Cris, der hat in seinem Kopf Augen wie Himmel

Am anderen Morgen will Crisje von ihrem Langen wissen, warum er am gestrigen Tag so früh nach Hause kam.
Hendrik gibt jedoch keine Antwort.
Seine Gedanken verweilen irgendwo anders.
Er macht sich Sorgen um seine Crisje.
Es dauert ihm viel zu lange.
Wenn das bloß keinen Ärger gibt.
Crisje versucht, ihn zu beruhigen und zu überzeugen, dass er sich darüber keine Sorgen zu machen braucht.
Das regelt die Natur schon.
„Fühlst du denn überhaupt nichts, Cris?“ fragt er doch noch weiter.
„Was ist fühlen, Hendrik?
Ich fühle so viel, mehr, als ich wissen will.“
Als Hendrik neben ihr sitzt und sie ihren Kaffee trinken, kommen sie von Gefühl zu Gefühl zur Einheit.
Der Lange lacht innerlich und Crisje fühlt das.
„Warum lachst du, Hendrik?“ klingt es aus dem Bett.
„Ich habe gerade an etwas gedacht, Cris.
Wenn er kommt, nicht wahr, will ich ihn mit Musik empfangen.
Ich werde Geige spielen.
Und wir werden singen.
Ich sage dem Quartett Bescheid.
Peter, Gerrit und Jan müssen kommen.“
„Aber nicht, dass du viel Aufhebens deswegen machst, Hendrik.
Mein Gott, du bist jeden Augenblick anders.
Das kann ja was werden!“
„Na, was denn?
Ich singe für ihn!
Und das ist alles.
Wir werden es lustig haben.
Vor allem, wenn es ein Junge ist.“
Plötzlich fragt Hendrik: „Woher weißt du jetzt so sicher, Cris, dass es wieder ein Junge ist?“
„Das sind Frauensachen, Hendrik.
Ich weiß nicht, ob andere Mütter es auch fühlen, aber ich habe es.
Ich habe dir bei Johan und Bernard doch auch gesagt, dass wir Jungen kriegen.
Aber jedes Kind ist wieder anders.
Bei Johan konnte ich ja nicht arbeiten.
Ich wollte nur sitzen und saß Tag und Nacht und träumte.
Wie ist Johan jetzt?
Genauso.
Als Bernard kam, hatte ich keine Ruhe mehr.
Das Kind war in mir schon wild, und hat Bernard je Ruhe, Hendrik?
Das Kind sitzt keine Minute still.
Der braucht das ganze Haus.
Aber warum ich das so weiß?
Ich denke, dass es das Kind ist.
Das Kind liegt unter dem Herzen, das Kind kann denken, glaube ich.
Das Kind wird so dann und wann wohl zur Mutter sprechen, fühle ich; ob es so ist, weiß ich natürlich nicht!
Aber jetzt was anderes.
Willst du zu Trui anders werden?
Du würdest mich damit so glücklich machen.
Willst du das probieren?“
Der Lange schenkt ihr diese Freude.
Jetzt kommt er plötzlich in Bewegung, er weiß noch nicht, ob er weggehen soll oder nicht.
Dieses Warten macht ihn verrückt und unschlüssig.
Heute ist Samstag, schon der halbe Tag herum, und es kann jeden Augenblick geschehen.
„Was soll ich tun, Cris?
Soll ich lieber zu Hause bleiben?“
„Du gehst ruhig arbeiten, Hendrik.
Ich spüre noch nichts.
Mina sagt, vielleicht morgen.
Ob das so ist, müssen wir abwarten.
Es kann vielleicht noch eine Woche dauern.“
„Das fehlt noch, Cris, dann werd ich ihm was erzählen!“
„So, willst du ihm was sagen.
Und hast du gedacht, Hendrik, dass du was zu sagen hast?
Das ist in der Hand Unseres Lieben Herrgotts und wir Menschen müssen die Finger davon lassen!
Was du tun kannst, ist, dafür zu sorgen, dass Geld ins Portemonnaie kommt.
Nicht mehr und nicht weniger.“
Die Gedanken des Langen fliegen zu tausend Dingen gleichzeitig.
Als er beschlossen hatte, nicht zur Oper zu gehen, entstanden in seinem Gehirn sofort andere Pläne, um sein mäßiges Einkommen aufzubessern.
Gerade in jenen Tagen traf Hendrik bei Hent Klint einen Mann, der sich mit dem Vergrößern von Porträts beschäftigte und Hendrik das Angebot machte, Vertreter für ihn zu werden.
In fünf Minuten war die Sache besiegelt.
Crisje fand, es sei ein Ausweg, merkte jedoch bald, dass der Lange Abend für Abend unterwegs war und sie auf ihre wunderbaren Stunden mit ihm verzichten musste.
Aber gut, er hatte schon sechsunddreißig Gulden verdient und das war eine sehr willkommene Ergänzung für den Haushalt.
Aber sie trauerte innig um die Stunden, die sie sonst zusammen im Schein der Lampe verbrachten.
Die Stunden des herrlichen Zueinanderkommens und das Genießen der Nähe des anderen, was das Leben für sie zu einem himmlischen Paradies machte, die sind unvergesslich für Crisje.
Sie will natürlich nicht klagen, trotzdem betrachtet sie die Abende als einen großen Verlust in ihrem Leben.
Sie muss auf sehr viel von ihrem Glück verzichten und das eigene Glück ist doch alles im Leben.
Zwar wird das Leben natürlich etwas einfacher durch diese Vergrößerungen, doch hat sie ihre Einheit, ihre Ruhe und das Einssein mit dem Mann, den sie von ganzem Herzen liebt, verloren.
Vielleicht unbewusst kommen ihre Gedanken wieder zueinander.
Denkt Hendrik auch an die Porträts?
Crisje fragt: „Musst du heute Abend los, Hendrik?“
„Ja, Cris, ich muss mich um zwei Bestellungen kümmern.“
„Das ist schade, Hendrik.“
„Das schon, aber vielleicht bekomme ich sie alle beide und kann dich wieder glücklich machen.“
„Geht das nicht auch in der nächsten Woche, Hendrik?“
„Es ist ziemlich gut, Cris.
Acht Gulden, dafür muss ich mich ein paar Tage krumm machen, ist dir das klar?
Und jetzt habe ich es in einer Stunde Reden verdient.
Und du kannst das Geld gut gebrauchen!“
„Weiß ich, Hendrik, das ist schön und gut.
Ich begreife dich.
Aber du bist nun keinen Abend mehr zu Hause.“
„Wenn ich dir jetzt sage, Cris, dass ich gleich wieder zurück bin?“
So ist der Lange.
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.
Hendrik geht weg.
Crisje denkt nach.
Den ganzen Tag über denkt sie weiter nach.
Es ist, als ob das Kind sie zwingt, ihrem Leben und den Dingen, die sie so dann und wann innerlich fühlt, zu folgen.
Die Stille ist wieder in ihr und spricht zu ihrem Leben.
Sie bekommt dadurch schöne Gedanken und sie könnte dadurch schweben, so schön ist es.
Crisje könnte jetzt sagen, wie die Engel fliegen.
Auch sie fliegt so dann und wann durch die Gefühle des Kindes.
Es ist kaum zu glauben, trotzdem ist es so.
Sie hat so etwas noch nicht oft in ihrem Leben erlebt.
Früher manchmal, als sie noch ein Kind war.
Sie kann sich noch deutlich daran erinnern.
Ihr Vater lachte sie dann aus und auch Mutter begriff es nicht.
Dennoch schwebte sie und bewanderte dann eine andere Welt.
Es ging wie von selbst.
Darum war auch jede Geburt anders.
Männer haben dafür kein Verständnis und man kann es ihnen auch nicht klar machen.
Crisje denkt, dass es jetzt mit Jeus zu tun hat.
Dieses Geschehen ist himmlisch für sie.
Sie kann, das weiß sie ganz sicher, dadurch inniger beten.
Es ist, als ob sie schwebt, und doch liegt sie hier im Bett und wartet.
Schmerzhaft ist es auch.
Aber das wiegt nicht schwerer als das Gefühl, das alles in ihrem Leben beherrschen will.
Sie ist sehr dankbar dafür.
Das Kind ist es!
Das Leben ist es!
Wenn es nicht so ist, lügt die Natur.
Aber ist das möglich, Lieber Herrgott?
Ist das möglich, Hendrik?
Ich würde für kein Geld der Welt darauf verzichten wollen, schickt Crisje nach oben.
So unglaublich ist das, was ich jetzt erleben darf.
Wie anders war es bei den anderen Jungen.
Bei Johan ging es nicht voran.
Das Leben in ihr zwang sie zum Sitzen.
Bernard schlug alles kurz und klein drinnen und war ein wilder Mann.
Schau einmal Bernard an.
Kann die Natur in der Mutter sprechen?
Man braucht nicht darauf zu lauschen, es spricht anders.
Es geht durch das Blut zu den Nerven, es steigt bis ins Gehirn und dann geschieht es.
Du willst sprechen, aber du kannst nicht.
Schweigen ist jetzt das Allerbeste; denken, dem Gefühl folgen.
Stille ist es, es wird ganz still in dir und um dich herum.
Und das durch ein ungeborenes Kind?
Crisje begreift dieses ungeborene Leben nicht.
Es ist da und es ist nicht da!
Es lebt und es will nicht geboren werden.
Sie ist schon lange über die Zeit, aber ist das möglich?
Dieses Kind ist dicht bei ihr und hat – sie will sich nichts einbilden, aber Hendrik wird es sehen – alles von ihrem Charakter.
Und dies ist das Unbegreifliche und das nah beieinander Sein von Mutter und Kind.
Man kann es jetzt schon wissen!
Wenn man das Gefühl dafür hat, sonst merkt man es nicht.
Es ist äußerst schwierig, solche Gedanken zu übersetzen.
Crisje weiß, eines Abends stand sie einfach neben sich selbst, außerhalb ihres Lebens.
Sie hat sich darüber erschrocken und der Lange lachte darüber.
Gemächlich kehrte sie wieder in ihr Leben zurück.
Sie fand, es sei ein Erlebnis, das man nicht jeden Tag erlebt und wofür man Unserem Lieben Herrgott danken kann.
Eine gesegnete Zeit ist es, kein Tag geht vorbei, da sie nicht etwas anderes erfährt.
Ja, es kann nicht anders sein, „Jeus“ ist es!
Wie seltsam, wiederum fühlt sie, wie sie mit ihrem Kind zur Einheit kommt.
Was will dieses Leben nur?
Fordert es jetzt schon alles von dieser Welt?
Ja, Crisje, das tut es, doch es wird dieser Welt auch alles von sich geben.
Dieses Kind besitzt eine andere Persönlichkeit.
Es ist anders als die beiden anderen, und es wird dir demnächst die Beweise schenken.
Die Jungen springen jetzt aus dem Bett.
Johan hilft seinem Brüderchen Bernard, so gut es eben geht.
Etwas später steht Trui in der Küche.
„Guten Morgen, Cris, ist noch nichts?“
„Nein, Trui, es dauert dieses Mal lange.
Ich verstehe es ja eigentlich auch nicht mehr.
Ich warte mal wieder auf Mina.“
Trui räumt auf, kocht frischen Kaffee und hat den Langen vergessen.
Auch Trui lernt, sieht Crisje, und das stimmt sie glücklich.
Und dann ist Mina auch wieder da.
„Und, Crisje?
Noch nichts?
Sapperlot noch mal, das kann ja was werden.
So etwas habe ich noch nicht erlebt.
Du wirst dich ganz schön verrechnet haben.
Aber ja, schauen wir mal.“
Mina geht den Symptomen nach.
Aber sie weiß noch nichts, sie kann den Prozess nicht verändern.
So betrachtet ist alles in Ordnung.
Auch der Doktor ist pünktlich.
„Guten Morgen zusammen.
Wie geht es, Crisje?“
„Nichts, Doktor, nichts!
Ich fühle nicht, dass es weiter geht.“
„Dann heißt es abwarten, weiter ist nichts zu machen.“
Weg ist der Herr.
„Was ist das bloß für ein Mann, Crisje“, sagt Mina.
„Merk dir, Cris, der hält es hier draußen nicht aus.
Irgendwas ist mit ihm, aber ich komme nicht dahinter.
Ich kenne meine Pappenheimer, aber bei ihm weiß ich nicht, woran ich bin, das gebe ich ehrlich zu.“
„Recht hast du, Mina“, pflichtet Crisje bei.
„So manchmal bewirkt man mit einem Wort mehr als mit Tausend Gulden.“
Als Mina weg ist und Trui mit Crisje dieses und jenes besprochen hat, steht jemand anders vor Crisje und fordert etwas von ihrem Leben.
Es ist Frau De Man, eine unansehnliche Person, die auch neben ihnen wohnt.
„Guten Tag, Crisje.“
„Guten Tag, Frau De Man.
Wie geht es Ihnen?“
Eigentlich will Crisje mit dieser Frau nichts zu schaffen haben, denn in ihrem Hause wird unheimlich viel getrunken.
Sie leben dort wie die Schweine, und jeden Samstagabend wird gestritten und gelärmt.
So toben sie dort.
Dem Weib fehlt ein Auge, was sie mit einem schwarzen Tuch verdeckt.
Die Kinder haben davor Angst.
Niemand will etwas mit ihr zu tun haben.
Aber was tut man, wenn sie einem ins Haus spaziert?
Crisje probiert immer, sie auf den rechten Weg zu bringen, doch das gelingt nicht.
Sie sieht sie zu wenig.
Trui findet, das Menschlein sei eine Hexe.
Will sie etwa wieder Geld leihen?
Von Crisje bekommt sie jetzt nichts.
Trui passt schon auf.
Der Lange sagte neulich noch:
„Wenn etwas getrunken werden muss, kann ich das selbst am besten.
Ich arbeite nicht für Säufer.
Denkst du daran, Cris?“
Hendrik hörte damals, dass sie Geld gegeben hatte.
Und er meinte es ernst!
Sie sollte nicht noch einmal probieren, solche Dinge zu tun.
Was hat sie damals für Ärger bekommen.
Jetzt wird sie vorsichtig sein.
Crisje weiß schon, warum die „Säuferin“ kommt, aber sie bekommt keinen Cent!
Sie lässt sich nicht noch einmal betrügen.
„Und, wie geht es, Crisje?“
„Was soll ich dazu sagen, Frau De Man.
Es dauert dieses Mal lange.
Wir können daraus nicht klug werden!“
„Das ist verständlich“, druckst dieses menschliche Drama herum und schielt mit dem einen Auge auf die Schachtel mit den Papieren, in der sich auch das Geld befindet.
Crisje denkt: „Sie hat natürlich wieder Durst!
Sie will einen Schnaps.“
Die Kinder sind aus der Küche gerannt, so unmenschlich ist dieses unscheinbare Leben für einen anderen.
Sie ist wie ein altes Männchen, findet Crisje.
Mit welchen Gedanken läuft so ein Mensch den ganzen Tag herum?
Was spielt sich in seiner solchen Seele ab?
Crisje weiß, es ist nicht viel Besonderes.
Es ist auf Dunkelheit und Verdruss abgestimmt.
Lieber Himmel, wie können Menschen so leben.
Gibt es denn nichts anderes auf der Welt, als das Verlangen nach einem Schnaps?
Haben die Menschen keine anderen Gedanken?
Können sie nie an ein Gebet und an Unseren Lieben Herrgott denken?
Haben diese Seelen denn nie Ehrfurcht vor dem schönen Leben?
Meinen diese Seelen, dass es kein Fegefeuer gibt?
Trui werkelt etwas in der Küche und ist jetzt dort nicht hinaus zu kriegen.
Crisje fühlt es schon, sie wird jetzt ängstlich überwacht.
Trui steht nun ganz auf der Seite von Hendrik.
So ist Trui, sie nimmt das, was am nächsten ist.
Ob sie jetzt auch Recht hat?
Cris weiß es nicht.
Was hat das Weib hier zu suchen?, denkt Trui.
Sie würde sie vor die Tür setzen, aber hier hat sie nichts zu sagen.
Gleich, sobald die Säuferin weg ist, wird Crisje es jedoch noch zu hören bekommen.
Trui sorgt dafür, dass sie in der Nähe bleibt.
Sie kennt ihre Schwester und weiß genau so gut wie diese, dass das Weib Geld braucht und nur deswegen gekommen ist.
Ihre Frage, wie es geht Crisje geht, nimmt Trui hin wie ein Bettler einen halben Cent.
Die Frau schlürft den ihr angebotenen Kaffee und denkt sichtlich nach, wie sie anfangen soll.
Aber Crisje wartet nicht darauf und wird ihr schon helfen, denn sie hofft immer noch, diese Seele aus ihrem Elend herausziehen zu können.
„Was war am Samstag wieder für ein Theater bei euch, Frau De Man.
Hier bebten die Stühle.
Warum kannst du das Saufen nicht lassen?
Fang doch ein anderes Leben an!
Willst du denn später in die Hölle kommen?
Willst du denn für immer dort schmoren?
Es gibt doch noch so etwas wie das Fegefeuer.
Weißt du das nicht?“
Die Frau lässt sie ruhig schwätzen und lässt die heilige Predigt über sich ergehen.
Sie sagt nichts, denkt aber noch immer nach, und wartet den geeigneten Augenblick ab.
Sie will sich wohl ändern, aber was kann sie denn mit diesen Säufern anfangen.
Dann beginnt sie:
„Ich bin auch nur eine Frau, Crisje.“
„Willst du mir weismachen, Frau De Man, dass du saufen musst?
Willst du mir weismachen, dass du saufen musst, weil die Kerle das wollen?
Das kannst du deiner Großmutter erzählen.
Ich sage dir etwas anderes.
Du trinkst selbst gerne Schnaps!
Das ist es!
Du kannst den Schnaps nicht stehen lassen.
Du willst saufen!“
Crisje sieht, dass aus ihrem verbliebenen Auge eine Träne quillt.
Sie hat Mitleid mit der kaputten Frau.
„Du willst mir doch nicht weismachen, dass es dir leidtut?“
Jetzt kommen natürlich jämmerliche Klagen über die verbissenen Trinkerlippen, denkt Crisje.
Es ist eine Schande.
Aber das Weib wittert ihre Chance und jammert:
„Ich hab seit Tagen nichts mehr zu essen gehabt, Crisje.“
„Das ist ziemlich klar.
Theet wird sich hüten, sein Geschäft wegen eurer Trinkerei kaputt zu machen!
Natürlich kannst du da nichts mehr anschreiben lassen.
Willst du ein Brot haben?“
Oh Crisje.
Denkst du wirklich, dass diese Seele Hunger hat?
Fällst du zum so-und-sovielten Mal darauf rein?
Was interessiert diese Frau ein Butterbrot.
Und jawoll, da hast du es schon.
„Kann ich eine Mark von dir leihen, Crisje?“
„Willst du eine Mark haben?
Glaubst du etwa, dass wir keine Sorgen haben?
Wofür brauchst du die Mark?“
„Für die Miete, sie rennen mir die Tür ein.“
„Dann musst du dafür sorgen, dass du euer Geld nicht versäufst.“
„De Man, der behält ja alles für sich, Crisje.
Was soll ich anfangen?
Was soll ich tun?
Ich bin doch nur eine Frau.
Ich tu alles, aber es hilft nichts.
Ich habe schon ein neues Leben angefangen!“
Trui verfolgt das Gespräch, muss aber zur Scheune; die Schweine quieken.
Sie müssen gefüttert werden.
Crisje findet es der Mühe wert, ihre Nachbarin zu einem anderen Leben zu bringen.
„Hörst du das, Frau De Man?
Das hättest du auch haben können.
Warum sparst du nicht jede Woche ein paar Cent, dann kannst du Schweine kaufen!“
„Sie haben die Schweine ja verkauft, um zu trinken.“
„Das ist alles schön und gut, aber du trinkst genau soviel.“
„Kann ich die Mark kriegen, Crisje?
Ich werde sie so schnell wie möglich zurückgeben!“
Crisje wird schwach.
Die Frau bekommt ihre sechzig Cent.
Rasch verschwindet das Geld in ihrer schmutzigen Tasche, denn Trui ist wieder da.
Diese weiß nicht, dass sie gerade zu spät kommt, und Crisje hütet sich wohl, ihr zu erzählen, dass die Säuferin ihr wieder eine Mark abgeschwatzt hat.
„Sag“, herrscht Trui sie an, „hast du nichts anderes zu tun?
Cris muss ruhen.“
Besser könnte es nicht laufen.
Frau De Man geht schon weg.
Jetzt hat sie es eilig!
„Auf Wiedersehen, Crisje.“
„Auf Wiedersehen, Frau De Man, möge es Ihnen gut gehen.“
Die Frau schlurft zur Tür hinaus.
Sie findet schon ihren Weg.
Nach hinten hinaus, durch das Gatter und sie ist zu Hause.
„Hast du dem Weib wieder Geld gegeben, Crisje ?“
Jetzt muss Crisje lügen, das ist für sie etwas Furchtbares.
Dafür kommt man ins Fegefeuer.
Aber ja, hätte sie zulassen können, dass man die Frau auch noch aus ihrem Haus warf?
Sie hat keine Zeit, nachzudenken.
Trui fragt erneut:
„Du wirst der Säuferin doch kein Geld geben, Cris?
Das ist das Schlechteste, was du tun kannst.“
Es kommt immer noch keine Antwort.
Crisje denkt einen Moment nach.
„Nein“, kommt dann bedrückt über ihre Lippen, „so verrückt bin ich nun auch wieder nicht.“
Aber Trui kennt ihre Schwester.
Sie merkt, dass Crisje mit ihren Worten zögert.
„Ich glaube dir nicht, Cris.
Es ist eine Schande.
Hendrik muss dafür viel zu schwer arbeiten.
Und jetzt hilfst du dem Schlechten auch noch.“
Crisje, das wird gefährlich!
Trui steht auf Hendriks Seite.
Jetzt musst du vorsichtig sein, sonst hast du heute noch ein Haus voll Streit.
„Das ist wahr, Trui.
Du hast recht, aber von mir“, und jetzt meint Crisje es ernst und es kommt aus der Tiefe ihres Herzens und kriecht ganz tief aus ihrem Innersten hoch, denn sie hat eine schreckliche Sünde auf sich geladen, „bekommt diese Person keinen Cent.
Ich müsste doch verrückt sein.
Hendrik muss dafür viel zu schwer arbeiten.
Und man kann doch die Trinkerei nicht auch noch unterstützen?
Was ist es doch für ein armes Geschöpf.“
Trui ist jetzt spürbar milder gestimmt, sie kann es jedoch nicht lassen, ihrem Herzen noch kurz Luft zu machen.
„Diese Menschen sollte man wegsperren.
Das sind Menschen, die das Leben nicht verdient haben.
Dann kannst du ja jedem Gauner helfen.
Aber das ist zu verrückt, oder? Das ist ja, als spiele man mit Unserem Lieben Herrgott.“
Crisje fühlt das Unaufrichtige bei Trui, wenn sie sich auf diese Art und Weise auslässt.
Sie weiß ja viel zu gut, dass sich ihre Schwester nur sehr wenig um Unseren Lieben Herrgott kümmert.
Oh, was hat sie sich jetzt wieder für Sorgen aufgehalst.
„Mein Gott“, denkt sie, „wie viel habe ich jetzt wieder zu beichten.“
Trui ist beschäftigt und Crisje tut so, als ob sie schläft, denn sie will nachdenken.
Sie will mit sich selbst im Reinen sein, wenn Hendrik nach Hause kommt.
Dem Herrn Pastor wird sie alles beichten.
Aber was habe ich falsch gemacht, forscht sie bei sich selbst nach.
Was hätte ich denn sonst tun oder sagen sollen?
Jetzt hat sie ihr Gewissen mit zwei Lügen belastet und das wegen dieser hässlichen Säuferin.
Ja, aber weiß sie denn so sicher, dass das Weib sie betrog?
Hat Frau De Man tatsächlich wieder Lügen erzählt?
Vertrinken sie die Mark wirklich wieder?
Ihr ist wieder mulmig zumute.
Nein, ich habe doch etwas Falsches getan, beschließt sie letztendlich.
Ich hätte ihr kein Geld geben dürfen.
Und ich mache es immer schlimmer.
Jetzt lüge ich noch aus Angst, dass Trui es dem Langen erzählen wird.
Wer ist jetzt schlechter, erwägt Crisje, Trui oder Frau De Man?
Trui ist auch nicht aufrichtig.
Sie meint nicht, was sie sagt.
Jetzt führt sie noch Unseren Lieben Herrgott an, aber der hat in ihrem Leben keine andere Bedeutung als die Angst nach dem Tod.
Man wäre sich gern sicher in Bezug auf Truis Seelenleben, aber das ist nicht möglich.
Sicher, Trui geht zur Kirche, betet und tut ihre Pflicht, aber Crisje kennt das.
„Worauf bin ich da wieder reingefallen“, seufzt Crisje.
„Wie kannst du mir das nur vergeben, Lieber Herrgott?“
Stunden gehen vorbei.
Trui denkt, dass Crisje herrlich ruht.
Sie hätte schon längst essen müssen, aber Trui lässt sie schlafen.
Crisje hat jedoch kein Auge zugetan.
Ihr bricht der kalte Schweiß aus, so hat es sie mitgenommen.
Und gleich kommt Hendrik.
Der sieht auf den ersten Blick, wenn etwas mit seiner Frau los ist.
Sie muss mit sich selbst im Einklang sein, wenn sie Hendrik in die Augen sehen will, und wahrscheinlich ist es das Beste, alles ehrlich zu beichten, denn es wird unerträglich.
Was hätte sie nun dürfen und was hätte sie lassen sollen?
Eines weiß sie, sie hätte Frau De Man keinen Cent geben dürfen, und sie wird es in ihrem ganzen Leben auch nicht mehr tun, oder sie muss es verantworten können.
Aber, wenn Frau De Man die Mark nun wirklich für die Miete brauchte.
Hätte sie ihr die Mark dann geben dürfen?
Auch falsch, weiß Crisje, denn sie muss selbst sorgen, dass sie mit ihrem Geld auskommt.
Aber die Kerle versaufen es, das weiß sie auch.
Frau De Man bekommt also nichts, hat hieran keine Schuld.
Das ist in Ordnung!
Nur muss sie noch erwägen, ob sie diesen Leuten helfen darf.
Und etwas später, es jauchzt etwas in ihr, sie weiß es jetzt ganz genau.
Sie hätte dies nicht tun dürfen, sie hilft diesen Leuten jetzt, schlecht zu sein.
Also dann kaputt, sie wollen es doch nicht anders!
„Cris?“
Crisje schläft noch.
Trui lässt sie liegen; sie braucht jetzt Ruhe.
Crisje ist fern von dieser Welt.
Sie lebt wieder in jener schönen Welt, in der sie nachdenken kann.
Die Dinge, an die sie denkt, kommen rein und klar zu ihrem Leben.
Es scheint, als ob ein anderer sie für sie erdenkt.
Das, was sie fühlt, wird ihr zugesendet.
Aber sie war immer eine Denkerin.
Ihr Charakter steht offen für Gerechtigkeit, offen für frommes Gefühl, offen für häusliches Glück und vor allem dafür, sich mit den Mitteln, die man hat, selbst zu helfen.
Fliege nicht zu hoch und bilde dir nichts ein, es gibt noch immer den Lieben Herrgott, der alles von dir weiß.
Jetzt kommen ihr die Gedanken, wie sie hätte handeln müssen.
Während dieser Ruhe ist sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie Fehler gemacht hat.
Trui spielt ein gefährliches Spiel, sie ist schlechter als Frau De Man.
Ja, sie ist schlecht, sie trinkt, ist ein Weib, eine Säuferin, ist schmutzig und hässlich, sie ist alles, was schlecht ist.
Aber Trui?
Pfui, Trui, das hätte ich nicht von dir gedacht.
So habe ich dich noch nicht gekannt.
Sie faselt jetzt von Unserem Lieben Herrgott und stellt sich neben den Langen, aber was will Trui?
In ihr lauert Verrat.
Frau De Man kann man von außen und innen betrachten, sie steht nackt vor einem.
Aber Trui trägt eine fürchterliche Maske!
Als es dunkel wird und Trui die Lampe anzünden muss, bekommt Crisje wieder Gefühl in ihren Gliedmaßen.
Sie war ein Stück von dieser Welt entfernt.
Sie war irgendwo und nirgendwo, und doch weiß sie, wie sie zu denken hat, und Trui hat es zu akzeptieren.
Es ist kein Wunder, dass sie keine Kinder bekommt.
Sie spielt mit der Heiligkeit, sie läuft an Unserem Lieben Herrgott vorbei und sieht Ihn nicht!
Dann steht der Lange auf einmal wieder in der Küche, und das ganze Haus ist mit seiner Persönlichkeit gefüllt, und alles läuft wieder, denn der Lange wird respektiert.
Auch die Jungen wissen, dass der Vater nicht einfach ist.
Das Erste, was er Crisje fragt, ist immer:
„Klagen über die Jungen?
Gibt es Klagen, Cris?“
Crisje braucht nicht zu denken, dass sie dem Langen etwas vormachen kann.
Er sieht alles mit einem Blick.
Er weiß, dass Crisje nicht lügen kann.
„Nein, Hendrik“, kommt es abends, „ich habe keine Klagen wegen der Jungs.“
In diesem Klang liegt etwas, lebt etwas, was dem Langen nicht gefällt.
Aber er wartet etwas, Trui geht weg.
Als der Lange da ist, wird Trui unruhig.
Keine Sekunde hält sie es bei ihm aus.
Weg ist Trui, morgen kommt sie zurück.
„Ist noch etwas, Cris?“
„Nein, Trui, Hendrik wird schon für mich sorgen.
Ich dank dir, es kommt schon alles in Ordnung.“
„Nichts zu danken, wenn du mich brauchst?“
Trui ist noch nicht zur Tür hinaus, da fragt der Lange schon:
„Ist etwas, Cris?“
Crisje, die Zeit braucht, um das Gespräch mit dem Langen zu beginnen, weicht der Frage aus und sagt:
„Du fragst ja gar nicht, was mit Jeus ist, Hendrik?“
„Das hab ich schon gesehen, Cris.
Das weiß ich.
Aber war etwas mit Trui?“
„Nein, Hendrik, da war nichts; nichts war da.
Trui kümmert sich um alles.“
„Aber du hast etwas, Cris.
Was ist es, was hast du?“
Ja, jetzt muss sie wohl reden.
Aber wie anfangen?
Hendrik wartet, er wartet auf der Bettkante.
Er schaut Crisje direkt in die Augen, und wenn das geschieht, wenn die funkelnden, kohlschwarzen Augen auf sie gerichtet sind, kann Crisje nicht mehr denken.
Der Lange hat in seinem Kopf Augen wie glühende Kohlen.
„Was ist?
Was hast du?“
Jetzt muss sie schnell mit ihren kleinen Sorgen herausrücken, die dennoch Ehrfurcht gebietende Probleme für sie sind.
„Was soll ich dir sagen ...“, fängt sie an.
„Ja, was soll ich dir sagen.
Ich bin es, Hendrik.“
„Was bist du, Cris?“
„Ich habe falsche Dinge getan, Hendrik.
Wirst du nicht böse auf mich sein?“
„Was hast du, Cris?“
„Die Säuferin war hier, Hendrik.“
„Hast du ihr Geld gegeben?“
Jetzt wird der Lange wirklich böse.
Er schimpft, dass man es draußen hören kann.
Nur kurz, dann kommt er zum Bett zurück und fordert sie auf:
„Erzähl mal, Cris.“
„Das ist so, Hendrik.“
Sie beichtet jetzt ehrlich.
Der Lange schaut sie an, und dann weiß er schon Bescheid.
Er hätte sie links und rechts küssen können, aber das darf er nicht tun, sonst gibt Crisje alles weg, und das kann der Lange nicht erlauben.
Als Crisje fragt:
„Bist du böse auf mich, Hendrik?“, passt der Lange sich schnell wie der Blitz an die Feinfühligkeit ihres Herzens an.
„Nun hör mal, Cris.
Ich sag dir nichts mehr, du musst selbst wissen, was du zu tun hast.
Ich sag dir, du musst das Schlechte nicht unterstützen.
Das ist alles.
Aber versuch das nie wieder, Cris, sonst schmeiße ich das Geld auf die Straße.“
Hendrik drückt seinen Engel, küsst sie heftig und Crisje fällt ein Stein vom Herzen.
Jetzt noch der Pfarrer und dann ist alles wieder im Reinen.
Wie ist es möglich, was hat sie doch gelogen, und wie einfach bekommt der Teufel einen in den Griff.
Es wird nicht noch einmal passieren, verspricht sie dem Lieben Herrgott.
Ich sah ihn.
Ich sah das Biest.
Ich werde künftig aufpassen.
Nach dem Abendessen fängt der Lange an, sich zu langweilen und schlägt Crisje vor, etwas für sie zu spielen.
„Cris, soll ich das Ave Maria für dich spielen?
Willst du mich hören, Cris?“
„Das weißt du doch, Hendrik.“
„Dann kann er kommen, Cris.
Wenn er mich spielen hört, kommt er schneller.
Er muss unsere Musik hören, Cris.“
Der Lange packt seine Geige aus dem Kasten.
An die Kaffeekanne wird das Ave Maria gelehnt.
Die Geige ist gestimmt.
Da klingen schon die ersten Töne, der Lange hat angefangen.
Crisje hört zu, sie genießt ihre Liebe.
Sie fühlt sich wohl, sie ist glücklich.
Was hat ihr Langer doch für Gaben.
Singen kann er, musikalisch ist er, sein Quartett, die Jungen, alles läuft prima.
Es könnte nicht besser sein.
Sie folgt den Tönen und sie summt mit dem Langen mit.
Was sie fühlt, ist lauter Glück.
Crisje kann es fast nicht ertragen, Tränen des Glücks rollen über ihre Wangen.
Aber die letzten Töne des Ave Maria sind noch nicht verklungen, da springt er auf.
„Herrje, Cris, ich muss weg.
Ich muss wegen der Bilder weg.“
Crisje fühlt sich mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurückgeworfen.
Wie kann Hendrik doch einen Menschen so erschrecken.
Eigentlich weiß man keine Sekunde, woran man mit ihm ist.
Tausend Dinge schießen ihm gleichzeitig durch den Kopf.
Und schon ist der Lange weg, er wirft ihr einen Handkuss zu.
In zehn Minuten ist er wieder zurück.
Die Tür fällt ins Schloss.
Crisje ist allein.
Sie hört nichts mehr außer einem Knall und Geknarre.
Es ist, als ob ein Himmel einstürzte.
Sie zittert davon.
Jeus klopft hindurch, er tritt, als ob das Kind hörte, dass der Lange mit seinem schrecklichen Temperament die Ruhe und das Glück dem Hund an den Schwanz band und das Tier auf die Straße jagte.
Was für ein Schreck.
Crisje hat wieder Zeit zum Nachdenken.
Wie wild Jeus ist.
Auf diese Weise hat ihr das Kind noch nicht zugesetzt.
Ihr wird schlecht davon.
So drückt Jeus sich hoch.
„Was ist das?
Was ist das? fragt Crisje.
„Hast du ihn wirklich spielen hören?“
Crisje lauscht andächtig nach ihrem Kind.
Es ist, als ob dieses ihr jetzt schon Antworten auf ihre Fragen gibt.
Nein, das ist es nicht; auch das Kind hat sich erschrocken.
Es sagt ihr, dass sie eine Empfindsamkeit trägt, die sie noch nicht gekannt hat.
Dieses Kind reagiert mit ihr auf alles, was sie hört und fühlt.
Als sie heute Mittag so ruhig war, bewegte auch Jeus sich nicht und hielt still.
Wenn sie jetzt an ihre Schwangerschaft all diese Monate zurückdenkt, kommt sie zur Entdeckung, dass Jeus immer auf ihre Gedanken und Gefühle regiert hat, und dass das Kind alle ihre Gedanken übernommen hat.
Das ist schon merkwürdig, denkt sie.
Es ist ein Beweis für sie als Mutter, dass das Leben in ihr ebenso empfindlich ist wie sie selbst.
Das Kind hört nicht auf zu strampeln, es ist unruhig geworden.
Eine Stunde geht vorbei.
Der Lange ist noch nicht da.
Jeus tritt weiter und kommt nicht zur Ruhe.
Will er jetzt geboren werden?
Nein, das ist es nicht, Crisje fühlt nichts.
Es gibt keine Symptome, die darauf hinweisen.
Als die Uhr zehn schlägt, steht der Lange wieder in der Küche.
„Jetzt wirst du sicher böse sein, Cris, aber dann sage ich dir: Ich habe acht Gulden verdient.
Ist das was?
Und guck mal, was ich hier habe?
Wenn er geboren wird, trinken wir davon.
Bist du böse auf mich, Cris?“
„Warum musst du jetzt wieder einen Schnaps haben, Hendrik?“
„Willst du denn diesen Tag so vorbeigehen lassen?
Mein dritter Junge und keinen Schnaps?
Das würde ich mir nie vergeben wollen.
Mach dir mal keine Sorgen, es kommt alles in Ordnung.“
Crisje gibt nach.
Hendrik tut sein Bestes, gute Gedanken darf man nicht zerstören.
Als der Lange fragt, wie es geht, bekommt er den Fall zu hören.
„Ja, Hendrik, ich sag dir, dieses Kind hat etwas, das Johan und Bernard nicht haben.
Du lieber Himmel, was hat der getobt.
Gerade bevor du nach Hause kamst, ist er wieder eingeschlafen.
Das ist Überempfindsamkeit, Hendrik.
Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, hat er mich immer gepackt und ließ mich fühlen, dass er verstand, was los war.“
„Er hat sicher etwas von mir, Cris“, vermutet der Lange.
Crisje gibt ihm jedoch Antwort, und dann weiß er, woran er sich zu halten hat.
Resolut kommt da:
„Nein, Hendrik, der hat nichts von dir, nichts!“
Dies muss eben verarbeitet werden.
Crisjes Sicherheit bringt ihn aus seinem Gleichgewicht.
„Warum hat er denn nichts von mir, Cris, wie kannst du das einfach so wissen?
Du tust so, als ob du die Wahrheit gepachtet hast.“
„Das ist alles gut und in Ordnung, Hendrik, ich weiß es.“
„Kannst du denn durch deinen Bauch sehen?“
„Das hat mit sehen nichts zu tun.
Dieser hat nichts von dir, denn er hat alles von mir selbst.“
„Das ist Professorengeschwätz, zum Kuckuck!“
„Du kannst damit machen, was du willst, später wirst du mir doch zustimmen müssen, du wirst schon sehen!“
„Das ist deine reinste Psychologie, Cris.
Aber davon habe ich keine Ahnung.“
Crisje muss wegen des Fremdwortes von Hendrik lachen, aber sie hat noch was.
„Wie es heißt, weiß ich nicht.
Ich habe davon auch keine Ahnung, aber hör zu, was ich dir sage.
Dieser kommt nach mir, der ist genauso, wie ich bin, der hat ... wie soll ich es sagen?“
„Also?
Mach weiter, Cris.
Woher weißt du das?“
„Wie ich das weiß, Hendrik, kann ich selbst nicht verstehen, aber ich weiß es.“
„Aber wodurch, Cris.
Dafür muss es doch einen Grund geben?“
„Ich weiß es nicht, Hendrik, aber du wirst es schon sehen.
Dies ist ein anderes Kind; dies Kind ist anders als die beiden anderen.
Ich fühle es.“
Der Lange kann nicht schlau daraus werden.
Aber Crisje denkt nach.
Sie ist reicher geworden, und sie würde diese Stunden für kein Geld der Welt missen wollen.
Das Gefühl lebt in ihrem Wesen.
Es kriecht durch ihr Blut, es steigt ihr zu Kopf und klopft unter ihrem Herzen.
Es ist Licht.
Es ist Leben!
Es ist Leben, und es ist Liebe.
Ein feines Gefühl ist es, Ruhe und Frieden ist es, ja, reines Glück.
Das Gefühl kann sprechen und es sagt nichts.
Davon haben Männer, denkt Crisje, keine Ahnung und das werden sie nie lernen.
Es ist mit Worten nicht zu erklären und doch, es ist eine Welt, ein Raum.
Es kann durchaus Unser Lieber Herrgott sein, aber das ist zu weit weg und von Menschen nicht zu begreifen.
Sie denken dann unmittelbar an religiösen Wahnsinn, und das ist es bestimmt nicht!
Es spricht, fühlt Crisje, und doch sagt es kein Wort.
Die Lippen bleiben geschlossen.
Nur das Herz kennt den Umfang und man kann dadurch schweben.
Man kann in den Raum hineinfliegen.
Man ist wie ein Vogel in der Luft, aber gleichzeitig Mensch, und du bist jung, ganz jung.
Du trägst ein schönes, sehr schönes Kleidchen, schöner als Crisje jemals eines getragen hat.
Was ist es nur?
Und soll der Lange hiervon nichts besitzen?
Nein, hiervon besitzt er nichts, überhaupt nichts.
Crisje wird darüber nachdenken.
Hendrik ist es davon schwindelig geworden.
Er will noch zur Geige greifen, aber Crisje findet es zu spät.
Sie will sein Gekratze jetzt nicht mehr hören.
„Dir zittern ja jetzt die Finger.
Du hättest keinen Schnaps trinken sollen!“
Dagegen kann der Lange nichts einwenden.
Crisje hat recht, er hat den Abend ordentlich verdorben.
Aber er brachte Geld in die Kasse, und das macht vieles gut.
Einen Augenblick später löscht er die Petroleumlampe und streckt sich neben seiner lieben Cris aus.
Ganz kurz berührt er ihren mütterlichen Leib; dann, als ob der Lange „Jeus“ gute Nacht ... sagen will, hört Crisje ihn schnarchen und er sägt die ganze tiefe Nacht an Stücken und Brocken, um dann am Morgen wieder, wie Crisje das schon Jahre mitmacht, wie der fröhliche Frühling zu erwachen und die Blumen für sie ins Wasser zu stellen.
Was ist der Lange doch für ein guter Kerl.
Wirklich herrlich war es, diese sanfte Berührung; Crisje weiß genau, was in seinem Kopf vorgeht.
Sie kennt ihn wie sich selbst und wie die vielen Menschen Unseres Lieben Herrgotts, die aus diesem heiligen Kontakt zusammen eine seltsame Sache machen und alles von Ihm zum Teufel schicken.
Der Mensch ist so oft schuld an seinem Unglück.
Wenn du etwas hast und du hast unrecht, weiß Crisje, musst du den Nacken beugen.
Danach kannst du wieder weiter und neu anfangen.
Dann bekommst du Blumen in allen Farben von Unserem Lieben Herrgott, einfach so neben dich in eine Vase gestellt mit der Herzlichkeit, dem Verstehen und dem Akzeptieren, wie das Leben nun einmal ist.
Glückseligkeit ist es.
Aber man muss dafür beten.
Ohne Gebet bekommst du nichts!
Wie schön ist das Leben doch.
Es ist still im Haus.
Crisje wacht, sie kann nicht schlafen.
Sie denkt an das, was sie hat fühlen dürfen und erfährt nochmals das Einssein mit ihrem Kind.
Johan träumt.
Bei ihm geht es um Schnee und den Klapperstorch.
Auch Johan hat viel von ihr.
Bernard ist wie sein Vater.
Johan ist ruhig, der wird Schwierigkeiten bekommen, da er ein Mutterkind ist und den ganzen Tag an ihrem Rockzipfel hängen will.
Bernard braucht schon jetzt keinen Rockzipfel mehr!
Der saugt sich voll mit dem täglichen Spaß, wovon Johan oft das Opfer ist.
Und jetzt kommt Jeus.
Hör Johan doch schreien, denkt Crisje.
Was sich nicht alles in einem Kind abspielt.
„Schlaf weiter, Johan!“, ruft Crisje ihrem Ältesten zu, und Johan, der nicht wach ist, aber auch nicht schläft, legt sich wieder hin und ruht.
Weg ist Johan.
Ein anderes Stück Leben von Crisje, von dem sie weiß, jetzt schon, dass dieses Kind es im Leben schwer haben wird.
Vier Jahre ist Johan, vier Jahre erst.
Wer schenkt dir doch alle diese Gewissheiten, Crisje?
Du wirkst ja wie eine Psychologin!
Crisje hört es drei Uhr schlagen, und sie ist noch wach, sie denkt und fühlt noch.
Hendrik schläft und träumt laut.
Crisje könnte ihm jetzt Wort für Wort entlocken, so laut träumt er.
Die Kinder haben das auch von ihm.
Beide träumen laut und fliegen manchmal aus dem Bett und wollen dann spielen und das tun, woran sie an dem Tag die meiste Freude hatten.
Was ist träumen eigentlich, fragt sich Crisje.
Wie verrückt sich Menschen doch im Schlaf verhalten können.
Bernhard träumt jetzt schon.
Und wenn er träumt, schlägt er Johan, der neben ihm schläft, aus dem Bett.
Crisje denkt oft über das Träumen nach.
Johan träumt meistens ruhig.
Bernard träumt wild, wie auch sein Charakter ist.
Johan wieder anders.
Bernard wie der Lange!
Manchmal muss Crisje den Langen wecken, sonst würde sie mit einem blauen Auge, gebrochenen Armen und Beinen, mitten in der Nacht vom Bett ins Krankenhaus umziehen müssen.
Aber das geschieht nur, wenn der Lange heftige Dinge zu erleben hatte.
Damals, als er zur Oper gehen sollte, war es ganz schlimm.
Mitten in der Nacht sprang er dann auf; stand mit seinen langen Beinen aufrecht im Bett und gab eine Arie zum besten.
Unten am Grintweg konnten die Leute ihn dann hören.
Die ganze Nachbarschaft wusste es und erzählte es Crisje am nächsten Morgen.
Heute Nacht hatte Crisje wieder ein Konzert erlebt, was?
Crisje lachte dann nur, aber es war schrecklich.
Man konnte Hendrik nicht wach kriegen, so hatte der Traum ihn im Griff, und er sang, dass die Wände wackelten.
Es war eigentlich zum Lachen, aber Crisje machte sich trotzdem Sorgen.
Der Lange war dann nicht mehr zu bändigen, und sie konnte mit dem großen Körper nichts anfangen.
Hendrik selbst lachte darüber, er wusste nichts davon.
Und jetzt, dem Herrgott sei Dank, war der Lange ruhig und schlief wie ein Murmeltier.
Nur das Schnarchen, das Holzsägen, störte etwas.
Aber auch sie wird gleich einschlafen.
Sie wollte noch ein wenig nachdenken.
Was ist Nachdenken doch schön, findet Crisje.
Denken ist großartig.
Denken ist Glückseligkeit.
Während dieser Schwangerschaft, weiß Crisje, hat das tiefe Denken begonnen.
Noch nie vorher hat sie herrlich denken können.
Sie sehnt sich danach, dass sie einen Moment allein ist.
Tagsüber bekommt sie keine Möglichkeit dazu und gleich, wenn sie sich wieder eingefügt hat, wird sie keine Sekunde Zeit haben, zu denken, zu fühlen und zu verfolgen, was in ihr lebt, denn von dort kommt es und bekommt sie es!
Nirgendwo anders her!
Es lebt in ihr und ist ein Teil ihres Herzens.
Es spricht und sagt nichts!
Es ist so, als ob es nicht von dieser Welt wäre.
Wie schön ist das Nachdenken.
Crisje betet!
Sie dankt Unserem Lieben Herrgott für die schönen Dinge des Tages, das Glück, das sie heute wieder empfangen durfte.
Das Glück des Langen, der Kinder und Trui, die so gut zu ihr ist.
Und ob der Liebe Herrgott sie vor dem Lügen beschützen wolle, denn das wird ihr nicht mehr passieren.
Schlimm, ganz schlimm ist das!
Dann schlummert sie ein und verliert ihr Gefühl.
Die Maschine hat das Recht übernommen, für sich selbst zu denken und zu arbeiten.
Der innerliche Mensch sinkt tief weg.
Wohin ...?
Was ist schlafen, Crisje?
Was geschieht, wenn ein Mensch einschläft?
Dies, meine liebe Crisje, ist ein großes Problem für die ganze Welt.
Dies ist den größten Gelehrten ein ebenso großes Rätsel.
Aber was ist dies?
Das wird Jeus erklären.
Der wird durch sein Denken dieses große Rätsel lösen und an die Menschheit weitergeben, wie ein Geschenk, eine Blume Unseres Lieben Herrgotts!
Jeus ... Jeus ... Crisje, wird es für dich und diese Menschheit tun!
Fühlst du die Stille, Crisje?
Dieses Denken kommt aus diesem Leben zu dir.
Er ist es!
Dieses Leben denkt!
Dieses Leben spricht mit dir.
Auch jetzt, da deine Augen zu sind, auch jetzt, da du schläfst, ist dieses Kind wach.
Die Seele, liebe Crisje, schläft nie!
Sie kann nicht schlafen!
Sie ist immer wach, da sie von Gott ist, und Gott arbeitet immer, ewig!
Er beschäftigt sich dauernd damit, für „Sein“ Leben zu denken!
Ist es nicht seltsam?
Und doch ist dies die Wahrheit, Crisje.
Jeus wird dir diese Weisheit schenken.
Noch ein Weilchen und du hast ihn.
Du kannst ihn dann an dein Herz drücken.
Diesen, den unseren.
Diese Seele, die alles von dir hat und nichts von Hendrik?
Dieser, Crisje, hat alles von euch beiden!
Dieser muss alles von dir und dem Langen besitzen.
Erst jetzt erscheinen in diesem die Kraft, die Begeisterung und die große Empfindsamkeit von dir selbst.
Siehst du, Crisje, so ist Jeus, so wird dieser sein, für dich und für sich selbst und für diese Welt, für die er kam!
Jeus wird dich denken lehren.
Du wirst ein großartiges Leben empfangen, wenn du es begreifen willst!
Schlaf jetzt, ruhe; gleich kommt Jeus.
Keine Sekunde zu früh oder zu spät, denn diese Seele gibt sich selbst das Licht!
Weil da jemand anders ist, der ihn dazu befähigt.
Siehst du denn nicht, Crisje, dass es ein Licht gibt, das dieses Leben beobachtet und wach gemacht hat?
Dadurch fliegst du!
Dadurch sprichst und denkst du!
Dadurch gehst du in den Raum!
Dieses Licht, liebe Crisje, ist es, dem Jeus während seines irdischen Lebens folgen wird.
Die Seele ist jetzt wach, war es bereits, als du zwischen dem dritten und vierten Monat das Leben fühltest.
Seltsam ist es, nicht wahr?
Aber notwendig für Jeus!
Schlaf und ruhe jetzt, auch dafür sorgt dieses Licht, das du als „fühlen“ empfinden kannst und das nicht verstofflicht werden wird.
Liebe ist es!
Glück!
Frieden!
Eine Glückseligkeit, Crisje!
Mina hat gestern gesagt:
„Cris, sei nur ganz ruhig, morgen kommt er.
An einem Sonntag noch dazu.
Und das ist Glück.
Du wirst mir recht geben!“
Daraufhin ging Mina.
Sie bekommt recht.
Heute wird das große Wunder geschehen.
Heute Abend, sieben Minuten vor zehn, hörst du den ersten Schrei von Jeus.
Das weiß man im Raum, Crisje.
Die Leute hier wissen davon nichts.
Nur Mina, die fühlt es, da sie ihr Leben und ihre Seele für Kräfte öffnet, von denen der Gelehrte noch nichts versteht, da er nicht über den sechsten Sinn verfügt, so wie sie.
Sie weiß es aber, Crisje.
Jeus kommt, sieben vor zehn, und es ist ein Sonntagskind.
Ein Kind, ein Leben, Crisje, das Glück bringen und Augen wie Himmel haben wird.
Als der Morgen dämmert, erwacht Hendrik.
„Und, Cris, wird heute etwas geschehen?“, fragt er seine Liebe, die mittlerweile auch wach geworden ist.
„Ich denke, ja, Hendrik.
Ich glaube es.“
„Dann müssen wir noch etwas Geduld haben, Cris.
Da bleibt uns nichts anders übrig.
Ich koche Kaffee und dann geht’s zur Kirche.
Ich werde heute Morgen singen, sodass der Pfarrer predigen kann, wie er es noch nie in seinem Leben getan hat.“
Nach einer Schmusepartie stürzt er aus dem Bett, zündet den Ofen an, kocht herrlichen Kaffee, und dann dürfen auch die Jungs aufstehen.
Johan will schon helfen.
Bernard muss die Finger von allem lassen, denn er macht sonst nur alles kaputt.
Die Jungen bekommen zuerst Liebkosungen von ihrer Mutter und dürfen danach beim Vater am Tisch sitzen.
Sie genießen die Köstlichkeiten, die der Lange ihnen bereitet hat, aus vollen Zügen.
Johan schmeichelt: „Vater, was hast du für einen leckeren Kaffee gekocht.“
„Höre doch nur, Cris, der fängt jetzt schon an zu schmeicheln.“
Johan schaut zu seinem Vater auf, der wie ein Baum über dem Kind aufragt.
Als Bernard Johan jetzt vorhält, er solle nicht so schmeicheln, ist die Sonntagsruhe bereits wieder gestört und der Streit im vollen Gange.
Der Lange hört zu und weiß wie Crisje, dass Bernard Johan wieder bedrängt.
Der Älteste hat nichts mehr zu sagen.
Bernard ist ihm völlig überlegen.
Der Lange kann es nicht lassen, Crisje noch zu ergänzen:
„Der hat doch aber alles von mir, Cris.
Und der andere?
Den darfst du haben!“
Crisje weiß, dass ihr Mann recht hat.
Deswegen sagt sie nichts.
Aber der Lange verlangt eine Antwort und fragt sarkastisch: „Und, Cris?
Hast du nichts zu sagen?“
„Was soll ich dazu sagen, Hendrik.
Es scheint ja, als ob du Spaß daran hast!“
„Soll ich dir was sagen, Cris?
Ja?
Na ja, wir haben ehrlich geteilt.
Der eine hat alles von dir und der andere gerät nach mir.“
„Ach, Hendrik.
Es sind ja noch Kinder!“
„Du auch, Cris, ich auch, wir sind Kinder, und wenn ich kein Kind mehr sein kann, dann schneide ich mir die Kehle durch.“
Das geht für Crisje wieder zu weit.
Wie kann Hendrik so früh am Morgen bereits über solche Dinge reden.
Sie weiß nicht, was sie darauf antworten soll.
Ablenkend sagt sie daher:
„Du musst dich auf die Kirche einstellen, Hendrik.“
Der Lange lacht schallend.
Noch lachend gibt er von sich:
„Willst du mir auch noch sagen, wie ich zu denken habe?
Die Kirche dauert mir schon lange genug.
Soll ich mich schon vorher heilig machen?
Nein, Cris, ich singe doch.
Ich werde heute Morgen schreien, dass sie es in Emmerich hören können.
Ich habe Lust dazu!
Ich werde sie schon packen.
Der Herr Pfarrer wird Spaß daran haben.
Und ehrlich, Cris, es ist so, als würde heute etwas geschehen.
Was denkst du?“
„Gut möglich, Hendrik, auch ich habe das Gefühl, dass etwas passieren wird.
Aber man kann nie wissen!“
Der Lange ist fertig.
Trui war in der ersten Messe und kommt jetzt herein.
Crisje ist versorgt und die Jungen spielen.
Einen Augenblick später steht Mina in der Küche.
„Guten Morgen, Hendrik.“
„Hallo Mina.“
„Geschieht auch nicht jeden Tag, dass ich dich sehe, was?“
„Finde ich auch, Mina.
Wie ist es, bekommst du kein Eigenes mehr?“
Der Lange und Mina stehen sich in nichts nach.
Sie mögen sich schon.
Beide mögen Späße, sind aus einem Holz und eines Sinnes.
Auch Mina scherzt gern.
Sie kennt den Langen und schwärmt für ihn.
Crisje bekommt oft von ihr wörtlich zu hören:
„Den, Crisje, wenn ich den hätte bekommen können, mein Gott, Cris, was für einen Mann du doch hast.
Sieh dir meinen einmal an.
Mein Gott, ich bin doch auch ein Mensch.“
Das weiß Crisje und der Lange weiß es auch.
Sie hätte einen kräftigen Kerl haben müssen.
Mina ist Gold wert.
Sie hat jedoch einen Mann, der ihr hinterher läuft wie ein Baby.
Er braucht noch immer einen Rockzipfel, und Mina findet das furchtbar.
Aber ja, er ist ein guter Mensch, ein braver, der nie eine Sünde begeht, niemals böse wird und der niemals schauen wird, ob in der Welt noch mehr lebt als er allein.
Der Lange kann es jedoch nicht lassen, Mina mit ihm aufzuziehen:
„Wie steht’s mit deinem, Mina, singen seine Kanarienvögel noch?
Du solltest ihn mit Flöhen auf die Kirmes schicken, dann können sie ihn noch einmal zwicken und du hörst noch einmal was.“
Mina lacht zwar, aber sie lässt sich das doch nicht gefallen.
Wenn der Lange denkt, dass er sie ungestraft auf den Arm nehmen kann, dann irrt er sich gewaltig.
„Du ...“, beginnt Mina, „machst immer Theater um Flöhe und Läuse, sicher hast du selber genug davon.“
„Das sitzt, Mina, ich danke dir.
Das hat wirklich getroffen.“
Schade, dass der Lange weg muss.
Er ist schon spät dran.
Mina hilft Cris.
Trui räumt auf und passt auf die Jungen auf.
„Dieser Lange!“, sagt Mina.
„Ich mag ihn!
Der lässt dich leben, Crisje!“
„Das ist wahr, Mina, er lässt dich leben.
Aber ab und zu ist es mir auch einmal zu viel.
Aber ich möchte ihn für kein Geld der Welt missen.“
„Das ist doch klar, Crisje.
Das ist doch klar, wo finden wir einen Kerl, der wie der Lange ist?
Nirgends, der ist etwas Besonderes.
Der hat ja die ganze Welt in seinem Kopf und mit ihm wirst du nie Hunger leiden!
Nie und nimmer, Crisje.“
„Das ist wahr, Mina.
Manchmal habe ich Angst vor all dem Glück in meinem Leben.
Ab und zu schnürt es mir den Hals zu, und dann bin ich ängstlich.
Es kann wohl zu viel werden.“
Crisje weint schon.
Mina sieht das und sagt: „Musst du deshalb weinen?
Du bist doch der glücklichste Mensch auf der Welt.
Sei nur ruhig, es gibt genug Menschen, die das nicht haben, und es muss doch auch die geben, die dieses Glück kennen.
Willst du wohl schnell aufhören, Crisje?
Sonst bekommst du es mit mir zu tun.“
Mina schaut!
Sie schaut lange und andächtig.
Dann fragt sie Crisje :
„Ist der Städter gestern noch da gewesen, Crisje?“
„Ja, Mina, aber von dem Mann hat man ja nichts.
Der hätte Schulmeister werden sollen oder er hätte Unseren Lieben Herrgott um mehr Gefühl bitten müssen, er ist jetzt nichts wert.“
„Das ist wahr, Crisje.
Der Mann ist auch keine Hilfe.
Aber wir brauchen ihn auch nicht.
Lass mich mal schauen.
Ich komm heute Nachmittag wieder.
Und dann gehe ich wieder weg.
Aber dann komm ich noch mal wieder.
Vielleicht gehe ich dann noch einmal kurz weg, oder ich bleibe hier und unterhalte mich ein wenig mit dem Langen.
Aber ich weiß es noch nicht.
Das ist alles.“
„Heute also, Mina?“
„Heute, Crisje!
So wahr ich Mina heiße!“
Mina geht fort.
Trui macht eine leckere Suppe für Crisje; das Leben ist wieder wunderbar.
Der Lange ist zu Hause, aber seine Ruhelosigkeit macht ihm wieder zu schaffen.
Er greift zu seiner Geige, legt das Ding etwas später auf den Schrank, stürmt zur Tür hinaus und trinkt einen Kräuterschnaps bei Hent Klink; spielt heute auch Billard, da er sonst keine Zeit dazu hat.
Hendrik hat sein Haus verloren, er weiß nicht, was er anfangen soll.
Dies ist ein Tag, den man nie vergisst!
Als Crisje ihn beobachtet und ihn hinein- und hinauslaufen sieht, hört der Lange:
„Was bist du doch für ein Hampelmann, Hendrik.
Kannst nicht abwarten, was?“
„Was sagst du zu mir, Cris?
Ich bin ein Hampelmann?
Sei nur vorsichtig, sonst erzähle ich dir etwas!“
„Ein langer Sack bist du, dass du das nur weißt“, fügt Crisje hinzu, und aus ihrem Mund klingt es wie Musik in Hendriks Ohren.
Crisje ist ausgelassen, sie fühlt sich gut, denn ein herrliches Gefühl hat ihr bewusstes Denken und Fühlen beseelt.
Aber sie glaubt sicher, dass heute etwas geschehen wird.
Es ist in ihrem Inneren so unnatürlich, so erhaben, so fein; es ist, als ob sich eine reine Blume öffnet.
Sie hört Musik, sie schwebt auch, sie kann beten und danken; herrlich ist das, was sie jetzt in sich hat und was sie die ganze Zeit hat tragen dürfen.
Hendrik findet dieses „Langer Sack“ von Crisje einfach herrlich.
Das sollte aber kein anderer probieren!
Bei einer Billardpartie hat es einer der Jungs aus dem Dorf zu spüren bekommen, als er dem Langen, der an der Reihe war, zurief:
„Jetzt du, Langer!“
Hendrik schaute ihn kurz an und fragte:
„Wer ist dran?
Wer?“
„Du, Hendrik.“
„Das dachte ich auch!“
Der junge Mann hatte bereits früher unter dem Billardtisch gelegen.
Crisje hat das Drama miterlebt.
An diesem Tag und diesem Abend nahm das Elend kein Ende.
Crisje mag keinen Streit.
Und was will Hendrik eigentlich.
Ein großer Körper ist doch keine Schande?
Hendrik empfindet es jedoch oft als Qual, er schaut über alles hinweg und verflucht häufig seine langen Stelzen.
Crisje hat ihm klar gemacht, dass er seinen langen Köper zu akzeptieren hatte.
Als sie nach Hause kamen, bekam der Lange seine Strafpredigt:
„Erlaube dir das ja nicht wieder, Hendrik, einen Menschen einfach so vom Stuhl zu schlagen.
Ist das eine Schande?
Denkst du, dass ich hier einen schlechten Ruf bekommen will?
Denkst du, dass ich einen Streithahn heiraten wollte?
Das war einmal, aber nie wieder.
Ich tu keinen Schritt vor die Tür.
Wirst du daran denken, Hendrik?“
Und heute ist der Lange so vernünftig.
Heute geht er auf solches Gerede nicht mehr ein.
Er weiß, Crisje hält Wort!
Sie würde ihn verlassen.
Der feine Charakter ist unmittelbar verschlossen für Härte und derbe Späße.
In Crisje lebt eine übernatürliche Harmonie für alles.
Sie ist eine Dame, eine „Königin“ von nie gekannter Reinheit, auch wenn sie auf Holzschuhen läuft!
Die herrliche Ruhe, die sie ausstrahlt, umringt alles, was Unser Lieber Herrgott geschaffen hat.
Wenn sie mal mit dem Langen ausgeht, was höchst selten geschieht, bekommt sie den besten Platz zugewiesen.
Die Gesellschaft empfindet es als eine Ehre, sie in ihrer Mitte zu haben.
So sehr mögen sie Crisje.
Sie konnte Hendrik durch ihre mächtige Liebe zähmen.
Und, wer dies weiß, hat heiligen Respekt vor der Seele, die immer schenkt, was für jeden Menschen, nach Crisjes Meinung, das Reinste ist, weil man dadurch Unseren Lieben Herrgott glücklich machen kann!
Wenn es für den Langen zu schwer vorstellbar wird, dann bekommt er von Crisje philosophisch zu hören:
„Das hast du selbst in der Hand, Hendrik.“
„Was selbst, Cris?“
„Das ist doch klar, du kannst dich doch bei den Menschen beliebt machen?“
Hendrik ist vernünftiger geworden.
Aber er ist streng, das wissen die Jungen auch.
Was er nachher mit den Jungen ausheckt, weiß Crisje nicht.
Durch ihre große Liebe erreicht sie, dass er alles tut, und das Leben wird ein Segen.
Hendrik kann seinen Nacken beugen, und das ist ein Geschenk für Seele und Geist.
Oh, sie weiß es so gut, die Himmel öffnen sich für das ganze Leben von Gott, wenn sich die menschliche Persönlichkeit selbst in die mächtige Ordnung fügt, denn dann handelt es sich um Einheit!
Viele Frauen würden ihren Langen gerne besitzen, aber er gehört ihr und keiner anderen!
Und für ihn ist Crisje alles, das himmlische Paradies, wie Unser Lieber Herrgott das gewollt hat und wofür Er Seine Menschen geschaffen hat!
Jetzt noch ein schönes „Kreuz“ und sie hat alles, was sie begehrt.
Warum kauft Hendrik nicht so ein „Kreuz“?
Aber auch das kommt noch; sie kann warten.
Der Lange vergisst die Dinge, er denkt nicht daran.
Aber es ist eine Wohltat, so etwas von seinem eigenen Mann tragen zu dürfen.
Crisje wäre sehr glücklich darüber, aber, wenn es nicht geht?
Wenn kein Geld da ist, um solche Heiligkeiten zu kaufen?
So ein „Kreuz“ auf der Brust empfindet sie wie einen Segen für das Leben.
Es gibt dir das Gefühl, dass du immer mit Unserem Lieben Herrgott eins bist!
Aber auch wenn ein solches Ding zehn Cent kostet, das kann heute nicht abgezweigt werden!
Sie kann auf keinen Cent verzichten.
Crisje rechnet und vergleicht, sie ist nie unvorbereitet auf das Leben.
Vor Ratenzahlungen schrickt sie zurück.
Theet, der Krämer, sagt immer „Crisje, wenn du etwas brauchst, weißt du Bescheid.“
Aber dann laufen die Sorgen dir hinterher und zerstören die tägliche Ruhe.
Sie schaffen Ärger und Not und du fühlst, dass die Leute dir nachschauen.
Noch ist das Elend tief in ihr Gedächtnis eingegraben, als Hendrik den schönen schwarzen Schal an der Tür auf Raten gekauft hat.
Ein Elend, das ihr häusliches Glück angriff und ihr heiliges Denken und Fühlen besudelte.
Die Leute fanden ihren Schal schön, aber den Gedanken, dass sie mit unbezahltem Schmuck prunkte, empfand sie als Schande für ihr Leben.
Und als die Frauen des Dorfs sie fragten, wo sie das schöne Schultertuch gekauft hatte, errötete sie vor Scham und Verzweiflung.
Es schlug ihr Seelenleben vollkommen entzwei.
Sie hat es bezahlt, sobald sie konnte, denn sie wäre imstande gewesen, das schöne Tuch in den Ofen zu werfen.
Die Disharmonie in ihrem Denken und Fühlen hätte sie nicht lange ertragen können.
Sie weiß zwar, viele Leute kaufen auf Raten und finden das ganz normal.
Ihre Seele jedoch wird dadurch gestört und beschwert.
Außerdem – dass man die Dinge so einfach holen kann, führt einen so leicht zum Abgrund eines Lebens über die eigenen Verhältnisse.
Der Kauf auf „Raten“ schneidet ihr vor Angst die Kehle zu, und das Herz fängt dadurch an zu „klopfen“.
Es stört sie beim Beten und sie kann dann keine reine Beichte erleben.
Crisje könnte nicht zur Kommunion gehen, wenn der „Pump“ sie zum göttlichen Altar begleitete.
Unser Lieber Herrgott würde sagen:
„Du kommst hier noch beichten und mein Fleisch und Blut holen, aber bist du auch wirklich rein?
Wann hörst du auf, Geld zu leihen?
Wann willst du dafür sorgen, dass du nicht über deine Verhältnisse lebst?“
Ist es nicht so?
Es wäre eine Qual für sie.
Und Hendrik kann von Glück reden, dass sie nicht so ist, denn es führt dich in einen Abgrund, aus dem du nicht mehr herauskommst!
Crisje hat schon so oft zu Theet gesagt, wenn sein Buch vollgeschrieben ist und die Menschen nicht bezahlen:
„Du verdirbst ja selbst die Leute, Theet.
Du selbst machst die Leute schlecht.“
Oh, du müsstest sie reden hören.
Wo sie diese Weisheit her hat, weiß der Lange nicht.
Jedes Wort ist natürlich und überlegt.
Crisje schwätzt nie!
Diese angeborene Psychologie hat sie von Unserem Lieben Herrgott für ihr Leben mitbekommen, so wie der Lange seine wundervolle Stimme.
Gaben Gottes sind es, die dir Farbe schenken, die dich leben lassen, wenn du weißt, wie du damit umzugehen hast!
Und das weiß Crisje.
Sie achtet darauf, dass sie rein und ehrlich die Knie beugt, wenn der Herr Pfarrer ihr das „Göttliche Leben“ austeilt!
Und das weiß der Herr Pfarrer nur allzu gut.
Darum ist Crisje ein gesegnetes Wesen!
Sie denkt und fühlt!
Sie befindet sich im Einklang mit allem und macht aus dem Leben bewusst ein Paradies.
Aber wie ist das möglich?
Sie und ihr Langer schweben hoch über den Vertierlichten in dieser menschlichen Gesellschaft.
Sie können haushalten.
Die eine Mark dreißig Miete, die sie bezahlen müssen, schenkt ihnen in vierzig Jahren den Besitz eines eigenen Häuschens.
Rechnen muss man, Tag und Nacht, und unterdessen sein Leben verbessern, sodass man einst auf einem eigenen Stückchen Grund und Boden stehen kann und dann dich selbst und das Leben „küsst“!
Probier jetzt mal so einen Kuss!
Wenn du „Geld pumpst“, schmecken sie nicht mehr!
Hier scheint die Sonne in jeder Sekunde, auch wenn es in Strömen regnet.
Winter oder Sommer, immer scheint die Sonne im Haus und in diesen Herzen guten Willens.
Das ist ihr Ensemble, durch das sie tanzen und ihren Spaß erleben.
Es sind die Perlen für ihr Leben und ihre „Orchideen“, von denen Unser Lieber Herrgott die schönsten bekommt.
Es bedeutet, sich zu verneigen und erkunden, akzeptieren und lieb haben, offen sein für alles und das Haupt beugen, wenn der andere recht hat!
Hendrik küsst diese treu arbeitenden Hände voller Freude; er weiß es.
Es ist mehr wert als „tausend Häuser“ und „eigener Kram“, der dich nicht schlafen lässt, weil man dir den „Gerichtsvollzieher“ auf den Hals jagt!
Dann eben kein „Kreuz“, kein Land, kein eigener Hof, nichts von alledem.
Nur ein paar Kaninchen und ein bisschen was im Stall.
Das ist alles, aber es bedeutet Glück!
Und dafür hat Hendrik gesorgt.
Es war etwas im Stall, es grunzte fröhlich, und demnächst gab es schönen und fetten Speck für die Jungen.
Auch herrliche Wurst – Crisje kannte das Geheimnis der Herstellung.
Sie besitzt ein angeborenes Gefühl, schmackhafte Wurst zuzubereiten.
Sie hat es nicht gelernt, es ist ihr angeboren.
Schlachten würden sie jedes Jahr, für die Kinder und für sich selbst, denn das ersparte ein Vermögen.
Ab und zu verdiente Crisje gutes Geld dazu.
Sie arbeitete für Bauer Hosman und machte Wurst für andere Leute.
So kamen sie durch und können alle bezahlen.
Mina ist wieder da gewesen.
Sie ging weg und kommt gleich zurück.
Crisje weiß, dass heute das Wunder geschehen wird.
Jetzt wird es ernst.
Hendrik weicht keinen Augenblick von ihrer Seite.
„Hier, Cris, trink dies, das kann helfen, das ist für die Nerven!“
Er wacht jetzt mit seinem ganzen langen Körper über ihr Glück und ihren Lebensraum.
Er sitzt dabei, als ob es mit dem „Tod“ zu tun hätte, so ernst ist Hendrik.
Auch wenn sie nicht an schreckliche Dinge denken, man kann nie wissen.
Es ist doch immer wieder etwas, wovor man zurückschreckt, weil es schreien oder schweigen wird.
Es passieren immer noch Unglücke; genug Menschen sind dadurch zerbrochen.
Jetzt musst du denken und dich selbst vergessen!
Du hast das Leben in den Händen oder aber greifst genau daneben!
Du stehst davor und es fliegt dahin zurück, wo es herkommt und wie du auch redest, es hilft dir nichts.
Davor musst du das Haupt beugen und ja und Amen sagen.
Es gibt nur einen, der etwas zu sagen hat!
Unser Lieber Herrgott ist es, Langer, und Er ist es auch, der dir dieses Glück schenken wird.
Als der Lange einmal von Crisje wissen wollte, was sie alles vertragen könnte, fragte er:
„Du kannst viel, Cris, das weiß ich.
Aber was hättest du getan, wenn Bernard schnurstracks in den Himmel gegangen wäre?“
Was sagte Hendrik da?
Crisje verstand ihn nicht gut.
Sie musste kurz darüber nachdenken.
Dann kam die Antwort:
„Ich würde sagen, Hendrik: Lieber Herrgott, dein Wille geschehe!
Und du weißt, dass ich an meinen Kindern hänge, aber solche Dinge müssen wir doch aus den Händen geben, Hendrik!“
Der Lange sagt: „Hiervor ziehe ich meinen Hut, Cris!“
Und dann bekam Crisje zehn ...
Hendrik fraß sie beinahe auf und zerquetschte sie beinahe, sodass Crisje schrie:
„Du langer Sack doch, musst du mich denn jetzt erdrücken?“
Wie klang das groß und festlich aus ihrem Mund.
Was für eine Seligkeit.
Crisje lässt ihn sonst immer, bei jedem Wort, das königliche „Hendrik“ hören.
Jetzt klang das „langer Sack“, als ob es aus dem Himmel käme.
Hendrik war so vergnügt darüber, dass er Crisje die Lippen zerbiss, aber das fand sie zu viel des Guten.
„Das ist zu viel, Hendrik, das ist zu verrückt, da musst du aufpassen, wir sind doch keine kleinen Kinder mehr?“ sagt Crisje, ihn tadelnd von sich wegdrückend.
Hendrik fühlt die Bremse, auf allem liegt die bremsende Kraft ihrer harmonischen Persönlichkeit.
„Cris, Cris, was bist du doch für eine Frau!“
Jetzt steht der Lange bei ihrem Leben und wacht.
Er nimmt sozusagen die Schmerzen weg, er durchbohrt ihr Leben mit seinem starken Blick; er trägt sie zur wunderbaren Stunde einer Geburt!
„Du schaffst es, Cris!“ hört die Mutter von Johan, Bernard und dem ankommenden Jeus.
„Ich bin bei dir, Cris!“
Eine Hand von Crisje gleitet von den Decken und sucht die des Langen.
Dieser Händedruck schenkt ihr eine universelle Kraft.
Hendrik fühlt das warme Leben von Crisje und küsst es!
Es ist so, als ob Maria, Josef und Unser Lieber Herrgott auch da sind!
Gott ist gut!
Gott ist immer da!
Wer Gott liebt, den wird Er segnen, und Er hat sie und ihn gesegnet.
Kein bischen Launenhaftigkeit lebt jetzt in dem langen Körper des Langen.
Das schöne und gewaltige Geschehen erhöht ihn, sodass er vernünftig und achtsam den Kopf beugt.
Er lebt in Crisjes Herzen und pumpt es voll Seligkeit; sein starker Wille umarmt sie voller Freude.
Es kann gar nicht anders sein, das neue Leben wird dies fühlen und verstehen und dadurch nachher seinen ersten Schrei hören lassen.
Hendrik hat seinen blauen Kittel abgelegt, er ist festlich gekleidet.
Wenn er wüsste, was der Raum weiß, würde er sich niederlegen und beten und Gott danken für dies, was durch ihn und Crisje einen Körper bekam!
Der Lange windet sich so schnell und glatt wie ein Aal, aber Crisje folgt ihm.
Das Licht von Crisjes Glauben erleuchtet seine menschliche Dunkelheit, in der er gleich, so wie sie es kann, in allem das Licht Unseres Lieben Herrgotts anschauen darf.
Crisje schwitzt sozusagen Blut, so schlimm ist es, aber sie lässt keine Träne laufen.
Trotzdem kommt ein Schrei, von dem sie selbst erschrickt, weil sie fühlt, dass die Kinder im Haus sind.
Und das darf nicht sein, das wird nicht geschehen.
Die Jungen dürfen das nie mehr hören!
Als Mina hereinkommt, ist weitere Hilfe des Langen überflüssig.
Doch bevor Mina da ist, drückt Crisje die Hand des Langen so kräftig, dass die Eindrücke der Nägel in seinem Fleisch zurückbleiben.
Einen Kuss von Crisje für alles, was er ihr geschenkt hat.
Stunden des Glücks haben sie zusammen erlebt, Stunden der ungeahnten Seligkeit; mächtig ist dieses Geschehen, wenn du denken und fühlen kannst und das menschliche Herz für die farbenprächtigen Blumen Unseres Lieben Herrgotts offensteht.
„Hallo Mina.“
„Hallo Crisje.
Siehst du jetzt, dass ich wieder recht habe?
Nicht mehr lange, und wir können wieder „wir danken Dir“ sagen, denn mehr als Dankbarkeit will Er doch nicht von uns!“
Der Lange geht weg.
Mina sagt: „Hol du den Gelehrten, Hendrik.“
Mina sieht, was geschehen wird.
Es ist halb zehn; die Minuten schleichen dahin; Viertel vor zehn, dann kommen die ersten Symptome und etwas später hält Mina „Jeus“ in den Händen.
Sieben Minuten vor zehn, Crisje, steht in den Sternen geschrieben, muss dieses Kind geboren werden und dies hat nichts mit Astrologie zu tun.
Aber darüber reden wir später.
Das wird Jeus dir später erzählen!
Mina betrachtet den Jungen.
Der Lange kommt zurück und sie hält ihm das Kind nahe vor das Gesicht.
Er schaut nur kurz.
Dann klingt es bewundernd von Mina:
„Cris, mein Gott, der hat in seinem Kopf Augen wie Himmel!“
Als der Doktor kommt, liegt das Kind bereits sauber und wohl in der Zitronenkiste, der Wiege, die der Lange für Jeus zusammengezimmert hat.
Der gelehrte Mann ist jetzt anders als sonst.
Auch er betrachtet den Jungen und beglückwünscht Crisje und den Langen.
Der Mann ist jetzt sehr redselig, trinkt selbst einen Schnaps mit und erzählt, wie schwer das Leben ist.
Sie fangen an zu verstehen, dass auch sein Leben nicht nur daraus besteht, Kinder auf die Welt zu bringen.
Das mächtige Leben schafft manchmal Sorgen und Not, wovon sie draußen keine Ahnung haben.
Sie können es auch nicht glauben!
Mit Verbeugungen und sehr höflich stehen der Lange und Mina vor dem Doktor und lassen ihn hinaus.
„Wie man sich doch in einem Menschen täuschen kann, Hendrik“, stellt Mina fest.
„Wer hätte das gedacht!“
Crisje sagt: „Ich dachte es mir schon, Mina, der hat Sorgen!
Dem läuft das Blut über die Lippen.
Dass ich daran nicht gedacht habe!“
Der Lange stürzt zur Tür raus.
Er kann es im Haus nicht mehr aushalten, er muss von seinem Glück erzählen, und das kann er nur bei Hent Klink.
Mina schüttelt den Kopf.
Crisje sagt beschönigend: „Lass ihn sich kurz austoben, Mina, sonst macht er hier noch meine Sachen kaputt und dann kommen wir vom Regen in die Traufe.“
„Das ist vernünftig, Crisje, du bist eine Vernünftige.“
Mina weiß solche Dinge zu schätzen.
Ihr ist bewusst, dass hier das Glück wohnt.
Sie sieht nun, wie diese Leute ihr Glück beschützen, sie weiß jedoch auch, dass jeder dafür bezahlen muss, wenn sein Leben Flügel besitzen soll, und dass es nur durch viele Rückschläge einen räumlichen Flügelschlag bekommen kann.
Aber der Lange bleibt nicht lange weg.
Er steht schon bald wieder in der Küche.
Das Dorf weiß jetzt, dass auf dem Grintweg 318 wieder das Glück herrscht.
Hendrik Rulof hat wieder einen Sohn bekommen!
Jeus ..., heißt dieses Kind!
„Was für ein schöner Junge es ist, Langer“, ... sagt Mina zu Hendrik.
„Er ist etwas Besonderes.
Darauf wollen wir trinken!“
Mina und Hendrik stoßen miteinander an.
Crisje nickt und gibt zu verstehen, dass sie in Gedanken mittut.
Als Mina weg ist, steht der Lange vor Crisje und fühlt sich wie ein Kind und weiß nicht, was er sagen soll, doch Crisje kommt ihm entgegen:
„Danke Hendrik, ich danke dir!“
Was noch nicht geschehen ist, geschieht jetzt.
Der Lange weint.
Er kann seine Tränen nicht zurückhalten.
In seinem Inneren knackt etwas, bricht entzwei.
Einer solchen Güte ist auch er nicht gewachsen.
Crisje ist unerschöpflich in ihrer Güte.
Ihre Gedanken und Gefühle sind nicht zu ergründen.
Dieses Leben ist so tief, so unermesslich groß, durch Glauben, Religion, Nächstenliebe, Verständnis, Vertrauen und Respekt vor dem Menschen, so voll von Ehrfurcht vor allem Leben, dass der Lange selbst eine Universität dadurch bauen könnte.
Der Lange weint.
Er fühlt sich wie ein Kind; er, der große, starke und sonst so selbstständige Lange, er versteht sich selbst nicht, aber doch, er weint.
Diese Cris, für alles dankt sie dir.
Da der Lange an sie dachte und sich durch sein Glück nicht vergaß, bekam er einen Dank, der direkt zu seinem Herzen ging und dort alles auf den Kopf stellte.
So etwas überfällt dich und ergreift einen Menschen.
Es ist ihr riesiges Glück, nach dem die ganze Welt schauen kann.
Und ein solches Glück ist nicht käuflich, frage nur Unseren Lieben Herrgott danach!
Der Lange kann sein Glück nicht fassen.
Ab und zu schaut er nach Jeus.
Crisje hat wiederum recht.
Crisje hat wieder gut gefühlt, Crisjes „Fühlen“ ist etwas Besonderes.
Wieder haben sie einen Jungen, und was für einen.
Als Gerrit Noesthede, einer seiner besten Freunde, der Bass des Quartetts, kurz vorbeikommt, stehen Spaß und Ausgelassenheit gleich mitten in der Küche.
Gerrit schaut nach Jeus und gratuliert Crisje.
Gerrit schaut lange und aufmerksam, zu lange und zu aufmerksam, findet der Lange.
„Was siehst du bei Jeus, Gerrit?“
„Das ist ein Rätsel, Hendrik.
Der hat was, was ich nicht habe und wovon du nichts weißt.“
Crisje genießt es.
Gerrit kann wohl oft dummes Zeug reden, er ist jedoch im Grunde seines Herzens ein vernünftiger und empfindsamer Mensch.
Außerdem ist er ein fähiger Bildhauer.
Gerrit zaubert aus Holz schöne Bilder zum Vorschein, Frauenfiguren und religiöse Darstellungen.
Gerrit ist der ewige Junggeselle, von „den Frauen“ will Gerrit nichts wissen.
Gerrit hat die verrücktesten Geschichten über seine Schwester, Hanneke, die für ihn sorgt und die er als seine Frau ausgibt.
Jedoch, Hanneke ist genauso wie Gerrit.
Einen Mann will sie nicht, Hanneke und Gerrit werden langsam zu alt dafür.
Sie sind jedoch genau so alt wie der Lange und Crisje!
Aber ihr Blut kocht noch nicht.
„Ja“, sagt Gerrit zu Crisje ... „ich sage diese Woche noch zu der Meinen, Kinder, nicht wahr! Kinder würde ich gerne haben.
Aber sie will da nichts mehr mit zu tun haben.
Und jetzt kann ich auch nichts mehr daran machen.“
Gerrit redet manchmal so, dass man schwören könnte, einen großen Frauenjäger vor sich zu haben, aber der gute, beste Mann lebt dennoch wie ein Mönch.
Er trinkt seinen Schnaps, verdient gutes Geld und lässt es sich gut gehen, jedoch ohne Frau.
Der Lange sagt über Gerrit, dass er zu viel Unsinn im Kopf hat und an ernste Dinge nicht denken kann.
Wenn du mit Gerrit ernsthafte Dinge besprichst, dann kommt doch wieder ein Scherz zwischendurch und zu so etwas ist nur Gerrit fähig.
Das kann sonst kein anderer Mensch.
Das ist Gerrit Noesthede, ein prächtiger Freund für alle, die mit ihm zu tun haben.
Sich die Stirn wischend kehrt Gerrit wieder zu Jeus zurück.
Dann kommt: „Ich glaube, dass ich zu spät geboren bin oder ich habe Sand in den Augen.
Was hat der bloß, Hendrik?“
Hendrik kann darauf keine Antwort geben.
Er beschäftigt sich mit dem Einschenken von einem Schnaps.
Crisjes Aufmerksamkeit ist bei den beiden da in der Küche.
Sie ruht jetzt wohl herrlich, aber davon, was die beiden tun und lassen will sie trotzdem nichts verpassen.
Sonntag kommt die ganze Truppe wieder zusammen, und dann kommt man wieder aus dem Lachen nicht heraus.
Dafür brauchen sie keine Kirmes.
Nur Peter Smadel hat ein ernsthafteres Wesen.
Er hat einen prächtigen Bariton und Crisje ist davon überzeugt, dass Peter und Hendrik auf der „Bühne“ sicher gut ihr Brot verdienen könnten.
Dann ist auch noch Jan Maandag da, doch der ist irgendwie das fünfte Rad am Wagen.
Sein Gesang ist laut Gerrit mehr so etwas wie die Bordüre einer schönen Tapete.
Aber sapperlot, wenn diese Bordüre fehlt, ist doch das ganze Bild verloren.
Danach gibt es noch ein paar, die das Quartett vervollständigen.
Das sind die ersten Stimmen, und der Lange ist der Dirigent.
Die Männer sieht man jedoch nie hier, sie sind nur beim Proben dabei, und das tun sie nicht hier.
Gerrit trinkt schön weiter.
Jeder Schnaps gleitet hinein mit einem besonderen Spruch und einem anerkennenden Wort.
Der herrliche Dicke schluckt und redet, schwätzt und erzählt Unsinn, dass dem Langen die Lachtränen über die Wangen rollen und ihm den Abend zu einem wahren Fest machen.
Aber schließlich hat es doch ein Ende, als Crisje, die entgegen ihrem Vorsatz etwas eingeschlummert war, aus dem Schlaf aufschreckt und fragt:
„Wie spät ist es, Hendrik?“
Gerrit bricht rasch auf.
Er wird Hanneke alles erzählen.
Hendrik legt sich neben Crisje nieder.
Es ist Nacht.
Crisje und der Lange ruhen jetzt von dem bewegten Tag.
Crisje und der Lange, diese zwei mit ihrer Glückseligkeit, die sie beinahe nicht fassen können und mit dem, was dort jetzt ruhig in der Zitronenkiste schläft.
Er hat etwas, dessen Geheimnis nur Unser Lieber Herrgott kennt.
Aber das kommt wohl ans Tageslicht, Crisje, da brauchst du nichts für zu tun.
„Nein, das geht von selbst!“
„Gute Nacht, Crisje!
Ich geh jetzt weg, Jeus ist da!“