Lyra

In der hohen Kuppel des Tempels bekam ich meine neue Wohnung, in meiner vorigen Zelle hatte ich nur eine einzige Nacht geschlafen.
Dectar konnte es nicht akzeptieren, doch die Tatsachen waren nicht zu leugnen.
Sein Leben konnte erst jetzt beginnen, seine große Liebe hatte er empfangen.
In ihm war die Liebe, aber die Priesterschaft hatte ihm dieses Bewusstsein gegeben.
Tief in seiner Seele lebte diese große Kraft.
Ich konnte nun gehen, wohin ich wollte, nicht nur zwischen Leben und Tod, sondern auch in den Tempel, alle Gebäude standen mir offen, es gab keine astralen Mauern mehr, nichts hielt mich zurück.
Ich verschrieb mir selbst die Ruhe, die ich zu brauchen meinte, denn auf Befehle musste ich nun nicht mehr warten.
Wenn ich ausgeruht und bereit wäre, wollte ich anfangen.
Dectar würde die „Wiese“ sehen, auch das gehörte zu meiner Aufgabe.
Mein Leben war ganz anders als seines.
Dennoch fühlten wir uns eins, denn wir sahen ein einziges Gesetz, durch das all das Leben Beseelung bekam, und das war „die Liebe“.
Eine Liebe, die zwischen Leben und Tod wie ein Gesetz erlebt wurde, und die ich dort kennengelernt hatte, doch dieses Gesetz mussten alle Menschen sich zu eigen machen.
Wenn sie diese Liebe begreifen wollten, würde einem jeden großes Glück zuteil, doch dafür musste man dienen.
Ich ließ Dectar zu mir kommen und sagte: „Ist der Großmeister bereit, mich zu empfangen?“
„Komm, Dectar.“
„Wenn die Götter wollen, dass du noch größer wirst, lieber Venry, als ich sehen und fühlen kann, macht es mir Angst.
Ich frage mich, Venry, bist du dir wirklich sicher?
Ich kann die Götter nicht spüren, aber mich befiel Angst, als all diese Wunder einfach so vor meinen Augen geschahen.
Du bist so mächtig wie keiner von uns.
Ich meinte, deine Mutter zu sehen, Venry, ist das möglich?“
„Lag Furcht in ihr, Dectar?“
„Das vermochte ich nicht zu spüren, Venry, aber ich sah sie sehr unerwartet, und ich meinte, sie zu verstehen.
Du lebtest eigentlich in deiner eigenen Umgebung.
Fühltest du dich dort heimisch?“
„Du hast richtig gesehen, Dectar, meine liebe Mutter warnte mich, doch in ihr war keine Furcht.
Als ich ein Kind war, hat sie mir davon erzählt, und nun sind wir soweit.
Doch bedenke, lieber Dectar, ich bin lediglich ein Instrument, ich bin eigentlich nichts.
All jene Wunder sind machtvoll und dennoch so einfach.
In ihren Augen sind es Wunder, weil sie ausschließlich die Macht sehen und das Niederknien ihrer Sklaven genießen.
In mir wirst du diese Eigenschaften nicht sehen, Dectar, durch dich habe ich gelernt, einfach zu sein, doch wer mich anders sieht, hat keine Ahnung von Einfachheit.
Die Götter wollen, dass wir Wunder erleben, aber das kleinste Insekt ist dazu in der Lage, denn es gehört zu dem Leben „Dessen“, der uns das Leben gab.
Im allerkleinsten Wesen liegt diese Kraft, Dectar, aber in uns das Bewusstsein derselben.
Es gibt nur einen einzigen Gott, mein Freund, der all Seinem Leben Gefühl und Beseelung verlieh, ein einziger Funke, der vom Himmel fällt, repräsentiert „Ihn“, durch den all diese Wunder geschehen.
Es ist lediglich ein Funke, und trotzdem ist er in der Lage, Seine Größe zu repräsentieren, denn sie spendet Licht.
Doch sage mir, lieber Dectar, bist du glücklich?“
„Oh, Venry, ich bin so glücklich.“
„Ja, Dectar, jetzt bist du du selbst und ich bin ich selbst, aber wir beide schreiten voran.
Du in der Liebe, aber ich muss meine Aufgabe vollenden.
Ich bitte dich jedoch, erzähle mir, wenn du alles weißt und du dich selbst kennst, das Bewusstsein in dich gekommen ist und du auf Wolken schwebst, wenn du deine Zwillingsseele an dein Herz drückst, die du durch dein Leid und deinen Schmerz verdient hast, was du dann empfindest?
Doch wenn du bald auf der „Wiese“ bist, lieber Dectar, wirst du dann wissen, ob die Dinge, die du in anderen Leben besaßest, größer waren als dieses Glück?
Ich möchte erfahren, mein Freund, ob eine Krone mächtiger ist als die Liebe, obwohl ich davon überzeugt bin, wie deine Antwort sein wird, wie das große Glück, das nun in dir ist und aus dir herausstrahlt, auch mir dann zulächeln wird.
Aber ich frage mich schon jetzt, lieber Freund, ob du dafür auch die Kräfte besitzt und ob du nicht versagen wirst.
Was wirst du tun, Dectar, wenn dein Herz erfüllt ist von Liebe?
Wenn du im Luftraum schwebst und deine Zwillingsseele neben dir, wie werden deine Gefühle sein?
Wenn du „hineingehst“, lieber Dectar, in einen Tempel, der weit über alle Tempel erhaben ist, wie werden deine Gefühle sein, mein Freund, wenn dein Einssein vollkommen ist?
Das alles möchte ich von dir erfahren, Dectar, du musst es mir sagen, du lebst in diesem reinen Glück.
Doch ich werde jetzt sehen, mein Freund, höre zu.
Wir müssen sehr vorsichtig sein, denn der Oberpriester ist erzürnt.
Sorge dich jedoch um nichts, ich bin bereit.
Aber nun Folgendes.
Jetzt erlebst du dieses machtvolle und unverstandene Glück, doch später, Dectar, vielleicht Jahrhunderte später, empfange ich diese Liebe, und dann wirst du die Großen Schwingen besitzen.
In diesem Leben bist du dann kein Priester, aber du hast die Gesetze kennengelernt, und dazu bist du hier im Tempel.
In jenem Leben wirst du die Wunder sehen, wie ich sie nun habe erleben müssen.
Dann lebst du zwischen Leben und Tod und wirst sehr viele Menschen glücklich machen dürfen.
Jetzt lebst du in deinem ewigen Glück, dann bittet man dich, alles zu geben, was in dir ist, und du wirst dienen müssen.
Mache dich bereit dafür, Dectar.
Dass du jetzt dieses Glück erfährst, ist, weil in späteren Jahrhunderten das Bewusstsein all dieser Wunder und der Gesetze in dir sein muss; das alles wird dir durch die Allergrößten Schwingen geschenkt.
Ich sehe all diese Gesetze, und es wird geschehen, wie die Götter es wünschen.
Jetzt erwartet dich das Glück in astraler Form, als Seele wirst du alles erleben, doch in vollem Bewusstsein, dann jedoch schwebst du zwischen Himmel und Erde hin und her, von der Erde hin zur Finsternis, zu den Himmeln und zu den Orten im Raum, an denen ich jetzt nicht verweilen werde.
Doch vielleicht darf ich dann zu dir kommen und dir alles erklären.
Ich sehe nun weit, sehr weit voraus, Dectar, und das gehört zu all diesen Wundern.
Mir ist gegeben, lieber Freund, dich zu verbinden.
Heute wirst du die „Wiese“ sehen.
Danach bin ich bereit für die großen Ereignisse, die man auf Isis erleben wird.
Uns ist das gegeben, doch jene, die nach uns kommen werden, folgen diesem Weg, denn er leuchtet.
Du hast es gesehen, Dectar, die Wunder sind zu uns gekommen, schneller als wir dachten.
Für manche dauert es Jahrhunderte, und sie haben alle Zeit, sich dafür bereit zu machen, wir jedoch, lieber Dectar, bewegen uns auf Schwingen, binnen kurzer Zeit sind wir bereit.“
„Ist unsere Mauer noch notwendig, Venry?“
„Mehr denn je zuvor, Dectar, ich möchte auf diese Weise fortfahren und sehe in mir keine Obere Macht.
Bis ganz zuletzt ist die Mauer notwendig.
Wenn die Sonne lange schon untergegangen ist, Dectar, komme ich dich holen, und wir gehen zur „Wiese“.
Dectar ging fort, auch ich hatte das Bedürfnis, in der Natur zu sein, und besuchte die Gärten von Isis.
Ich musste alles, was ich erlebt hatte, versuchen zu verarbeiten.
Die Gärten des Tempels standen mir nun offen.
Bald hatte ich mein Alter von neunzehn Jahren erreicht, und schon jetzt war ich bereit und kräftig, aber die Kraft lebte zwischen Leben und Tod und gehörte mir nicht einmal.
Aber ich gab mich vollkommen hin.
Ich verspürte nun die Empfindung, die Gebäude zu besuchen, in denen die Priesterinnen lebten.
Ich hatte nun das Recht, diese zu betreten, und ich störte mich nicht mehr an astralen Mauern, auch nicht an den Meistern; all diese Gesetze hatte ich überwunden.
Was ich dort erleben würde, wusste ich nicht, aber ich befolgte die Gefühle, die soeben zu mir gekommen waren.
Ich betrat das Heiligtum der Priesterinnen und stieß mit meinem Vater zusammen.
Mein inneres Leben wurde heftig bewusst.
Mein Vater hier, in diesem Gebäude?
Gibt es Priesterinnen, die einer besonderen Bildung bedürfen?
Ich las in seiner Seele, und das entfachte meinen Hass.
Ich meinte, nicht mehr hassen zu können, jetzt jedoch verspürte ich nichts anderes als Hass, doch nur für ihn.
Seine glühenden Augen sahen mich an, die von hinter einer Maske ihren vernichtenden Hass zu mir sandten.
Er hatte mich erkannt, da er nun wusste, wer ich war, doch ich begriff, dass meine Geburt und meine Jugend vor ihm verborgen blieben.
Er war wütend, versuchte jedoch, sich zu beherrschen.
Seine schwachen Charakterzüge hatte ich nun kennengelernt.
Er ging an mir vorbei, doch die Waffen, die vor Jahrhunderten begraben worden waren, nahmen wir wieder auf, und der Kampf um Leben und Tod hatte eigentlich erst jetzt einen Anfang genommen.
Blut gegen Blut, das Kind gegen seinen Vater, doch die Jugend würde obsiegen.
Er sah in mir Vater Taiti.
Durch meine Gaben und die Wunder hatte er mich erkannt, sein Sehen und Fühlen waren nun ausgezeichnet.
Dieser Mensch hatte durch mich den Scheiterhaufen erlebt, für all seine Morde hatte ich ihn bestraft, und erneut kreuzten sich unsere Wege, und wir würden die Gesetze erleben.
Er meinte, sich auch jetzt ausleben zu können, aber ich würde sein Leben zerstören, aber anders, ganz anders, auf eine Art, die seine Seele erwachen lassen würde.
„Ihr seid mächtig, Vater Iseués, doch kindlich vorsichtig, sodass ein Blinder sehen kann, was Ihr wünscht und wie Eure Sehnsüchte sind.“
Mein neues Gewand öffnete die Tore des Tempels der Isis für mich, niemand konnte mich aufhalten.
Hass, nichts als Hass fühlte ich zu mir kommen.
Wie viele schöne Priesterinnen gab es im Tempel?
Ich zählte siebzehn Zellen; hier waren Kinder von Prinzen und Würdenträgern, aber nur wenige, die „natürlich“ begabt waren.
Die Priesterinnen waren in einem Saal versammelt, den ich betrat.
Eine von ihnen, die wie eine strahlende Sonne ihr Licht über mich ergoss, sah mich an.
Ich erschrak heftig.
Bist du es, Lyra?
Du hier, im Tempel?
Haben mich meine Schritte deshalb hierher gelenkt?
Wollte man, dass ich meinem Vater begegnete?
Will man auch dir die Großen Schwingen schenken?
Ich fragte mich, ob ich träumte.
Es konnte nicht anders sein, sie war Lyra.
Wie sollte ich den Göttern danken.
Lyra, darf ich dich sehen?
Die anderen Priesterinnen gingen fort, und ich trat auf sie zu.
„Seele von meiner Seele, jetzt dürfen wir uns begegnen, doch alles ist mir klar.
Ich bin es, liebe Lyra, als Kinder waren wir auf der „Wiese“, mein Meister hat uns auch jetzt verbunden.
Erinnerst du dich noch an die „Wiese“?
„Ich weiß alles, Venry, und habe lange warten müssen, trotzdem bist du zu mir gekommen.
Aber mein Sehen ist wahrhaftig.
Groß bist du, Venry, deine Wunder sind mir bekannt, du wirst Isis groß machen.
Ich blicke in dein Leben, habe dir immer folgen dürfen.
Mein Meister ließ mich sehen, als spürte er, dass mein Leben bereit ist.
Oh, hab keine Furcht, Venry, dein geistiger Leiter wacht, wachte immer über mich; diese Entwicklung bleibt weit von mir entfernt, meine Ursache und Wirkung sind in das Warten übergegangen.
In meiner Seele liegt mein eigener Schutz, denn sehr oft kamen die Dämonen zu mir, aber auch eine andere Kraft, die sehr stark und mächtig ist, Venry, durch die du die Wunder erlebst, umgab meine Seele mit dem allerersten Wunder, sodass sie vor Angst verschwanden.
Ich werde dienen, Venry, und wer dienen will, empfängt den Schutz der Götter, auch wenn ich ganz allein vor einer Übermacht stand.“
„Lyra, meine Seele, ich bin hier, um den Tempel der Isis groß zu machen.
Ich habe in unser voriges Leben blicken dürfen.
Was wir dort erlebt haben, war Leidenschaft und Gewalt.
Wir brachten Leid und Schmerz, doch unsere Seelen erwachten, und wir ergötzten uns an jenen, die auf dem Scheiterhaufen gestorben sind.
Bist du auch darin bewusst, Lyra?“
„Ja, Venry, ich weiß alles.“
„Wenn dir das klar ist, Lyra, fühlst du dann, warum wir hier sind?
Ist dir das Wunder des Einsseins bewusst?
Du wirst mir die Kraft verleihen, meine Aufgabe zu vollenden, weil die Götter wissen, dass ich alleine scheitern würde.
In anderen Leben wirst du mir gehören, denn jetzt sind wir noch nicht bereit, liebe Lyra, das allerhöchste Glück zu empfangen.
Dennoch sind wir eins, aber dieses Einssein ist eine Gunst und gehört zu meiner Aufgabe.
Wir leben in den Gesetzen, bei dieser Ursache und Wirkung, mein Kind, liegt dieses Einssein, und es gehört dazu.
Wie könnte ich dienen, Lyra, wenn ich die Liebe nicht kennen würde?
Was empfindest du?
Kannst du mir alles erklären?“
„Mein lieber Venry, Herrscher von Isis, Bringer der Liebe, du erlebtest bereits Wunder, doch jene, die kommen, werden andere übertreffen.
Die Götter wollen, dass du dienst, und auch ich muss dienen.
Unser Einssein ließ deine Gaben erwachen und deine Seele sich entwickeln.
In mir lebt Isis, wir sind Kinder Gottes, unser Leben wird hierin enden, um dann weiter zu gehen und wieder gut zu machen.
Auch wenn meine Seele in anderen Körpern leben wird, wir sind und bleiben eins, Venry.
Ich werde Kinder gebären, von anderen gezeugt, trotzdem bin ich dein, nur dein, Venry.
Ich werde warten, aber einst werde ich groß sein und zu dir zurückkehren, und wenn nötig, mich vollkommen hingeben, wie auch immer mein Ende auf der Erde sein mag.
Es wird Zeiten geben, Venry, in denen ich von all diesen Gesetzen nichts weiß, aber in mir wird das Gefühl sein, das mir die Kraft verleiht, alles hinzunehmen.
Du bringst jetzt die Liebe, in anderen Leben bist du unbewusst, und du wirst fragen „warum und wozu“.
Lass uns beginnen, lieber Venry, und unsere erste Abrechnung werden die Götter hinnehmen, sodass du auf dieses Leben wirst zurückblicken können.
Wenn einst die Leere in uns ist, und wir das Leid durchleben müssen, das uns bevorsteht, sind wir auch darin bereit.
Dieses Leben wird siegen, lieber Venry, und uns stärken, wenn unsere Seelen rufen und suchen und keinen Weg finden, und die Finsternis uns umgibt.
In mir selbst liegen all jene Fehler und Sünden.
Dieses Leben geht vorbei, lieber Venry, um mich bereit zu machen für all diese anderen Leben, in denen ich dienen werde, erfahren werde das Leid und den Schmerz, das Unverständnis, das Alleinstehen, das Allein-Erleben und das Suchen und Fragen, wo meine Seele ist.
Warum ich hier bin, Venry?
Ist meine Seele nun nicht bewusst?
Könnte ich nun in der Finsternis leben?
Gehen wir beide nicht einen einzigen Weg?
Und geht es nicht darum, zu erwachen?
Kannst du weiter sein als ich?
Wenn du dem Licht folgen musst, überstrahlt es auch mich, oder wir wären nicht eins.
Wenn du suchst, lieber Venry, werde auch ich suchen, wenn Leere in dir ist, wird auch in mir Leere sein, denn wir sind in allem eins.
Oh, ich verstehe alles.
Wenn ich in die nächsten Leben blicke, Venry, weine ich, nicht vor Furcht, nicht vor Leere, sondern um dienen zu wollen.
Bald bist du sehr groß, dann wiederum sehr nichtig, und du weißt nichts mehr von diesen Wundern, dann wird es ein anderes Leben geben, das dominiert.
Frage dann nicht, warum du allein bist, warum du die Einsamkeit durchleben musst, in der Ursache und der Wirkung werden wir dann „hineingehen“ und auch den Tempel betreten und den Göttern danken, dass wir dienen und erwachen durften.
Ich danke den Göttern, lieber Venry, dass ich dich nun habe sehen dürfen.
Können wir nicht glücklich sein?
Und dient unser Kampf nicht dazu, zu erwachen?
Wie war unser Ende, als Vater Taiti seine große Liebe kennenlernte?
Weder spüre ich das Ungeziefer in meinem Herzen, noch die Schmerzen und das Erwachen des Geistes.
Oh, meine Seele, wenn ich „Mutter“ bin, und der kleine Teil des Amun-Ré in mir lebt und gedeiht und unter meinem Herzen einschläft, dann sind wir eins, weil es uns erwachen macht.
Ich bin bewusst, lieber Venry, wie niemals zuvor, weil ich denke und fühle, und diese Einsamkeit ist nur ein kurzer Augenblick.
Mein Bereitmachen wird sein das Empfangen, und das Empfangen bedeutet, dass wir unser irdisches Leben gelebt haben und in jenen anderen Welten fortfahren.
Ich werde weiterhin beten und die Götter bitten, ob ich auch jetzt mit dir sterben darf, das wirklich einzige, um das ich bitten werde.
Mein Gebet reicht weit, es dringt vor bis zu den Göttern, lieber Venry.
Dir wird die Weisheit gegeben und das Wissen, dass ich auf dich warte, und dass du mich rufst, mich bereit zu machen.
Ich weiß, dass es eine große Gnade ist, dennoch können wir diese Gnade empfangen, wenn du handelst, lieber Venry, wie die Gesetze es von dir fordern und die Wunder geschehen.
Ich flehe nicht darum, mich glücklich zu machen, ich bin alles, Seele meiner Seele, in mir ist das Glück, das Glück, erwachen zu wollen und den Göttern zu folgen.
Ich bitte nur darum, auch jetzt mit dir sterben zu dürfen, doch dieses Sterben wird das Bewusstsein und das „Hineingehen“ bedeuten.“
„Ich danke dir, liebe Lyra, für die Kraft, die in dir ist, und ich freue mich, dass du alles weißt.
Die Macht, die mir gegeben wurde, wird dich im Tempel beschützen, in anderen Leben werden die Götter über dich wachen.
Auf der „Wiese“, liebe Lyra, werden wir uns wiedersehen.
Ich bin bereit, du hast alles, du bist eins mit meiner Seele, wir beide werden einst „Ihn“ repräsentieren, unser Haus wird sein wie der Raum, und einen jeden, der erwachen möchte, werden wir in unserer Mitte empfangen.
Wenn die Finsternis dem neuen Licht weicht, wenn Dämonen zum Einschlafen verdammt sind, wenn mein Blut zur Ruhe gekommen ist und Isis erwacht, die Göttin ihren Strahlenkranz auf dein liebliches Haupt legt, dann, liebe Lyra, werde ich meine Aufgabe vollbracht haben, und wir werden „hineingehen“, dann wirst du empfangen, und wir werden zwischen „Leben und Tod“ sein.
Dann werde ich dich holen, und du empfängst „Tod und Leben“, weil du dienen möchtest.“
Mein geistiger Leiter schwebte in unserer Mitte und wollte, dass ich auch sie glücklich machte.
Ich sagte zu Lyra: „Komm an mein Herz, Lyra, und siehe, wie einst unser Leben sein wird.“
Sie umarmte mich und ich sie, doch zwischen unseren beiden Herzen lebte und erwachte die Lotusblüte.
Ihr Licht überstrahlte unsere Liebe, und unsere Herzen verschmolzen, die Stille kam in uns, tiefer, inniger als sämtliche irdischen Mächte und Kräfte zusammen.
In ihrer Seele lebte die ewige Liebe, in ihren Augen gewahrte ich das gesamte Universum, ihr Herz sprach zu mir, und die Verzauberung, das glückselige Einssein mit Amun-Ré erwachte, denn unsere Seelen nahmen diese heilige Ausstrahlung an.
Für einen kurzen Augenblick lebten wir im Raum, und wir sahen Tempel und die Engel, die dort lebten.
„Einst, liebe Lyra, werden wir sein wie die Lotusblüte.
Unser Licht wird dann klar sein, unsere Gewänder aus einem Stoff, gewebt durch unsere Taten, die nur dort getragen werden, wo meine Mutter lebt.
Bewahre die Lotusblüte, liebe Lyra, wenn sie sich auflöst, komme ich dich holen, und wir werden sterben.
Wie sehr ich den Göttern danke.
Oh, meine Seele, frage nichts, meinen Hass werde ich überwinden und ihm auf würdige Weise entgegentreten.
Mein Kampf wird in Liebe gekämpft werden, denn ich will dienen und mit dir zu einem einzigen Leben kommen, einem einzigen Fühlen und Verstehen, erst dann wird unsere Liebe vollkommen sein.
Ich werde mich selbst besiegen, Lyra, und mein ganzes Wesen in deine Hände legen, und du wirst über mich wachen, wie die Tiefe deiner „Mutterliebe“ in dir ist.
Dann gehen wir „hinein“, Lyra, und unser Leben wird gesegnet sein.
Königin meines Herzens, bist du überzeugt, dass ich mich selbst besiegen werde?
Spürst du, dass ich erst jetzt bereit bin?
Du lebst in mir und um mich, für unser Glück werde ich dienen.
Du spürtest jetzt, dass ich kommen würde, auch später wirst du es erfahren.
Ich muss fortgehen, Lyra, mein Meister lässt es mich spüren.“
„Geh, mein lieber Venry, geh nur, ich werde warten.“
* *
*
Ich ging fort, Lyra lebte jedoch nahe bei mir.
Sie gehörte zu mir, und dafür dankte ich den Göttern.
Unberechenbar sind die Wege, welche die Götter uns zwingen zu beschreiten, es kann in Leid und Schmerz sein, aber auch im Glück.
Ich verstand alles, diese Gnade spürte ich, mein Dienen würde vollkommen sein.
Ich würde mir meine Zwillingsseele verdienen müssen, alle Menschen würden dies erleben.
Wir waren hierin bewusst.
Ein jeder erlebte seine eigene Ursache und Wirkung, seine Sehnsüchte.
Alle waren unterwegs, um jener Seele zu begegnen, die einen Teil, einen Himmel, einen Tempel, einen Raum ausmacht für beide, in dem sie lebten.
Auch wir waren unterwegs und dabei, all das Mächtige zu verdienen.
Ich kehrte zurück zu meiner Wohnung, denn ich wollte in meiner eigenen Umgebung alles nacherleben.
Dennoch musste ich vorsichtig sein, obwohl ich die Macht besaß, und der Pharao mir wohlgesonnen war.
Noch immer war mein Vater der Oberpriester des Tempels, aber sein Hass war dämonisch.
Noch waren es Wunder für sie alle, demnächst könnten sie mich für geistesgestört erklären, aber zuvor musste ich bereit sein.
Ich besaß Gaben, von denen sie alle nichts verstanden.
Und darin schlummerte die Gefahr und lagen die Gedanken, die auch jetzt zu mir kamen.
Auf natürliche Weise würde ich meine geistige Waffe auf ihn richten, den Kampf, den ich kämpfen würde, fand ich wundervoll und höchst natürlich.
Durch meinen geistigen Leiter würde ich obsiegen.
Ich dankte ihm für alles, auch für dieses Glück, und ich würde mein Bestes tun.