Dectars große Sehnsucht; meine Mutter

„Siehst du, Venry, das ist nur für Naturbegabte.
Das kann man nicht lernen, auch ich nicht, aber du wirst mir helfen.
Ich will auf alles und jeden herabsehen, der das Finstere sucht; ich will dafür sehr viel Weisheit besitzen, und ich muss gehen können, wohin ich will.
Mächtig will ich sein, lieber Venry, und sehen, was zwischen Himmel und Erde lebt, erst dann werde ich glücklich und zufrieden sein.
Doch ich muss dir unangenehme Dinge sagen.“
„Was ist es, Dectar?“
„Du musst allein in die Finsternis gehen, Venry, du wirst weder Tag noch Nacht sehen.“
„Wozu ist das nötig, Dectar?“
„In der Welt, in die du demnächst gehst, droht immer große Gefahr.
Für jene, welche diese Gaben besitzen, müssen wir alle Vorsorgemaßnahmen treffen, sodass sie bereit sind, Venry.
Man möchte dich also vorbereiten.“
„Warum so schnell, Dectar?“
„Das ist wegen der Prüfungen, Venry, man hat gut aufgepasst.
Sie haben gesehen, dass du große Fortschritte gemacht hast.
Und mir wurde gesagt, dass du auch das erleben sollst.“
„Ist es nützlich, Dectar?“
„Ja sicher.“
„Was tust du, wenn ich eingeschlossen bin?“
„Ich muss heilen, Venry, es gibt sehr viele Kranke.“
„Kann ich dich nicht begleiten?“
„Nein, jetzt noch nicht, vielleicht später.“
„Und was geschieht danach, Dectar?“
„Danach folgen viele andere Prüfungen.
Damit werden die ersten Jahre verstreichen.
Erst danach wirst du Reisen unternehmen, doch wenn ich nicht dafür sorge, dass wir bereit sind, wird man einen anderen Meister zu dir senden, und dann kann ich heilen und sehen, mehr jedoch nicht.
Und das ist sehr wenig, Venry.“
Um Dectar herum lag ein niedergeschlagener Einfluss, und er schien mir sehr traurig zu sein.
Er sagte zu mir: „Dectar kann sehr viel sehen, Venry, und gut hören, aber mehr auch nicht.
Ich fühle sehr genau, dass ich nicht weiter komme, denn meine Gaben sind erschöpft.
Jetzt kann ich nicht tiefer gehen, nicht mehr sehen, sodass ich bleiben muss, in dem ich jetzt bin, und das macht mich sehr traurig.
Du musst mir helfen, Venry, meine Schwinge zu heilen, erst dann werde ich weit weggehen und im Raum schweben können.
Dann kann ich ihnen erzählen, was ich sehe, und das wird mich sehr glücklich machen.
Manchmal möchte ich fortgehen, weit fort von Isis und weg von dieser Erde.
Dann bin ich dort und sehe alles, aber eine Stimme in mir sagt, es nicht zu tun.
Oh, Venry, dann ist es schrecklich, denn dann sehe ich nichts mehr.
All meine Gaben sind dann aus mir verschwunden und ich lebe in einer Finsternis.
Dort ist es weder Tag noch Nacht, und ich erlebe den Zersetzungsprozess meines eigenen Stoffkörpers.“
„Was sagst du, Dectar?“
„Für dich noch ein tiefes Rätsel, Venry, aber auch das wirst du kennenlernen, wenn zunächst einmal alles in dir bewusst ist.
Das ist „sterben“ und „nicht sterben“, es ist fest mit diesem Körper verbunden sein, in dem ich jetzt lebe, doch dann ist der Körper tot, und ich muss auch das erleben, was das Absterben ist.“
„Wie kommst du auf solche Gedanken, Dectar?“
Er sah mich verwundert an und sagte: „Sprich nicht von Gedanken, Venry, dies ist die Realität.
Wir kennen diese Gesetze.
Doch aus meinem Inneren kommt eine Stimme, es nicht zu tun.
Hier lernen wir jedoch die Gesetze kennen, aber andere Priester haben es gesehen, und deshalb wissen wir sehr viel darüber.“
„Was soll das heißen, Dectar?“
„Dass ich mich selbst nicht töten darf, Venry.
Wir müssen auf der Erde leben, solange die Götter meinen, dass es gut ist.
Das zu beenden, bedeutet das unwiderrufliche Abfließen von allem.
Dann habe ich keine Gaben mehr, keinen Tag oder keine Nacht, nur noch meinen Körper, der in schrecklicher Finsternis lebt.
Aber dann erleben zu müssen, dass die Würmer an mir nagen!
Das, was ich selbst bin, kann man nicht töten, Venry, das lebt und muss weiterleben, denn in jener anderen Welt gibt es keinen Tod.
Wir wissen es bereits seit Langem, und auch du kennst nun jenes Leben.“
Jetzt erfuhr ich abscheuliche Dinge von Dectar, und sein Sprechen fand ich sehr traurig.
Ich lernte nun wieder eine andere Persönlichkeit kennen, und trotzdem war er er selbst.
Er fuhr fort: „Das hast du nicht richtig gefühlt, Venry.
Jetzt bin ich nicht ich selbst, auch wenn du meinst, dass ich ich selbst bin.
Mein inneres Leben ist dann ganz fremd, und dann sehe ich die Dinge nicht mehr so, wie sie sind.
Das ist schon seit Jahren so.
Manchmal bin ich etwas weiter, doch dann falle ich wieder zurück und muss von vorne anfangen.
Die Würmer halten mich zurück, und ich bin diesem Schrecklichen nicht gewachsen.
Dann bin ich in einem rettungslosen Zustand und fühle mich tief verzweifelt, Venry.
Aber du wirst mir helfen, nicht wahr, und mich ganz lösen, sodass wir gemeinsam erleben, wonach ich mich sehne, so verzweifelt sehne.“
„Du bist so traurig, Dectar.
Es überwältigt dich, mein Freund, du hast dich erheblich verändert.“
„Ach, lieber Venry, achte unterdessen auf unsere Mauer, hörst du, das darfst du nie vergessen, sonst können wir nicht mehr über die Dinge sprechen, die meinem Herzen Schmerzen bereiten.
Wenn die Liebe dich überkommt, dann kannst du nicht mehr weiter.
Dann sieht man die Dinge nicht mehr klar, und alles ist anders.
Unerträglich sind die Schmerzen, Venry, aber dann weiß ich, dass sie auf der Erde ist.
Meine Seele empfängt und empfindet all die Gefühle, und ich gehe sogar darin über, denn es kommt in mich, und zwar von weit her, und ich höre sie weinen.
Glaube mir, Venry, dann ist es, als würde ein Tier an meinem Herzen nagen, und dennoch bin ich machtlos, denn ich kann ihm keine Nahrung geben.
Und doch verspürt man immer den Hunger und Durst in sich, und ich bin sehr unglücklich, weil ich weiß, dass auch sie traurig ist.
Oh, wenn du mir helfen möchtest, ich kann sie aus jener Welt heraus suchen und ich werde sie finden.
Jetzt ist das nicht möglich, denn ich bin ein Gefangener, genau wie die wilden Tiere in ihrem Käfig; sie bekommen ihre Nahrung, aber auch ihr Herz verlangt nach Platz, und sie sind daher nie zufrieden.
Es ist mir nunmehr unmöglich, dir alles zu sagen, doch du wirst mich spüren können, denn wenn ich dir alles sage, kannst du nicht mehr denken, und wir müssen uns bereit machen.
Aber ich frage dich, lieber Venry: Ist das Hiersein vollkommen?
Müssen wir diese Sehnsucht töten?
Soll ich das, was mich glücklich macht und wodurch das alles entstanden ist, in mir vernichten?
Kann die Gottheit, die mich und alle anderen Geschöpfe erschuf, das wollen?
Müssen die Kräfte, die in mir leben, eintrocknen und allein in Sehen und Heilen aussterben?
Darüber denke ich sehr viel nach, lieber Venry, doch noch niemand hat mir helfen können.
Dennoch kehrt es ständig in mich zurück, aber dann weiß ich, dass sie genau wie ich auf der Erde ist, jedoch Kummer hat, sehr viel Kummer.
Man schloss mich bereits ein, ich habe meinen Tod gespürt, doch auch da blieb es in mir und nagte an meinem Herzen.
Mein Leben ist unberührt, denn ich könnte anders nicht fühlen und denken.
Auch bin ich nicht alt, Venry, denn ich kann mich sogar sehr jung machen.
Wenn ich es möchte, bin ich genau so alt, wie du jetzt bist.
Diese Gabe besitze ich.
Wenn es die Tiere besitzen dürfen, Venry, warum dann wir Menschen nicht?
Ist der Fluch, der in mir ist, der Wille Gottes?
Ist das, was in mir lodert, da, um erstickt zu werden?
Ist der Pharao nicht ein Mensch wie ich, und besitzt nicht auch er seine Liebe?
Glaube mir, lieber Venry, ich fühle mich wie ein Sklave, und das werde ich bleiben müssen.“
Dectar sah sich sehr ängstlich um.
Wir betraten die Gärten meines Vaters.
Er erzählte weiter, sein Herz schmerze ihm vor Sehnsucht, und so jung ich auch sein mochte, dennoch fühlte ich diese Schmerzen in mich kommen.
In ihm war eine Kraft bewusst, die ihn mit einem anderen Wesen eins machte.
Das alles hatte mit einem anderen Leben zu tun.
Wie ist es möglich, dachte ich.
Er sehnt sich und weiß, warum.
Er empfindet Liebe, den Kummer einer Seele, der Seele, die er in irgendeinem anderen Leben gekannt hat.
Doch jetzt ist diese Seele auf der Erde und sehnt sich danach, wie er empfindet und bittet, Tag und Nacht, geliebt werden zu dürfen.
Und diese Liebe, dieses Fühlen und Denken und Sehnen fand ich schrecklich.
Tief denken und fühlen zu können und Gaben besitzen zu dürfen, war eine Gunst.
Doch andere Leben fühlen zu müssen und darin bewusst zu sein, war eine Qual.
Ich sollte das alles eigentlich nicht wissen, aber ich verstand ihn vollkommen.
Als ich ihm in seinem Denken und Fühlen folgte, wurde mir nun klar, dass er sich darin nicht irren konnte, denn seine Seele, das Leben, das zu ihm gehörte, lebte jetzt auf der Erde.
Ich sehnte mich bereits jetzt danach, das Geheimnis für ihn lüften zu dürfen und meinen guten Freund glücklich zu machen.
Unversehens riss ich einige Blätter von einer Pflanze.
„Iss das, Dectar.“
Er befolgte meinen Befehl, und die Ruhe kehrte in ihn zurück.
„Auch das ist angeboren, Venry.
Du verstehst es, diese Empfindungen zu töten.
Ich selbst kann mich jetzt nicht einstellen, doch ich wusste es.
In den Gärten deines Vaters gibt es viele Wunder zu pflücken.
Es gibt Pflanzen zum Töten, um ein Feuer wie dieses zu ersticken und um Wunden und Kranke zu heilen.
Er war darin ein Meister.
In all den Gärten lebten seine Kinder, blickten die Augen derer ihn an, die zu früh fortgehen mussten und nun dort sind, Venry, wo auch wir hingehen wollen und wovon nur die Hohepriester das Geheimnis kennen.
Dein Vater hat das hier nicht gewollt, lieber Venry.
All diese Kräuter sind für die Kranken, nicht für den Zweck, von dem ich vorhin sprach, denn darauf lastet ein Fluch.
Ich weiß, wo all die Kleinen sind, die zu früh fortgingen, denn ich sehe bei Nacht manchmal sehr klar.
Und als davon Bilder in mich kamen, Venry, folgte ich ihnen bei den Märschen und ich verstand den Fluch, der auf diesem Tempel lastet.
Ob mir dabei, wie dir jetzt, geholfen wurde, weiß ich nicht, denn ich spielte mit meinem eigenen Leben.
Waren die Götter mir wohlgesonnen?
Jetzt, da du etwas von all jenen geheimen Kräften weißt, kannst du mich spüren und verstehst du auch, was ich tat.
Und ihnen kann nicht gefolgt werden, Venry, und dennoch konnte ich gehen, wohin ich wollte, wenn sie ihre nächtlichen Märsche und glückseligen Spaziergänge begannen.
Ich frage dich.
Ob die Götter mit mir waren?
Ob die Götter wollten, dass ich wahrnahm?
Glaube mir, lieber Venry, meine Augen waren gefüllt mit Tränen, und diese Tränen kamen tief aus meiner Seele, und ich beweinte die Schmerzen all dieser kleinen Wesen, die auf die Erde kommen würden, um wie wir alle etwas zu erleben.
„Gehet hin und kehret zu Euch selbst zurück, leget ab die Dinge, die nicht für Euch sind.“
Schöne Reden, lieber Venry, aber sie befolgten die Gesetze nicht, denn sie schlossen die Zellentüren hinter sich ab, und sie werden sie erst dann wieder öffnen, wenn das Tier in ihnen zur Ruhe gekommen ist.
Dann solltest du sie sehen, Venry, sie getrauen sich nicht, aufzublicken, es ist keine Nacht und kein Licht in ihnen, nur Furcht, Furcht vor den Göttern, Furcht, dass sie gesehen oder verfolgt werden, weil sie wissen, wie sie handeln müssen und keinen Anspruch auf Gesetze erheben können.
Wenn all die Schemen, die Seelen, Venry, das neue und nächste Leben empfangen und wieder zu Isis zurückkehren, dann - auch das kannst du akzeptieren - folgt ein Kampf auf Leben und Tod, und all jene Meister werden zugrunde gehen.
„Gehet hin und lernet Euch selbst kennen, legt ab alle Gefühle und Sehnsüchte und tötet sie.“
Wie oft habe ich das hören müssen?
Und was tun sie?
Ich sehe die Schemen, Venry, all dieser kleinen Leben und der Priesterinnen, die aus diesem Leben verschwanden.
Sie alle rufen mir zu, ihnen zu helfen, weil die Götter es wollen.
Und dennoch sehe ich machtlos zu, Venry, und weiß mir mit all den Geheimnissen keinen Rat mehr.
Könnte dein Herz das ertragen, Venry?
Wärst du stark genug, wenn ich dir alles erzählen würde?
Ist es dann so merkwürdig, Venry, dass mich manchmal Trauer übermannt?
Ich weinte Tränen, aber nicht vor Schwäche, doch ich fragte mich, ob die Götter es guthießen, und ob der Pharao das alles wusste.
Wie habe ich gebetet, Venry, gebetet um eine Antwort, aber die Götter hörten mich nicht, und ich dachte, ich wüsste es.
Könnte es darum sein, Venry, weil auch in mir solche Gefühle sind?
Doch ich schwöre dir, mein Leben ist unberührt, ich bin nicht schlecht gewesen.
Mein eigenes Leben gebe ich für die Wahrheit, für meine Kranken und jeden anderen, der mich braucht, doch vor allem, um das wahre Leben kennenzulernen.
Denn ist das nicht mächtig?
In mir lebt es, und ich spüre die Natürlichkeit dieser Empfindungen.
Winter und Sommer sind mir lieb, und ich kann ohne Essen und Trinken und bin bereit, Kranken zu helfen, mit allem, was in mir ist.
Viele Sonnen lang kann ich warten auf meinen eigenen Tod, und ich kann eins sein mit der Dunkelheit, doch ertragen zu müssen, Venry, dass mein Herz weiterhin schlägt vor Sehnsucht, das ist nicht auszuhalten.
Oh, mein Freund, wie soll ich dich warnen.
Wenn dich das überkommt, so wirst du nichts sehen und nicht heraustreten können, wirst du nichts empfangen, weil du innerlich verbrennst.
Und in der Finsternis kommen Wesen zu dir, und musst du wissen, wie stark du bist.
Deshalb erzählte ich dir davon.
Uns sie sind wie Menschen, Venry, wenngleich Schemen, doch sie gehören zu jenen, die bereits tot sind.
Wenn du dich an sie wenden willst, gehen sie fort, doch sie kommen zu dir zurück und gehen dann in dich.
Als Priester musst du das alles besiegen.
Du musst es sehen und erleben wollen und dennoch du selbst bleiben.
Wie mächtig sie sind, kann man spüren, wenn ich sage, dass sie lieben und Öle und die erlesensten Kräuter besitzen, die nur der Pharao kennt und besitzt und die aus anderen Ländern stammen, aber die dennoch in deren Besitz sind.
Sie kennen viele Geheimnisse, Venry, und sie werden dich bitten, ihnen zu lauschen, denn sie machen Musik und tanzen ihren Schementanz.
Doch wehe, lieber Venry, wenn dir das gefällt.
Du bist jetzt noch jung, aber deine Seele ist alt, und sie ziehen das Feuer in dir hoch.
Sie lassen es bei dir entfachen.
Sorge, lieber Freund, dass du darin du selbst bleibst, dass sie dich nicht überfallen, denn dann habe ich keine Hoffnung mehr.
Dann vertrockne ich wie das Fleisch, das man hier bewahrt.
Denke nicht, Venry, dass ich jetzt in Rätseln spreche, es ist sehr wichtig, dass ich dir davon erzähle.“
Dectar erzählte mir abscheuliche Dinge.
Behutsam machte er mir klar, was mir bevorstand.
Durch seine eigene Trauer und seine Sehnsüchte führte er mich ein in die Geheimnisse der Isis.
Dectar war ein Meister, ein zartbesaitetes Wesen und ein aufrichtiges Menschenkind.
Er fuhr fort.
„Mein Reden scheint nicht sehr wichtig zu sein, nicht wahr, Venry?
Doch es darf in dir keine Achtlosigkeit geben.
Es kommt vor, dass ich wie ein Bittsteller bin, doch ich weiß, dass du mich nicht verstoßen wirst, sodass ich die „Wiese“ betreten darf, wo es immer grün ist und die Blumen blühen.
All dieses immerwährende Leben, lieber Venry, lacht dir zu.
Doch wenn die Dämmerung heraufzieht, musst du in deinen Stoffkörper zurückkehren.
Wie es dort ist, weiß ich, obgleich ich es in dem kurzen Leben, in dem ich auf Isis bin, noch nicht habe erleben dürfen.“
„Woher weißt du das, Dectar?“
„Es liegt in meiner Seele, Venry; so, wie in dir Gaben sind, waren diese Gefühle und dieses Wissen in mir, als ich geboren wurde.
Ich sah die „Wiese“ vor mir, als Kind konnte ich ganz klar sehen.
Manchmal spielte ich auf der „Wiese“, und dennoch lebte mein stofflicher Körper auf der Erde, und du weißt, wie das möglich ist.
Auf der „Wiese“ kann man herrlich spazieren gehen; es ist wie eine Reise durch den Raum.
Der Zauber, der davon ausgeht, ist himmlisch.
Ich war dort vor sehr langer Zeit, Venry, aber damals war ich jemand anders und hatte somit einen anderen Körper und einen anderen Namen.
Doch jenes Leben sehe ich ganz klar vor mir.
Als ich dort war, kannte ich sie, und sie war so lieb, ach so lieb, Venry.
Oft denke ich daran, und dann sehe ich mich selbst und sie und wir spazieren in der Stille.
Und deshalb weiß ich, dass sie auf der Erde ist, und ich werde sie dann wiedersehen.
Dann weiß ich, dass auch sie einen neuen Körper bekommen hat.
Doch dann, lieber Venry, erwachen Sehnsüchte in mir, denn meine Seele ist eins mit ihrer.
Auch denke ich, dass sie eine Priesterin ist, denn dann spüre ich sie ganz in meiner Nähe und suche sie auf Isis.
Doch wenn ich mich hingegen ganz leer mache, um den Gefühlen und meinem Sehen zu folgen, dann sehe ich sie in der Welt.
In dem Antlitz, das sie nun besitzt, Venry, sehe ich dennoch das andere, und das, Venry, ist mir so lieb, denn sie ist nur mein, Venry.
Ihre Seele und meine Seele sind eins; die Götter machten aus uns ein einziges Wesen, und das wird auf immer so bleiben.
Doch wir mussten uns wieder trennen, Venry, und das erleben alle Menschen.
Es gibt nur eine einzige Seele, die zu uns gehört, und wir kennen diese Seele, auch wenn ich nun ein Priester bin.
Ich kann nicht glauben, dass sie mich vergessen hat.
Von wem könnten diese Gefühle sein, die dennoch in mich kommen?
Auf der ganzen Erde gibt es nicht einen einzigen Menschen, lieber Venry, der diese innigen Gefühle auffangen kann, denn ich bin wie sie, niemand anders kann so sein, wir sind gänzlich eins.
Spürst du, lieber Venry, was das bedeutet?
Wir sind wie zwei Blüten gleicher Farbe und gleichen uns, wie das Junge und seine Mutter sich gleichen.
Wie zwei Sterne.
Wir sind im Fühlen und Denken eins, obwohl ich andere Eigenschaften besitze.
Für sie lebe ich, sie lebt für mich, und wir beide dienen.
Durch mich wird sie atmen, Venry, denn sie spürt mein Herz, mein ernstliches Wollen, so dass unsere Dankbarkeit groß ist.
In ihr sehe ich das Leben in Gestalt, wir beide gehen darin über, sind jedoch nunmehr auf dem Weg, bereits seit Jahrhunderten auf dem Weg, lieber Venry, weil wir uns vergessen haben.
Die Erde ist groß, mein Freund, die Natur ist wundervoll, ein funkelnder Sternenhimmel überwältigt uns, doch diese Liebe, mein Freund, übertrifft alles.
Ich bin absolut nicht eitel, wenn ich sage, mein Freund, dass wir beide alles besitzen, und dieses „Alles“ heißt, dass uns der gesamte Raum gehört.
Doch ich bin noch nicht bereit, Venry, und auch sie nicht, und deshalb mussten wir uns trennen.
Wenn du meinst, dass das für mich Strafe bedeutet, so will ich dir das gerne erläutern.
Denn das Gegenteil trifft zu, Venry, Dectar hat das in eigenen Händen.
Und dennoch überkommt mich Verzweiflung.
Wenn ich sie auf der Erde sehe, dann bin ich furchtsam, denn sie ist sehr reich und von hoher Abstammung, und ich bin lediglich ein armer Priester.
Du spürst es sicher, lieber Venry, in mir ist Zweifel, und das ist sehr schlimm.
Doch wenn sie auf der Erde und sehr reich ist, und dieses Wissen nicht in ihr ist, dann muss ich warten, bis sie erwacht.
Denn sie muss wissen, dass ich es bin, und sie muss sich danach sehnen, mich zu sehen.
Wenn dieses Bewusstsein in ihr ist, muss sie sich nach mir sehnen.
Das kleinste Insekt erlebt diese wundersamen Gefühle, Venry, und wir Menschen nicht?
Wenn der Raum in mir ist, kommt auch das Wissen.
Doch wenn ich mich selbst nicht verstehe, und der Zweifel mein Herz quält, schlägt es schneller und schneller und lässt meinen armen Kopf bersten.
Dann verschwimmt plötzlich alles wieder vor mir und bin ich wieder ganz ich selbst.
Dectar blickt dann auf in das lächelnde Antlitz des einen oder anderen „Gottes“, und dann senkt sich das Verstehen in mich hinab, lieber Venry, und ich fühle mich wie ein Kind.
Oh, glaube mir, lieber Freund, sehr viele Opfer brachte ich den Göttern, doch nicht immer werden sie angenommen.
Aber die Götter wissen um jede Seele, denn wir sind aus ihnen, Venry.
Willst du, wenn du Die Großen Schwingen besitzt, sie für mich suchen?
Du kannst es für mich tun, Venry, du kennst die „Wiese“, denn du warst dort.
Du wirst zugleich hinter all diese Mauern blicken, die sie umschließen, wo die Priesterinnen leben, und wo die Hohepriester hineingehen und ihr Alter in Jugend verwandeln.
Und darüber dürfen wir nichts wissen.
Doch ich möchte die Ausgelassenheit des Lamms besitzen, und die Ruhe und die Schwingen eines Raubvogels, um dann auf meinen Schwingen im Raum ausruhen zu können und von dort aus auf jene herabzublicken, die mich missgestalteten.
Wie ein König der Lüfte will ich gehen und mich selbst gänzlich kennen, sodass jeglicher Zweifel aus mir weg ist.
Ich will ihre Leidenschaften und ihre Liederlichkeit durchschauen, ebenso wie das Gewand, das sie tragen.
Sehr sicher werde ich sein, lieber Venry, wie mein Herz mir zu tun vorgibt.
Nichts schließt mich dann noch ab, und nicht einmal mehr die lichten Tore von Isis werden mich dann noch aufhalten.
Die Wildheit eines Raubtieres oder die Ruhe eines Pfades sind mir gleichermaßen lieb, doch vor allem der Raum und das Licht, zudem die Weisheit, die dort lebt und aus der wir geboren wurden.
Doch nun hör zu, Venry.
Schau, dort vor dir, Venry, im nächsten Jahr werden wir dort hineingehen können, hinauf und hinab gehen, links und rechts, und die Freude von deines Vaters Glück in uns aufnehmen.
Wer dort verweilen kann, hat das, was er in dieser Zeit erreichen wollte, empfangen, doch wird er dann ein Priester, ein Träumer und Schläfer und erlebt die Qualen des Organismus‘.
Das geht sehr tief, Venry, denn dieser Tempel ist mächtig und bekannt durch seine vielen Kräuterarten, die durch die Meisterschaft deines Vaters kultiviert wurden.
Wenn du jemals hier bist, und die Götter wünschen, dass du weißt, warum diese Gärten kultiviert wurden, so gehe hinab.
Und hier lernte Ardaty deine Mutter kennen.“
„Was sagst du, Dectar?
Meine Mutter, hier, auf Isis?
Wer trug dir auf, mir das zu sagen?“
„Ardaty, mein lieber Venry.
Ich nahm Dectars Hände in meine und sah ihn an.
Dann fing ich von ihm auf.
„Die Kräuter haben nicht geholfen, Venry, sie würden ihre tödliche Wirkung nicht vollbringen, denn Ardaty war ein Meister.
Du solltest leben, mein Bester, und du lebst, nicht wahr?
Wir müssen nun sehr vorsichtig sein.
Gib also gut Acht, ich spüre etwas, und es kommt zu uns.
Das alles musst du wissen, Venry.“
„Meine Mutter war eine Priesterin und ich ihr Kind?“
„Habe ich dich nicht vorbereitet, Venry?
Würde ich dir sonst mein Herz ausschütten?
Aber wusstest du es nicht schon vor langer Zeit?
Dein Vater brachte sie weg von hier, und sein Herz war bereit, deine liebe Mutter zu empfangen, und den großen Schmerz mir ihr zu tragen.
Er gab ihr ein neues Leben, von dem die Liebe der Raum ist, und von dem ich dir erzählte.
Auch sie sind gänzlich eins.
Die Geduld und die Selbstbeherrschung musst du nun aufbringen, wenn du ihr folgen und deines Vaters Segen empfangen möchtest, wenn du das Geheimnis deines eigenen Lebens kennenlernen willst.
Es ist die Sorge, die deine Mutter um ihren Jungen trug, und das wird die Kraft sein, welche die Götter dir schenken.“
Eine tiefe Rührung ergriff mich.
Dectar fuhr fort:
„Wie kann deine Seele gerührt sein, lieber Venry, wo du jetzt die Wahrheit empfängst?
Du kannst dich nur dankbar zeigen; wissen zu dürfen und darin du selbst zu bleiben ist das, was sie wünschen.
Denn siehe, mein Freund, siehe in die Natur und wisse nun, dass ich mich verbergen muss.
Du musst mir folgen, Venry.“
Nach kurzer Zeit sagte Dectar zu mir, wenngleich als ein völlig anderer Mensch:
„Es droht immer Gefahr, Venry.
So, nun ist es etwas ruhiger, aber es war sehr ernst, das Folgen und Suchen meiner Seele.
Doch siehe dort, Venry, hinab.
Eines Nachts hörte ich im Raum den Gesang eines Nachtvogels.
Er brach die nächtliche Stille.
Kannst du mir folgen?
Auch das musst du wissen.
Lausche, Venry, lausche nun diesem Gesang, lieber Freund, und dein Herz kommt zur Ruhe, und es kann kein Hass in dir sein.
Denn Hass tötet, Hass vernichtet die stärkste Persönlichkeit und lässt sie sich selbst vergessen, und man verliert seinen Verstand.
Doch die Wasser schlossen sich über einen Körper, lieber Venry, und sie war tot, aber nicht dieser Körper, sondern das Geschehnis; die Nacht wich dem Tag, doch sie, die das verschuldet hatten, fanden sich selbst wieder.
Wisse, mein Lieber, dass einer wacht, dass einer für uns fühlt und denkt, und der wird meine lahme Schwinge heilen.
Dafür wirst du die Kräfte empfangen, um das alles bereits jetzt verbergen zu können, sonst werden wir mit Blindheit geschlagen.
Und denk an die „Wiese“ und suche sie, wenn du fühlst, was ich fühle; mein Herz kommt dann zur Ruhe.
Folge mir nun weiterhin, Venry, sie kommen wieder.
Siehe dort, in der Tiefe, ich werde dir zeigen, wovon ich vorhin erzählte.
Spürst du es, Venry?“
„Ja, Dectar, man folgt uns, aber ich bin im Raum.
Sie suchen uns, und wir werden uns selbst verlieren, wenn kein Widerstand in uns ist.“
„Wenn wir unsere Mauer nicht hätten, Venry.“
„Ist dort unten mein Geheimnis, Dectar?“
„Wer auch nur dort hinsieht, lieber Venry, dem folgt man bereits.
Über diese Stelle wachen sie Tag und Nacht, doch das wird dir erst später klar werden.“
Plötzlich wandte Dectar sich um und zeigte nun auf das Gebäude, streckte die linke Hand aus und sagte:
„Du siehst dort den Meister, Venry, hinter den Mauern.
Doch du kannst hindurchsehen.
Die Toten sprechen, und die Herzen flehen um Vergeltung.
Ein Schwert kann schärfer nicht sein als die Gefühle, die durch Reue erweckt wurden.
Hinter den Mauern, im Tempel der Isis, wirst du viele Geheimnisse entdecken.
Doch dort ist kein Licht, Venry, nichts als Finsternis.
Einst werden alle Toten wiederauferstehen und hier die Herrschaft innehaben, doch dann werden wir die „Wiese“ sehen und erreicht haben, oder wir sind weitergegangen, um unser eigenes Erwachen zu sehen, zu fühlen und zu erfahren.
Meine Worte sind nicht kraftvoll genug, um das auszudrücken, was in meiner Seele lebt, aber du kannst mir folgen und es wahrnehmen.
Wahrlich, lieber Venry, an diesem Morgen ist mein „Ich“ dazu verdammt, zu hören, was die Toten zu sagen haben, aber ein anderes Mal wird die Liebe fern von mir sein und ich wieder ganz ich selbst.
Wenn der Tag kommt, Venry, werde ich alles wissen dürfen und du wirst mir sagen, ob meine Schwinge geheilt werden kann, denn ich fühle, wie mein Glück sich nähert.“
Dann fragte er sehr unvermittelt:
„Sag mir, lieber Venry, warst du einst auf der „Wiese“?
Ach, sage mir nichts, ich weiß, dass du dort warst.
Du siehst, wie gefährlich die Liebe ist, denn mein Kopf ist sehr verwirrt.
Ich frage nach etwas, von dem ich die Antwort bereits kenne.
Und das ist nicht erlaubt, für uns Priester ist das sehr gefährlich.
Übrigens wird dir klar sein, dass mein Pfad nicht begehbar ist, ich gehe immer über Höhen und Tiefen, und jedes Mal stürze ich, und die Unvorsichtigkeit bricht meinen alten Körper.
Als du besessen warst, warst du auf der „Wiese“.
Ich habe dir folgen können.
Dort werde ich ihr einst begegnen, denn zwischen Leben und Tod kann man gut ausruhen, aber man muss wissen, wie man nach Hause zurückkehrt, und der Weg ist lang, sodass ich mich verirren könnte.
Du findest, dass ich sehr niedergeschlagen bin, ich weiß, aber in der Finsternis brauchst du auch sehr viel, an das du denken kannst.
All diese Gefühle werden dir helfen, denn wer dort leer hineingeht, kommt verdorrt wieder heraus.
Dectar kennt alle Ängste, die in ihnen waren, sodass das Gehirn es nicht mehr zu verarbeiten vermochte und die Seele erstickte.
Blind kommen sie aus der finsteren Hölle und wissen nicht mehr, ob sie leben oder tot sind.
Und das nur, Venry, weil sie nicht vorbereitet waren.
Sie hatten keine Vorstellung von der Finsternis, obwohl ich ihnen alles darüber erzählte.
Aber du bist vorbereitet und bereit, schon jetzt bereit, deine Seele ist voll von Glück und Geheimnissen, in dir leben der Tod, die Dunkelheit und das Licht, und du wirst sehen, wer meine Schwinge gelähmt hat, obwohl ich auch viel darüber weiß.
Doch du siehst klarer.
Und ist es dann so unnatürlich, dass Hass in mir ist?
Ich hasse jene, die mich missgestalteten und meiner Seele die natürliche Wirkung nahmen.
Es ist alles andere als angenehm, denn ich habe in dem Raum gelebt, und ich war im Besitz Der Großen Schwingen.
Ich bin trübsinnig und komme immer wieder darauf zurück, Venry, aber du musst mir verzeihen, mein Herz ist voll davon.
Aber die Dinge, die geschehen müssen, werden wir beide erleben, und du solltest besser vorher alles darüber wissen, sodass es nicht zu spät ist.
Dieser Ernst wird dich stärken und kräftig machen.“
„Kannst du mir noch mehr sagen, Dectar?“
„Frag mich, Venry, was ich weiß, werde ich dir sagen.“
„Bin ich hier geboren?“
„Nein, Venry.“
„Ich verstehe dich, Dectar.
Ist Ardaty mein Vater?“
„Nein, Venry.“
„Hast du irgendeine Vermutung, Dectar?“
„Ich weiß nichts, Venry, jetzt noch nichts.“
„Dann verstehe ich, was meine Mutter meinte.
Weißt du, Dectar, als ich besessen war, umgab dich und meine Eltern ein dichter Schleier, und darin sah ich den Meister nicht.
Dieser Schleier verbarg dich und meine Eltern, und ich sah es sehr deutlich.
Weißt du davon?“
„Ja, Venry, ich weiß es.“
„Du weißt alles, Dectar?“
„Nein, Venry, aber das weiß ich.
Ich sah, dass du damit verbunden warst.“
„Hast du meine Mutter deshalb so durchdringend angesehen, Dectar?“
Dectar lächelte, doch gab mir keine Antwort, woraufhin ich fragte: „Und der Hohepriester, Dectar?“
„Hast du nicht gesehen, Venry, dass er abgeschlossen wurde?“
„Von wem, Dectar?“
„Ist dir das nicht bekannt?“
„Ist mein geistiger Leiter bereits so lange bei mir, Dectar?“
„Du kannst sehr dankbar sein, Venry, für uns alle bedeutet es großen Schutz.“
„War es Furcht, Dectar, was meine Eltern empfanden?
Mein Vater verhielt sich so sonderbar.“
„Kannst du dich in die Gefühle zweier glücklicher Seelen hineindenken und sie spüren, Venry, Seelen, die ein großes Geheimnis und ihr eigenes Glück tragen?
Das ist es, was ihr Leben ausmacht und wodurch sie alles und alles besitzen.
Wenn ich zurückdenke, lieber Venry, und alles vor mir sehe, sehe ich meinen eigenen Tod.“
„Ich werde nichts mehr fragen, Dectar, vielleicht später.
Ich bin dir sehr dankbar, auch für das, was du für meine Eltern tatest.
Vielleicht dürfen wir dereinst alles wissen.
Was wird mit mir nach der Dunkelheit geschehen, Dectar?“
„Dann wirst du den Tod kennenlernen, und du musst dich damit vertraut machen.
Wenn du sehr große Fortschritte gemacht hast, ist es nicht nötig, doch wir werden abwarten.“
„Kenne ich den Tod denn nicht, Dectar?“
„Ganz sicher, Venry, aber manchmal empfangen wir diese Erlebnisse, wodurch wir uns sehr schnell entwickeln, doch ich werde mich darauf einstellen und ich kann dir morgen vielleicht mehr erzählen.
Wisse jedoch, lieber Venry, dass es sehr lehrreich ist.
Und sei jetzt wieder sehr vorsichtig, oder die Würmer zerfressen bereits vorher dein Herz, und dann müssen all diese Dinge nicht geschehen.“
Wir gingen eine Weile weiter und waren beide in Gedanken versunken.
Dann sagte Dectar:
„In all jenen Jahren, in denen ich hier bin, Venry, habe ich noch nicht auf diese Weise sprechen können und ich bin jetzt sehr glücklich, dass alles aus mir verschwunden ist; jetzt kann ich ein neues Leben beginnen.
Du wirst nun einen anderen Dectar kennenlernen.
Es kommt wieder Licht in mich, und das ist deinetwegen, Venry.“
„Was meinst du mit den anderen Mauern, Dectar?“
„Du wirst die unsichtbaren Mauern der Isis kennenlernen, nicht diese, sondern andere, durch die noch niemand, kein Priester, gegangen ist.
Das Geheimnis wirst du erblicken, dir darüber mehr zu erzählen, ist mir nicht möglich, denn es kommt zu viel in dich, und das ist nicht gut.
Doch habe ich alle Hoffnung, Venry, in dir sind diese Gaben.
Wir müssen uns nun für die Prüfung bereit machen, und du wirst gewogen.
Aber du bist bereit, nicht wahr, Venry, sonst müssten wir fortfahren, und ich möchte jetzt allein sein, ganz allein, um meine Traurigkeit am Wesen der Dinge zu prüfen.
Wenn ich dann zu dir zurückkehre, siehst du mich anders, aber dann ist die Salbe, welche die Götter mir geben, in mein Wesen gedrungen und alle kranken Stellen darin sind geheilt.
Sollte ich in meinen Gebeten sehr klar sein, Venry, wird meine Seele gesunden, denn dann berühre ich die Realität.“
„Was meinst du mit gewogen werden, Dectar?“
„Das wirst du sehen, Venry.
Man wird deiner Konzentration folgen.
Mittlerweile sind wir wieder in die Nähe des Tempels gekommen.
Vergiss alles, Venry, bitte.
Mach dich nun vollkommen leer, nachher kehrt alles wieder in dich zurück.
Du solltest jetzt nur an dich denken.“
Dectar ging fort, und ich betrat meine eigene Zelle.