden, dass man sie nutzt, jedoch für ein einziges Ziel, und das ist dienen, Venry.
Du wirst den Tempel der Isis von all der Finsternis befreien und wieder neu erbauen müssen.
Ein großes Werk steht dir bevor, und dabei brauchst du alle Hilfe.
Wissend, dass du sehr willensstark bist, so könntest du das dennoch aus eigener Kraft nicht zustande bringen, Venry.“
„Durch wen, Mutter, oder wessen Wille ist es?“
„Wenn ich sage, Hunderte von Seelen wollen es, so kannst du das akzeptieren.
Sie alle wollen gerne helfen, und sie folgen dir und helfen, Stein um Stein herbeizutragen, um „Isis“ ein schöneres Gewand zu geben.
Sie alle tun das für „Ihn“, den wir hier Gott nennen, der jedoch für deine eigene Welt noch ein Unbekannter ist.
Ist hingegen das Bewusstsein in dir, mein Junge, wofür du hier bist, so ist die Begeisterung kräftig und sehr tief, eine Begeisterung, die dich vorantreibt, immer weiter und höher, unaufhörlich, hin zu einem einzigen Ziel, um deine Aufgabe auf der Erde zu vollenden.
In dem Raum, in dem ich lebe und in dem auch sie sind, sehen wir das alles und warten ruhig ab.
Doch denke nicht, dass wir nichts tun, Venry.
Wir beten und bitten um Kraft, dazu ist eine fortwährende Konzentration nötig, und unsere Seelen senden diese Gedanken und Gefühle zu „Ihm“, der die Allmacht besitzt.
Und darin sind wir sehr sicher.
Unsere Gebete dringen bis dahin vor, sodass die Götter mit dir sein werden.
Die Machtlosigkeit liegt uns fern, das Unbewusste haben wir abgelegt.
Dieses Gefühl des Sich-Plagens, das die Seele als Mensch auf der Erde empfindet, lieber Venry, hat hier eine andere Realität, denn wir sind uns in allem bewusst.
Wir blicken nunmehr hinter die Dinge und kennen trotz des Raumes und der Unermesslichkeit, in der wir leben, die ungeheuere Tiefe des kleinsten Insekts, das wie wir Menschen einer eigenen Evolution folgt.
Wenn in dir die Frage ist, was das bedeutet, so könnte ich allein hierüber mein ganzes Leben lang erzählen, denn hierin ist der „Anfang“, zugleich aber auch das „Ende“ allen Lebens festgelegt.
Solltest du erkennen, lieber Venry, dass im Tier „der Raum“ lebt, und könnte es sich verständlich machen, so hörte und sähe der Mensch seinen Schöpfer und der Raum, in dem wir nun sind, würde für ihn sichtbar.
Es ist sehr zu begrüßen, lieber Venry, doch sie fühlen sich übermächtig.
Versuche unser Leben zu spüren, und du siehst „Ihn“, durch Den wir sind.“
„Ich werde mein Bestes tun, liebe Mutter; ich kenne nun mein Ziel und werde arbeiten und abwarten.“
Jetzt spürte ich, wie meine Kindheit zurückkehrte, und fragte: „Kennst du ihn, liebe Mutter, der dir Leid brachte?
Bist du ihm bereits dort begegnet?“
„Ja, Venry, Vater und ich kennen ihn, doch ihm zu begegnen ist nicht möglich.
Zwischen uns liegt eine Welt, die uns trennt.
Es ist an ihm, diese Welt zu überwinden.
Was wir für ihn tun können ist beten, und glaube mir, lieber Venry, dass mein Gebet sehr ernst ist, sodass er fühlt und sieht, dass auch sein Pfad erleuchtet sein wird.“
„Werde ich ihn sehen, Mutter?“
„Du hast die Absicht, ihn hier zu sehen, nicht wahr, Venry?“
„Ja, Mutter.“
„Die Kräfte, die er besaß, wurden von ihm verbraucht.
Die Möglichkeit, dich zu sehen und auf der Erde zu erreichen und dir in unserer Welt zu begegnen, lieber Junge, hat er selbst vernichtet.“
„Ich weiß noch, liebe Mutter, dass er sagte, er kenne mich aus anderen Leben, konnte er mich dadurch erreichen?“
„Wenn ich da hineinblicke, Venry, kommen viele Geschehnisse zu mir und ich sehe, dass auch er etwas fühlte, aber nicht alles verstand.“
„Ist das, was er mir antwortete, Unwahrheit?“
„Falls er von Liebe sprach, mein lieber Junge, so durchfuhr das Böse seine Seele.
Jetzt ist auch er er selbst und hat gelernt, dass Hass ihn tötet und ihm das Höhergehen verwehrt.
Vergib ihm, lieber Venry, wenn du mich lieb hast, denn auch er kannte die Gesetze nicht und war ein Spielball anderer; durch ihn lebten andere und wollten wiederum andere besitzen.
Es sind Leben in dir vorhanden, die du jetzt nicht kennst, weil dieses Leben das andere dominiert und dich ganz in Anspruch nimmt, aber dennoch eins ist mit denen, in denen du einst lebtest.
Und aus diesen Leben kamen all jene Gefühle; er lebte darin und war darin bewusst, doch andere spornten ihn dazu an, uns zu vernichten.
Glaube mir, lieber Junge, wenn wir beide nicht wiedergutgemacht hätten, so wären wir vernichtet worden.
Doch in uns ist das Licht, das Ardaty sieht und fühlt und unser beider Leben ausmacht.
Selbst der falsche Gedanke, lieber Venry, ist doch bereits ein Schatten in unserem Leben, und dieser Schatten verfinstert unser Licht, ist eine Störung, sodass unser Glück nicht wahrhaftig ist.
Dieser Schatten lag in und um uns beide, darin lebten wir auf der Erde und das konnte ihm damals seine Verbindung ermöglichen.
Doch nun ist alles vorbei, auch jener Schatten löste sich auf, und wir gingen weiter und höher.
In unserem Leben gab es einen Schatten, für andere jedoch gibt es Wolken und sogar tiefe Finsternis, in der sie leben und in der sie auf der Erde groß waren.“
„Du hast also getan, was ihr beide tun solltet, Mutter?“
„Als ich noch dort lebte, Venry, blickte ich hinter die Dinge und ich sprach vom Gefühl, durch das die Menschen hinter das stoffliche Leben blicken können.
Diese Gefühle kann man in Worte fassen, wenn „Er“ es will, aus Dem sie kommen und in unser Herz gehen.
Unter meinem Herzen lag dieses Gefühl, lieber Venry, und ich fing diese Kraft in mir auf, und wir beide verstanden, wie auch immer es geschah, dass Zeit nicht Zeit ist, sondern Wirkung bedeutet.
Diese Gefühle können in alle Geschöpfe kommen, aber es wird nicht verstanden, weil ihr Gefühl und Gehör verstofflicht ist.
Ich erkannte sie, weil ich wusste und deutlich spürte, dass jene Kraft Glück bedeutete; uns beiden gab, was Gott für all Sein Leben bewahrt.
Das wirkliche Wollen muss in uns sein, Venry, und wir müssen „Ihm“ folgen, alles und alles hinnehmen; wir müssen sterben wollen, sonst kann das „Hineingehen“ nicht erfolgen.
Wenn du das spürst, wird dir klar sein, dass dies das Sterben auf der Erde ist, doch für hier bedeutet es „in das Leben“ treten und den Reichtum annehmen und empfangen, welcher unser Haus und die Gärten von Ardaty sind.
Das „Leben“, lieber Venry, sandte uns Blumen und den Gesang der Vögel, sodass du dankst, nur dankst, weil die Freude, die in dir ist, allem das Leben und das Glück schenkt, das deine ganze Umgebung überstrahlt.
Die Kräfte, Venry, waren in mir; sie kamen von hier und gingen in mich über, sodass mich eine heilige Stille überkam.
Bereits damals, mein Junge - und du spürtest, dass in mir jene Stille vorhanden war und meine Seele zwang, zu sprechen, um darüber alles und alles erzählen zu wollen - lebten wir im Raum.
Lange Zeit zuvor kam die Wirkung in mich, so auch die sonderbare, aber bezaubernde Atmosphäre, deren wir uns bewusst waren.
Für uns bedeutet das „das Verscheiden“, für andere die Flucht vor Unheil, Leid und Schmerz, worauf das Sterben auf der Erde folgt.
Dennoch, lieber Venry, kann dem niemand entrinnen.
„Wohin werden wir gehen“, sprach ich zu dir, „wenn unsere Wege versperrt sind“, denn unsere Seelen spürten die Kraft, die uns „das Wissen“ gab, sich „Ihm“ hinzugeben, die alles von uns kennt und die uns zu „Ihm“ ruft.
Auf der Erde glaubt man, dass dies Zeit ist, doch das stimmt nicht, Venry, es ist das „Hineingehen“ und kann nichts anderes bedeuten.
Die Sehnsucht, die dich erfasst, all diese Gesetze kennenzulernen, lieber Venry, ist ebenso verständlich, wie das Geschehen an sich.
Doch wie soll ich dir diese wundersamen Gesetze erklären, mein Junge, jetzt, da wir wissen, dass alles Gefühl ist, und dass das Gefühl „erlebt“ werden muss?
Auch der Raum ist „Gefühl“, Venry, wie viel müssen wir dann fühlen und erleben, wenn wir sein wollen, wie „Er“ ist?
Auch ist unbegreiflich, wenn ich sage, dass die Früchte, die Blumen und die Tiere, kurzum alles Leben, zu dem wir Menschen gehören, ausschließlich Gefühl sind, wird man dann das Wunder davon akzeptieren können?
Und zudem, lieber Venry, wenn ich sage, dass die Wasser keine Wasser sind, sondern ausschließlich „Gefühl“, würde der Pharao mich dann nicht kasteien und einsperren lassen, weil er glaubt, dass ich ihn und mich selbst betrüge und meine Zunge vergiftet ist, oder dass das Anormale in mir lebt?
Du glaubst jetzt wahrscheinlich, dass das „Allwissen“ in mir ist, doch auch das stimmt nicht, Venry.
Das lastende Gefühl, mein Junge, das bisweilen nichts als das Fragen ist, weil man das „Warum und Wozu“ erfahren will, liegt hier in unseren Händen.
Das Unwahrscheinliche löste sich „hier“ für uns, wir alle haben akzeptieren müssen, dass das „Sterben“ dort das „Hineingehen“ in die Realität ist und nie anders war.
Siehst du, mein Jungen, das ist das Wissen, das Sehen und das Erleben deines eigenen Lebens, es ist tiefer und mächtiger als man dort glaubt und dennoch wiederum so ganz einfach.
Trotz all dieser Tiefe lebt es „in“ deiner Seele, denn du bist selbst daraus geboren.
Das, wovon ich dir erzähle, Venry, ist Wahrheit, aus dieser Welt heraus kann ich so sprechen.
In mir lebt das Wahrhafte und in all jenen, die Licht sehen.
Demzufolge sind wir „bewusst“ und sind Teil dieses Ehrfurcht gebietenden „Lebens“.
Als ich vom Unendlichen sprach, lieber Venry, du erinnerst dich, das war kurz, bevor wir dahin gegangen sind, das ist nun unser Besitz.
In mir ist keine Überheblichkeit, lieber Junge, denn diese Aufrichtigkeit lebt in mir, und ich würde all das Schöne nicht wahrnehmen.
Wenn ich mich in Abgeschiedenheit begebe, um klar zu fühlen und zu denken, so kann ich mein Fühlen und Denken begreifbar machen.
Darin ist meine Aufmerksamkeit vollendet, lieber Junge, und mein ständiges Denken brachte mir das Glück dieses „Lebens“.
Das arglose „Hineingehen“ in die Dinge von „Ihm“, lieber Venry, könnte für mich eine unheilvolle Wirkung bedeuten.
Ich wäre dann nicht die, die ich bin, und dennoch, nicht wahr, Venry, hörst du mich, hörst du, wie deine Mutter zu dir spricht, und es ist, als würde ich dort leben.
Hat sich meine Stimme auch nur in „irgendetwas“ geändert?“
„Nein, liebe Mutter, du hast dich gar nicht verändert, und du machst mich so glücklich.“
„Wenn das Glück in dir ist, lieber Junge, glaubst du, mein liebes Kind, dass nicht auch andere glücklich sein wollen?
Es dauert noch lange, bevor sie zuhören wollen, doch du musst es ihnen ganz klar sagen.
Dectar sagte, sehr klar denken und nicht viele Worte verwenden, sehr ernst das Leben in der Natur beobachten.
Und auch ich bitte dich, sag es ganz klar, Venry.
Es ist deine Seele, die fühlt und erschafft, und es in Worte fasst.
Das ist das Sprechen.
Wenn Tiefe und Wirkung in dir sind, wird es nicht schwierig sein, die Worte ordnen zu können.
Denn wenn du nicht klar bist, geht das Große davon verloren und deine Reise in unsere Welt ist, als würdest du zu einem irdischen Fest gehen; dein Leben wird von Leere geschwängert sein.
Man wird dir zuhören, deine Worte werden Nahrung für die Seele sein, vor allem für jene, die nach dir kommen.
Wenn das irdische Gold sie umstrahlt, lieber Junge - auch dann, wenn sie meinen, es besser zu wissen und ihre Begierden nicht beschwichtigt werden -, wenn in ihnen das Erheben über alles und das Großsein ihrer Persönlichkeit ist, so ist trotzdem Leere in ihnen, lieber Junge, denn die, die das geistige Gold besitzen wollen, entledigen sich des Irdischen.
Was sie dann aussenden, ist geistige Macht und Kraft, womit die Seele genährt wird und die des Himmels ist.
Wenn du mein Gewand wahrnehmen dürftest, lieber Venry, würdest du auch das für glaubhaft halten, doch du musst warten, erst dann siehst du dieses Gewebe, das aus unserem eigenen Fühlen und Denken geboren wurde.
Es ist nicht „das groß“ Sein auf der Erde, sondern das klein Sein in den Dingen, die von „Ihm“ erschaffen wurden.
Mache sie zum Gewebe für dein eigenes Gewand, sodass es gleich einem Farbenspiel ist.
Das Bewundernswerte daran, lieber Venry, das wirst du verstehen, wenn ich sage, dass durch Fühlen und Denken das alles zu erreichen ist.
Stell dir das einmal vor, mein lieber Junge.
Du brauchst nur zu denken, natürlich zu handeln und zu fühlen, und ein himmlisches Gewand ist dein eigener Besitz.
Doch dann musst du frei sein von Hass und allen anderen düsteren Gefühlen, die das dunkle Gewand bilden, und die dich zu jenen machen, die in Leid und Schmerz fluchen und verfluchen, selbst „Ihn“, den Gott, aus dem wir sind.
Ist dir klar, lieber Venry, dass sie selbst es sind, die dieses finstere Gewand gewebt haben?
Ihre Taten sind das Gewebe dafür, und das Ganze stellt ihr eigenes Leben dar.
Wenn du jene siehst, mein Junge, wie sie sich selbst beschmutzen!
Da sind welche, die sich selbst besudeln, und das allein für Dinge, die sie suchen und die aus ihrer Begierde geboren wurden!
Dein Herz bricht dann, lieber Venry, und es kann nur Liebe in dir sein.
Ich sah jene, mein Junge, und sie sind arm, sehr arm.
Sie haben weder irdisches und noch geistiges Gold, weder Essen noch Trinken und sie sehen schwarz, weil ihre Seelen dunkel sind.
Doch du solltest sie fluchen hören, sie verfluchen die Dinge, die ihnen gerade fehlen.
Doch dadurch sind sie lebendig tot, weil sie sich immer sehnen und nicht sehen oder davon überzeugt sind, dass eine dunkle Masse, aufgebaut durch ihr Fühlen und Denken, sie verfolgt.
Dachtest du, lieber Junge, dass sie auch nur einen einzigen Augenblick nacherleben?
Wenn sie zurückkehren würden zu dem Augenblick, in dem sie begannen, sich zu sehnen, und die Gefühle unterdrücken wollten, die ihre Leben verfinstern, so ebnen sie einen Weg, der einst für sie begehbar sein wird, doch den sie allein gehen müssen.
Sie gehen immer weiter und sehnen sich weiterhin, und sie lassen sich blenden von dem, was auf der Erde „Gold“ heißt, von den Gebäuden, in denen sie leben und feiern, vom Besitz von Sklaven, die ihnen dienen sollen.
In ihrer rechten Hand sehe ich eine Peitsche, ihre Linke verteilt verschwenderisch Lug und Trug, ihre Herzen sind kalt und darin lebt die Kälte.
Sie leben hinter einer Maske, lieber Venry, sodass andere nicht sehen können, wie sie wirklich sind.
Doch in unserem Leben blicken wir hindurch, weil unsere Gewänder die Schwärze unserer Seele zeigen.
Sie alle können den Sprung nicht machen, den du gemacht hast, denn sie stürzen tief und verschwinden in ihrer eigenen Finsternis.“
„Kannst du mir sagen, liebe Mutter, was ein solcher Sprung bedeutet?“
„In dir liegt die Sehnsucht zu erfahren, was die Schwerkraft aufhebt.
Wenn ich sage, dass das durch Konzentration möglich ist, kannst du es dann akzeptieren?
Ein einziges solcher Gesetze macht, dass die Erde voranschwebt, Venry, und alles Leben mit ihr.
Derjenige, der das zu tun vermochte, lieber Junge, kennt und besitzt einen winzigen Teil dieses Gesetzes, das in seinem eigenen Seelenleben vorhanden ist, aber durch Konzentration zur Wirkung gebracht wird.
Es erscheint wie ein großes Wunder, doch akzeptiere nun von mir, dass es keine Wunder gibt.
Es gibt sie nicht.
Tatsächlich wurdest du getragen, und er, der dich trug, schöpfte aus dem, was allem im Raum Gleichgewicht verliehen hat und wodurch Winde entstehen, wodurch das Feuer ausbrechen kann, sodass es regnet und der Regen in Strömen fällt.
Es ist aus dem, wodurch das Leben erwacht und wächst und erblüht, mein Junge, doch durch sein Fühlen, sein kräftiges Denken geschieht.
Und darin ist er, der heute zu dir sprach, sehr kräftig, Venry, denn er brachte dich über den leeren Raum.
Wenn du einst soweit bist, kannst du es aus eigener Kraft tun, denn auch das ist möglich.“
„Es war also jemand da, liebe Mutter, der mich trug?“
„Du hast heute seine Stimme gehört, Venry.
Es ist sehr wichtig, dass du weißt, dass er mächtig ist.
Möchtest du ihm folgen, dann musst du ihm dienen wollen, denn was er sagt und sieht, das lebt.
Du kannst auch hinnehmen, dass, wenn Wunder geschehen, ihre Existenz bekannt ist.
In unserem Leben kann jeder, der Licht besitzt, sie erklären.
Weil diese Wunder bewusst geschehen und sie zur Wirklichkeit gehören, kannst du akzeptieren, dass auch wir zum bewussten Leben gehören, oder auch wir Menschen gehörten zu dem, was der Raum ist.
Doch in uns ist Gefühl und wir sind kleine Teilchen all dieser Größe, die „Gott“ ist.
Der Pharao wird dich empfangen und du wirst Worte sprechen, die niemals vergessen werden.
Wenn du ihm folgst, lieber Venry, der heute zu dir sprach, so siehst du Licht, und an dem Licht die „Liebe“, und die „Liebe“ ist es, durch die alles lebt.
Gewiss, lieber Venry, es sind zwei Seelen, wie du einst dachtest, die das Leben repräsentieren.
Lerne deshalb eine einzige Seele kennen, jene Seele, die zu dir gehört, schenke einer einzigen Seele all dein inneres Gold, deine Wahrheit und deine Liebe, dein eigenes inneres Leben, dein Herz und deine Willenskraft, und du besitzt „Ihn“, den Gott, den wir kennengelernt haben und der nichts als „Liebe“ ist.
Wenn aus diesem Tempel „die Liebe“ erstrahlt, werden die Menschen in Strömen herbeikommen, um das Große kennenzulernen.
Um dich dafür bereit zu machen, lieber Junge, ist es wert, leben zu dürfen, die Wunder Gottes sehen und fühlen zu dürfen, in denen alle Menschen groß sein können.
Doch du wirst es zu ihnen bringen, Venry, weil du bereits jetzt all diese wundersamen Dinge verstehst.
Du bist alt, weil es kein Jungsein gibt.
Und dennoch bist du noch ein Kind, aber deine Seele besitzt all dieses Alter.
Dass es all deine Leben sind, muss ich dir nicht erklären, bereits in deiner Kindheit lebtest du darin.
Ist das alles nun so unnatürlich?
Wenn einst die Zeit gekommen ist, in der die Älteren die Jüngeren nicht anerkennen wollen, weil sie ihnen Platz machen sollen, sehen wir einen Kampf von Jung gegen Alt, lieber Venry, und das ist ein Kampf auf Leben und Tod.
Doch die Jüngeren bringen das neue Licht nur dann, wenn die Wirklichkeit und die Überzeugung dessen in ihnen ist.
Doch das blinde Hinnehmen ihrer eigenen Größe wird sie stürzen lassen und viele andere mit ihnen.
Wenn das große Bewusstsein in dir ist, kannst du beruhigt in den Kampf ziehen, lieber Venry, denn das Neue, das gut ist, muss siegen.
Der Schmerz derer, die dies nicht fühlen, ist groß.
Doch ein einziges Gesetz sagt, „gehe hin“ und weiche; für mich werdet Ihr Platz machen, denn mein Kind kommt, um das zu zerstören, was falsch ist.“
Und dann stürzt das Alter, mein Junge, doch das Neue lebt und auch das wird wiederum altern.
So sah ich meine eigene Vergangenheit, und ich sah immer das Niederreißen und wieder Aufbauen geschehen.
Dass dies die Lehrschule für jeden ist, wirst du nunmehr akzeptieren.
Wer zum „Leben“ gehört, muss dieses Gesetz befolgen, denn es führt uns dorthin, wo „Er“ ist, der uns allen das Leben schenkte.
Dem ist nicht zu entgehen, mein Junge, doch du musst das Gefühl dafür besitzen.
Doch nun musst du gut zuhören, mein Junge.
Die Kräfte, durch die ich zu dir spreche, sind gleich verbraucht.
Ich wollte dir nun sagen, dass du dies, so gerne du es auch besitzen und in dir tragen würdest, vergessen musst.
Oh, mein lieber Venry, erschrecke nicht, es wird später in dich zurückkehren.
Jetzt, da du mich spürst, verstehst du, warum das nötig ist, und du weißt, was ich meine.
Es ist mein Wunsch und meine große Sehnsucht, mein lieber Venry, dass du nicht an mich denkst, sondern nur an deine Arbeit.
Würdest du das alles in dir behalten, so wird es gesehen und gefühlt, und dann werden schreckliche Dinge geschehen.
Die Schmerzen, die dann in mich kommen, könnte ich nicht ertragen.
Doch du wirst wirkliche Hilfe erfahren, lieber Venry; ich werde dir dabei helfen.
Dann ist es möglich, dass du vorübergehend alles vergisst.
Jetzt, da du mich spürst, mein Junge, verstehst du, dass es sehr wichtig ist, dass es in dich zurückkehrt.“
„Ich habe dich verstanden, liebe Mutter, und werde gehorchen.
Noch einige Fragen, Mutter.
Werde ich dich wiedersehen?“
„Noch einmal, lieber Junge, und dann später.“
„Vater auch?“
„Auch Ardaty.“
„Warum sprichst du von „Ardaty“, Mutter?“
„Ich habe dir einst gesagt, dass du deinen Vater kennenlernen wirst.“
„Was bedeutet das, Mutter?“
„Dass ich fortgehe, lieber Venry.
Frag mich nichts mehr und vergiss.“
„Nur eine Frage, liebe Mutter.“
„Mein lieber Junge.
Ich lese die Frage aus deiner Seele und werde dir antworten.
Du kennst die Lotusblüte in einer Mondnacht?
Du kennst und fühlst die heilige Stille?
Darüber haben wir beide gesprochen.
Im Leben ist nichts unvollendet, Venry.
Ich bin, wie die Götter mich erschufen.
Mein lieber Venry, jetzt ist mein Antlitz, wie du es immer gesehen hast.
Jetzt bin ich deine Prinzessin, mein Haupt ist von einem Strahlenkranz umgeben, doch durch deine große Liebe gewebt.
Spüre in mir die machtvolle Sehnsucht, mich dir zeigen zu dürfen, doch die Götter verlangen von mir Aufmerksamkeit und das bedeutet abwarten.
In der Ferne sehe ich die Augen näherkommen, lieber Junge, sie machen sich bereit, zu dir und zu vielen anderen zu kommen, um zu sehen, ob du lernst und die Gesetze befolgst.
Ich werde für dich beten.
Auf Wiedersehen, mein lieber Venry!“
„Auf Wiedersehen, Mutter, ich bin sehr glücklich und bin dir sehr dankbar.“
* *
*
Meine Mutter war fortgegangen.
Die Wärme, die ich in der ganzen Zeit in mir und um mich gespürt hatte, löste sich nun ebenfalls auf und ich begriff, dass meine Hilfe bei mir war.
Wahrscheinlich waren diese Kräfte auch um meine Mutter, denn sonst hätte sie nicht auf diese Weise sprechen können.
Daraufhin machte ich mich völlig leer und folgte meinen eigenen Erlebnissen.
Nach kurzer Zeit spürte ich von meiner Mutter und dem, was sie zu mir gesagt hatte, nichts mehr.
Sehr vieles war mir nun klar.
Diese schnelle Rückkehr von Ardaty, als ich zu Isis kam, verstand ich.
Natürlich wussten mein Vater und auch meine Mutter, dass hier Gefahr drohte.
Und Dectar hatte sich damals, wie ich jetzt gelernt hatte, geteilt.
Meine eigenen Erlebnisse zogen noch einmal im Geiste vorbei, und ich befand mich nunmehr wieder vor dem Schlaf, der sieben Tage und Nächte dauern würde.
Jetzt, da ich erneut damit verbunden war, kam ich einfach nicht weiter.
Etwas hielt mich zurück.
Würde ich darüber noch mehr erfahren müssen?
Ich hatte Dectars flüsterndes Sprechen nun verstanden.
Auf diese Weise kam ich hinter all die schrecklichen Gesetze.
Mir wurde bewusst, dass ich in einer geistigen Räuberhöhle lebte, zwischen Dämonen der übelsten Art, die sehr gefährlich waren.
Man saugte die Priesterlehrlinge aus, und auch die erwachsenen Priester, zu denen Dectar möglicherweise gehörte.
Diese abscheulichen Wesen ließen mich erschaudern.