Crisje, ich war in einem Himmel

Der Lange ist schon früh auf.
Seine sprühende Glückseligkeit macht Crisje überglücklich.
Heute wird ein anstrengender Tag.
Emmerich kann ihm gestohlen bleiben.
Crisje bekommt ein Kränzchen auf ihren Kopf gedrückt, das der Lange selbst für sie geflochten hat.
Dankbar schaut sie ihn an.
Hendrik kann es beinahe nicht abwarten, dass Jeus eingetragen wird.
Auch das macht er natürlich wieder zu einem ausgelassenen Fest.
Das kostet ihn Bewirtung für die Freunde, denn sie mögen ihn gern und sind immer in seiner Nähe.
Trui ist schon da, um aufzuräumen.
Jetzt dürfen die Jungen Jeus sehen.
„Und, Johan, was sagst du zu deinem Brüderchen?“
Johan schaut Jeus an, gibt aber keine Antwort.
Mit Interesse fragt er jedoch, ob der Storch seine Mutter ins Bein gebissen habe.
Crisje beruhigt ihn und schüttelt verneinend den Kopf.
Dieses Mal hatte er nicht soviel Zeit, denn er war natürlich vom Schnee aufgehalten worden.
Johan denkt nach, findet es wohl großartig und steckt dann eine Feder auf Crisjes Hut.
„Der kann andere Mütter beißen, aber dich nicht, stimmt’s, Mutter?
Du hast ihm ja nichts getan.
Du bist ja viel zu gut, um gebissen zu werden.“
Jetzt kommt auch seine Meinung über das neue Kind, das für seinen Geschmack viel zu dick ist.
Als Bernard dazu befragt wird, zupft er ein bisschen an dem schönen Deckchen.
Er findet, es sei nur ein seltsames Kindchen und Jeus interessiert ihn nicht so sehr.
Als Mina kommt, müssen die Jungen verschwinden.
Sie erledigt alles in kurzer Zeit und geht dann wieder weg.
Sie hat noch mehr zu tun.
Mina hat ein Paar starke Arme am Körper und eine gutes, vernünftiges Wesen.
Sie ist – wie Crisje – immer beschäftigt.
Als Mina soweit fertig und auch Jeus versorgt ist, kann Crisje wieder ein wenig nachdenken und beten, Unserem Lieben Herrgott für alles danken und dafür, dass es wieder so gut gegangen ist.
Was für ein Kind das doch ist!
Mina konnte nicht aufhören, von ihm zu reden.
Das ganze Dorf weiß schon, dass Crisje ein besonderes Kind bekommen hat.
Die Leute reden darüber und gönnen Crisje ihr Glück von Herzen, denn alle, mit denen sie in Berührung kommt, lernen sie schätzen und lieben.
Crisje schließt die Augen.
Die Eier mit Cognac werden sie stärken, und jetzt können ihre Gedanken sich wieder höher aufschwingen.
Seltsam, findet sie, ihr Denken ist jetzt anders.
Jetzt, wo das Kind da ist, fühlt sie sich innerlich ganz anders.
Was so ein Kind, so ein Wicht, so ein Wurm, doch schon alles tun kann.
Crisje spürt sich selbst wieder, aber sie kann nicht in die Tiefe der von ihr gewünschten und ersehnten Gedankenkonzentration durchdringen.
Es geht nicht!
Und wie sehr sie sich auch den Kopf zerbricht und wie sehr sie sich auch bemüht, dieses Geschehen hat ein Ende gefunden.
Es ist jetzt anders im Inneren.
Das Leben ist geboren und mit dieser Geburt sind ihre gewaltigen und schönen Gefühle verschwunden.
Es lohnt sich gewiss, einmal ernst und tief darüber nachzudenken, um so mehr, da sie jetzt gerade so schön Zeit dafür hat.
Sie muss sich auch vorbereiten, denn der Herr Pastor wird kommen, und dann muss sie beichten.
Sie hat gelogen und damit sich selbst beschmutzt, und das ist eine Schande für Unseren Lieben Herrgott, der ihr „nichts anderes als Glück schenkt.“
Langsam fängt Crisje an, zu fühlen und zu begreifen, dass ihr Denken dort in diesem Bettchen liegt.
Ihr Fliegen-im-Raum liegt dort in der improvisierten Wiege.
Darin liegt das Kind ihres Lebens.
Auch die große Stille ist aus ihr weg und noch mehr, noch viel mehr, das sie nicht in Worte kleiden kann, dass jedoch für sie eine Sicherheit besaß, die nicht von dieser Welt ist und entschieden zu den Mächten und Gesetzen Unseres Lieben Herrgotts gehört.
Crisje hat etwas verloren und dieser Verlust gebietet Ehrfurcht, es ist mehr, als ein Mensch verarbeiten kann.
Es ist etwas, denkt und vermutet sie, wofür ein anderer Mensch sein ganzes Leben arbeiten muss, wenn er dies, was zum Leben gehört, erwerben können will.
Kraft, Persönlichkeit und Gefühl ist es, und Crisje weiß, dass diese Sicherheit aus ihrem Leben weg ist.
Sie folgt sich selbst und kehrt zurück in dieses Gefühl.
Sie will wissen, wo es geblieben ist.
Sie steht darauf, aber hat doch keine Sicherheit, dass es unter ihren Füßen lebt.
Wo sind diese Fundamente geblieben?
Jeus schläft.
Jeus ruht, und es ist diese Ruhe, die Stille, mit der Crisje monatelang eins war.
Es war ein Blutkreislauf, ein Herzschlag, ein Atemzug, ein Ticken; eins waren sie in Gedanken und Gefühl.
Als Trui nach ihr schaut, fragt sie:
„Was hast du jetzt, Cris?
Was ist los?“
Crisje kann nicht antworten.
Trui denkt wieder an den Langen, aber der ist es nicht.
„Was hast du denn, Cris, stellt er wieder was an?“
Crisje winkt ihr mit der Hand zu, dass es nicht der Lange ist.
Sie wird es ihr schon erzählen.
Aber das dauert etwas.
Trui kann das nicht verstehen und denkt doch, dass der Lange dahintersteckt und sein Glück vermasselt hat.
Trui sieht jetzt auch, dass Kinder kein Glück bringen.
Als Crisje hört, dass ihre Schwester das denkt, fühlt sie, dass dies die Antwort für Trui sein muss, und dass sie den wahren Grund doch nicht verstehen kann.
Endlich erhält Trui Bescheid:
„Ach, Trui, was soll ich dir sagen.
Hendrik ist es nicht, Hendrik ist ja zu mir, wie es sich Unser Lieber Herrgott nicht besser wünschen kann.
Nein, es ist etwas anderes.
Es sind die Nachwehen, glaube ich.“
Das kann Trui verstehen.
„Das ist selbstverständlich, natürlich, das ist ganz natürlich.“
Das versteht sie sofort.
Das haben alle Mütter, sie müssen dann erst wieder zu sich selbst kommen.
Aber der Lange wird wohl doch dahinterstecken, meint Trui, und Crisje lässt sie denn auch in diesem Glauben.
Jetzt bekommt Crisje wieder etwas Zeit, darüber nachzudenken, was sie eigentlich verloren hat und was sie die ganze Zeit so glücklich gemacht hat.
So intensiv glücklich, dass sie jetzt deswegen weinen muss.
Doch schließlich weiß sie doch, dass sie stark sein muss.
Sie sieht schon, was für seltsame Vorstellungen sie erzeugt, und, wenn sie nicht sehr vorsichtig ist, wird noch über sie getratscht und der Lange muss es ausbaden.
Denn ihre Schwester ist eine Schwätzerin.
Aber weg sind die schönen Gefühle.
Sie wird es dem Langen schon selbst erzählen, aber ob er sie begreifen wird?
Es ist so zart, so ätherisch, so etwas Reines.
Man müsste davor auf die Knie gehen und den Kopf tief beugen, in die Natur und den Raum hinein, dann bekommen die Gedanken diesen erhabenen Flug.
Draußen zwischen dem Roggen, wenn die Sonne scheint und das Wetter herrlich und gerade nicht zu warm ist und man sich so frisch und über die Maßen gut fühlt – wenn man da so sitzt, kann es geschehen, dass es auf einmal zu einem kommt.
Aber dann darf man kein Wort sagen, keinen Unsinn reden und nichts Verrücktes tun oder sich gegenseitig in den Roggen werfen, denn dann fühlt man es nicht.
Dann ist es nicht da und man kann die Reise nicht machen.
Jetzt bist du mit dir selbst beschäftigt und fühlst gar nichts davon, du stehst dann mit beiden Beinen auf der Erde, in der Armut dieser verrotteten Gesellschaft, dieser kalten, üblen, jammervollen Welt, wo es nichts anderes gibt als Hass, Neid und Klatsch!
Du musst dich selbst dafür öffnen.
Du musst es lieben; ja, alles von dir selbst geben wollen, dann ist es da!
Und jetzt, jetzt ist es nicht mehr da!
Jetzt liegt es da und heißt „Jeus“!
Das würde Crisje zerstören, wenn sie innerlich nicht so stark wäre.
Sie würde obendrein Tag und Nacht darum weinen müssen, aber so etwas denkt sie nicht.
Das geht nicht, das wäre engstirnig, und mit Engstirnigkeit will sie nichts zu tun haben.
Aber es ist nicht mehr in ihr.
Richtig, Crisje, da lebt, da liegt und da schläft es.
Gestern Abend, sieben Minuten vor zehn, wurde das Leben dir entrissen durch den Prozess, den man „Geborenwerden“ nennt.
Keine Sekunde zu früh oder zu spät, absolut pünktlich und räumlich genau.
Wenn du wüsstest, dass du einen geistigen Prinzen geboren hast, einen Prinzen des Raumes, Crisje!
Was das zu bedeuten hat, hörst du vielleicht erst in vierzig Jahren von diesem Kind, möglicherweise etwas früher.
Wenn ich darauf eingehe und dem Geschehen folge, dann könnte ich es dir auf die Sekunde genau ansagen, doch das ist nicht der Sinn der Sache.
Warum sollte ich dir diese Weisheit schenken?
Es ermüdet dich doch nur.
Aber wie würdest du dann dieses Leben empfangen?
Wenn der Lange dies wüsste, Crisje, dann wäre er kein Mensch mehr und würde zerbersten.
Aber das darf nicht sein!
Die Sterne und Planeten, Crisje, wissen um dieses Leben.
Dieses Leben ist „WAYTI“, Crisje!
Was dieses Wort bedeutet, hörst du später!
Aber ich sage dir, die Sonnen, Sterne und Planeten, dieses Universum, strahlen aus Jeus’ Augen.
Wahrhaftig, der verrückte Gerrit sah und fühlte es.
Viele werden es noch fühlen.
Die ersten Tage nach der Geburt, doch dann geht es weg und Jeus ist ein ganz normales Kind.
Aber dieses Leben ist in den Händen von jenen, Crisje, die nicht mehr zu diesem Leben gehören, aber doch einst ein stoffliches Leben gekannt haben.
Das lernst du nicht von deinem reinen, guten, lieben Freund, dem Herrn Pastor, den Kern davon kennt er auch nicht.
Dies lebt irgendwo anders, und dafür wurde noch keine Universität gebaut.
Das wird Jeus tun!
Du fühlst das sicher, Crisje.
Ich rede wie ein Verrückter oder wie ein Allwissender, aber die Allwissenheit lebt in deinem Jeus!
Und das war das Gefühl, dein Schweben, dein Einssein mit dem Kind, dieses Leben, das du die ganze Zeit gefühlt hast und wodurch du so glücklich und so erhaben warst.
Denk darüber nach, Crisje, es ist gut für nachher, wenn „er wach wird und mit dir reden will“!
Aber dann wirst du auch einmal weglaufen wollen, Crisje.
Dann wirst du dir keinen Rat wissen, denn dieser wird dir Fragen stellen, dass es dir schwindelig werden wird und die kein Mensch einem Kind beantworten kann, weil es nicht möglich ist.
Richtig, Crisje, denken musst du, alles beobachten, nacherleben ist es, was auch Jeus einst wird tun müssen, wenn er den Gesetzen Unseres Lieben Herrgotts Gestalt geben will, sie verarbeiten und ihnen einen Platz in dieser ach so verrotteten Gesellschaft verschaffen will.
Mach weiter, Crisje, wir wachen!
Es kommt Besuch.
Frau De Man kommt mit Suppe für Crisje, aber sie mag die Suppe nicht.
Ihr würde schlecht davon werden, und das geht nicht.
Sie darf sich nicht aufregen, das ist schlecht für das Kind.
Crisje erteilt ihr wieder eine weise Lektion.
Mit Frau De Man stehen die Lügen vor ihrem Gemüt und ihrem Herzen.
Sie nimmt sich heilig vor, dem Herrn Pastor alles zu sagen.
Crisje hämmert auf die menschliche Seele ein, in der soviel Schlechtes lebt.
Sie kann es nicht lassen, jedes Mal, wenn sie schlechte Menschen trifft, zaubert Crisje das Fegefeuer herunter und schürt die Feuer so, dass die Menschen wohl Angst bekommen müssen.
Trui sagt:
„Das Weib macht sich doch nichts aus dem Fegefeuer; die muss man direkt in die Hölle werfen.
Die ist mit allen Wassern gewaschen, die ist ...“ und noch vieles mehr, dem Crisje zustimmen konnte und wovon Trui ihren Teil wusste.
Crisje gibt jedoch nie auf, und die Leute wissen, wenn man zu Crisje kommt, bekommt man eine großzügige Portion Lebensweisheit oder eine unmissverständliche Predigt, die auch der Dümmste versteht.
Schön kauen und herunterschlucken.
Dieser Apfel kommt direkt aus dem Garten Eden!
Schmeckt er?
Ihr habt die Taschen voll und stehlt wie die Raben.
Folglich kullert ihr direkt ins Fegefeuer oder noch schlimmer – die Hölle erwartet euch.
Aber Frau De Man sagt:
„Ich werde dafür sorgen, Crisje.
Ich werde mein Leben bessern, aber ich brauche Zeit.“
Das ist nun genau etwas für Crisje.
„Was willst du damit sagen?
Zeit?
Du hast ja deine Zeit schon vergeudet und versoffen.
Es ist schlimm, dass ich das sage, aber so ist es.
Hier musst du mit einem besseren Leben beginnen!
Hier musst du den Nacken vor Unserem Lieben Herrgott beugen.
Hast du das verstanden, Frau De Man?
Und was hast du mit meiner Mark getan?
Nun?
Das ist das letzte Mal, dass du das nur weißt!
Es ist eine Schande, jetzt hast du das Geld doch versoffen, was?“
Crisje nimmt das hässliche Weib so in die Mangel, wie es diesem noch nie vorher passiert ist.
Aber es ist auch scheußlich.
Es ist so gotterbärmlich, dass Crisje keine Worte dafür finden kann.
So schlimm!
Frau De Man sitzt wieder im Fegefeuer und Trui, die alles genau verfolgt, auch wenn Crisje noch so leise spricht, hat die Wöchnerin mit Argusaugen im Blick.
Pass jetzt auf, dass dieses verfluchte Weib nicht schon wieder Geld abstaubt.
Denn das ist ein Teufelsdienst!
Und das will Trui nicht, der kann ihr gestohlen bleiben.
Aber ach, auch für Unseren Lieben Herrgott ist diese Trui doch nicht offen.
Tausend Mal hat Crisje es schon gemerkt.
Trui ist geizig.
Ihr Herz weigert sich, wenn die Hände ins Portemonnaie greifen müssen.
Sie geht jetzt noch einen Schritt weiter und will das Weib zur Tür raus haben.
Soll sie ihre Suppe doch selber schlürfen.
Als Trui sagt: „Ich hab dich dreimal hinlatschen sehen, Frau De Man“, weiß Crisje, dass das Frauenzimmer sie wieder auf abschreckende Art und Weise hereingelegt hat.
Dreimal zu Hent Klint und das in dieser Zeit.
Drei Gläschen Schnaps sind nichts, aber diese Leute trinken ihn aus Eimern.
Frau De Man kommt jetzt doch ins Schwitzen durch die Vorwürfe und fühlt sich sichtlich unwohl.
Crisje bekommt Mitleid mit dem Scheusal und fragt ablenkend nach ihrem Mann und ihrem Sohn und nach den alltäglichen Dingen.
Trui ist jetzt erledigt, fühlt Crisje, die kann einen Menschen in der Luft zerreißen und, oh, was ist Crisje eigentlich dumm, dass sie ihr die Chance gegeben hat, dieses Leben vollkommen kaputt zu machen.
Das kann sie sich selbst nicht vergeben.
In was für Dinge gerät sie nur?
Was für jammervolle Dinge bringen die Leute mit sich mit, laufen mit ihnen herum und sitzen an ihnen fest?
Sorgen sind Elend, sind stinkend schlecht für Herz und Seele, und damit will Crisje nichts zu tun haben.
Trui, das ist jetzt ganz deutlich, hockt hinter den Gardinen und späht den Menschen nach.
Sie gibt nicht auf und will recht haben.
Trui will Crisje einen Schlag versetzen, sonst ist sie ihr Prestige in dieser Umgebung los.
„Und?
Kannst du mir keine Antwort geben, Frau De Man?
Hast du dreimal Schnaps geholt?“
Frau De Man fühlt, dass die Folter wieder neu anfängt.
Wenn sie böse wird, kann sie fluchen wie ein Kesselflicker und wird teuflisch.
Dann bekommt sie ein Gesicht, so hart, so gemein und dämonisch, dass man Angst davor bekommt.
Es gibt Leute, die ihr aus dem Weg gehen, weil sie denken, dass sie der Teufel in Person ist; solch eine dämonische Ausstrahlung umgibt diese Frau dann.
Die Frau rückt ein wenig vor und wendet sich dann an Trui: „Weißt du, was du mich kannst, langweilige Miesmacherin, vertrocknetes Unkraut?
Was willst du von mir, du Schlampe?“
Das gibt Streit und Stunk, denkt Crisje, das darf nicht sein.
Sie gebietet Trui, ihren Mund zu halten und sagt ruhig zu Frau De Man, dass sie jetzt Ruhe brauche, und bittet sie, zu gehen.
Und jetzt ist die hässliche Frau doch höflich.
Für Crisje kann sie das und weiß jetzt, dass sie keinen Ärger machen darf.
Aber die Kraft ihres einen Auges schlägt Trui zu Boden.
Crisje bekommt einen Gruß, Trui ist Luft für sie.
Röcke gerafft, Kopf in den Nacken, geht dieses mickrige Nichts zur Tür hinaus.
Dann erwischt Trui sie doch noch und zwingt sie:
„Hinten hinaus, durch die Eingangstür gehen nur Menschen.“
Frau De Man spuckt auf den Boden.
Crisje dreht sich um.
Die kommt vorläufig nicht wieder.
Es ist wirklich eine Schande, findet Crisje.
Und das heute.
„Wenn das nur kein Unglück bringt!“
Es wird lebhaft geredet.
Die Schwestern haben einander einiges zu sagen.
Crisje gewinnt allerdings, denn sie verschließt sich und bittet Trui, zu schweigen.
Früher konnte Trui das nicht, darum ist sie auch so lange weggeblieben.
Sie kann nicht vergessen und will immer das letzte Wort haben.
Trui weigert sich, Dinge anzunehmen.
Doch jetzt hält sie ihren Mund und das ist ein Gewinn für ihren Charakter.
Crisje muss sich etwas erholen.
Wenn das kein Stress ist?
Und das auf nüchternen Magen.
Gott sei Dank, dass Hendrik nicht zu Hause war.
Dann wäre der Teufel los gewesen.
Durch andere bekommt man immer Schwierigkeiten und Ärger.
Was hat das Frauenzimmer hier überhaupt zu suchen?
Wer will denn mit diesem Weib etwas zu tun haben?
Aber darf man einem Menschen die Tür verschließen?
Schwamm drüber, denkt Trui.
Wohl bekommt Crisje zu hören, dass man Läuse nicht auch noch suchen muss, die sind sowieso da.
Bei Trui braucht sie nicht versuchen, anzuklopfen.
Aber, weiß Crisje, zu den Schlechten kommen die Guten.
Manchmal kann man durch Menschen Glück erleben und dann hat man es doch verloren.
Und Christus hat gesagt: „In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen.“
Mach nie Seinen Kindern die Tür vor der Nase zu, sonst wird er die Tore des Himmelreichs für dich verschlossen halten.
Und das ist etwas, wovor Crisje heiligen Respekt hat.
Dies sind die obersten Prinzipien der Nächstenliebe.
Aber mit alledem fühlt Crisje, dass die Leute sie wieder furchtbar hereingelegt haben.
Die Schlechten haben sie auf ihre gerissene Art betrogen und zwar so schlimm, dass sie es nicht einmal wagt, Hendrik dies zu sagen.
Und Trui weiß das alles.
Sie hat dies seit Jahren miterlebt und weiß außerdem, dass sie es selbst gewesen ist, die Hendrik die ersten Monate ihrer Ehe gründlich verdorben hat, indem sie ihm alles erzählte, was Crisje tat.
Doch dann fing es an!
Dann hat Hendrik einen Rüffel bekommen und Crisje legte ihre eigenen soliden Fundamente für ihr Glück, ihren Frieden und ihre Ruhe.
Ihre Ehe steht jetzt auf sicheren Pfählen.
Es sind Fundamente, die von keinem Menschen mehr erschüttert werden können!
Wie war Crisjes Leben eigentlich am Anfang ihrer Ehe?
Furchtbar!
Trui schwätzte und saß zwischen ihr und Hendrik.
Trui sah alles falsch.
Und doch fand Crisje es gut, dass sie weiter ein und aus ging.
Aber Crisje hatte ihre Pläne und fand, dass sie jetzt noch nichts unternehmen durfte, dann hätte sie später das Recht, etwas zu sagen, und konnte ihrem Langen mit all seinem falschen Tun und Denken die Wahrheit sagen.
Ein ganzes Jahr dauerte es.
Doch dann bekam der Lange einen Rüffel und Trui eine solche Tracht Prügel, dass, was doch ein großes Wunder war, selbst Onkel Gradus böse wurde und seine Frau beschützen musste, sonst hätte der Lange sie ermordet.
Sie schrie wie ein Schwein, das geschlachtet wurde, so hatte Hendrik ihren falschen Charakter erwischt.
Schließlich musste Crisje ihrer Schwester zu Hilfe kommen.
Und wie tat es Crisje leid!
Sie hatte die Dinge jedoch von A bis Z durchdacht.
Crisje musste es ihrem Mann sagen, denn der Berg von Klagen wog schon so schrecklich schwer, dass sie beinahe darunter zusammenbrach.
Und das nur wegen Trui, weil sie es nicht vertragen konnte, dass Crisje Gutes tat, für jeden offen war und von ihrem kleinen Besitz noch weggab, was sie entbehren konnte.
Trui fand, das sei verrücktes Getue und konnte es nicht vertragen.
Es war sehr schwierig für den Langen, dies zu durchschauen.
Aber nicht für Crisje, und als sie ihre Schwester vollkommen durchschaute, wusste sie, wie sie es anzustellen hatte, wenn sie ihr Glück und ihre Familie nicht durch das neidische Geschwätz ihrer Schwester zerstört sehen wollte.
Und als der Lange endlich verstand, dass Trui seine Crisje, sein Glück und seine Liebe besudelte und gemein behandelte, um selbst gut da zu stehen und sich in ein gutes Licht zu rücken, schlug der Lange Trui mit einem Schlag zu Boden.
Onkel Gradus, sonst ein fast schon zu gutmütiger Mann, wurde böse, baute sich vor dem Langen auf und sagte ihm seine Meinung.
Der Lange musste zur Tür hinaus!
Und er ging.
Monatelang gab es Reibereien, es wurde geschwiegen und sie schauten sich nicht an.
Trui und Crisje lebten geradezu im Kriegszustand, aber Crisje wusste, dass sie recht hatte.
Sie musste sich nicht schämen.
Auch der Herr Pastor war über alles im Bilde und gab Crisje völlig recht.
Ja, der Herr Pastor hat das alles genauestens miterlebt, denn Crisje beichtete alle ihre Sünden, und so verstand ihr Beichtvater alles von ihrem Leben.
Als Hendrik meinte, dass er Crisje gehörig die Leviten lesen müsse, griff der Herr Pastor ein und sagte zum Langen:
„Machst du jetzt endlich die Augen auf, Hendrik?
Willst du mir weismachen, dass deine Crisje schuld ist?“
Der Herr Pastor durfte nichts aus dem Beichtstuhl erzählen.
Aber Hendrik, der Herr Pastor ist nicht so gewaltig groß, wie du denkst, er weiß nicht aus sich selbst heraus im Vorhinein, wie es sich zugetragen hat.
Crisje entwirrte alles und beichtete dann alles ehrlich.
Dadurch bekam der Herr Pastor Respekt vor diesem reinen Leben, diesem Kind Gottes, dieser einzigartigen Seele.
„Tu Crisje nichts zuleide“, hat der Herr Pastor zum Langen gesagt, „sonst bekommst du es mit mir zu tun!
Und wenn du die Hand gegen Trui erhebst, brauchst du zu mir nicht zu kommen, Langer.
Denn wir sind alle sündige Menschen und Kinder eines Vaters!
Aber von Crisje, da lässt du die Finger!
Crisje ist für uns alle da, Hendrik, denn Crisje ist ein Segen für die Kirche!“
Der Herr Pastor hat dafür gesorgt, dass Trui wieder redete.
Denn das war doch wohl wünschenswert.
Sie wohnten immerhin nebeneinander.
Wenn Crisje bei ihren Schweinen oder Hühnern sein musste und Trui ebenso wie sie auch hinter dem Haus tätig war, fühlte sich Crisje wie von Messern gestochen.
Viele Nächte hat Crisje deswegen geweint, monatelang Stunde um Stunde ihre Gebete hinaufgeschickt.
Endlich wurden ihre Gebete erhört.
Als Trui wieder einlenkte, wurde für Crisje der Himmel geöffnet.
Trui war immer ein schwieriger Mensch mit einem unangenehmen Charakter gewesen, dem musste man jedoch entgegengehen und so viel wie möglich helfen.
Trui hatte wohl etwas gelernt, aber mit ihr in Harmonie zu leben war sowohl für den Langen als auch für Crisje eine schwere Aufgabe.
Der Lange kümmerte sich nicht weiter um seine Schwägerin.
Jemand sollte es jetzt bloß wagen, etwas Nachteiliges über seine Frau zu sagen.
Hendrik dankte Gott auf Knien, dass er seine Crisje für sich behalten hatte.
Durch all das Elend hatte er mit seiner Crisje einen Himmel geschaffen, den kein Mensch ihnen mehr nahm.
Trui durfte, wenn sie Lust hatte, vorbeischauen und, wenn sie wollte, den Boden aufwischen.
Mehr war für sie bei ihnen nicht zu tun.
Für alles andere in diesem Paradies hatte Trui keine Augen und verstand noch viel weniger davon.
Dies war die Lebenspsychologie zweier Menschen geworden, die nur aus Liebe und Gerechtigkeit entstanden war.
Es gab auch jetzt keinen Menschen auf dieser Welt – und wenn er noch so schlau wäre – der einen Keil zwischen den Langen und Crisje treiben konnte.
Trui war zerschmettert.
In der ganzen Gegend und der gesamten Umgebung wusste man von dem Glück und der Weisheit, die in dieser Familie herrschten.
Selbst dem Besitzer in Emmerich kam es zu Ohren und er lud Crisje zu einem Besuch ein.
Er wollte dieses Wunder an Weisheit und Liebe, von dem so viel zu lernen war, auch einmal kennenlernen.
So zog Crisje ihr neues Kleid an und ging mit Hendrik in Emmerich zu Besuch zu seinem Herrn und Meister, dem Weinhändler.
Es wurde ein wahrer Festtag für sie.
Der Besitzer merkte schon bald, dass die Frau seines Knechts aus „besserem Hause“ stammte, und als sie im Lauf des Gesprächs erzählte, mit welchen Familien sie früher Umgang hatte, hörten der Chef und seine Frau mit offenem Mund und erstaunten Blicken zu.
Der Lange hatte wirklich das große Los gezogen, dass er sich dessen nur ja gut bewusst war.
Crisje war eine Dame.
Sie konnten nicht aufhören, darüber zu reden und fragten mehrmals, ob sie noch einmal käme.
Doch dafür hatte sie keine Zeit.
Schließlich hatte sie ihr eigenes Leben und ihren Haushalt und zu viel zu tun, um öfter Besuche zu machen.
Crisje lässt Trui nun denken, was sie will.
Sie kennt ihre Schwester jetzt und weiß, dass sich das Feuer in ihr wohl sehr schnell entzündet.
Sie würden immer mehr Schwierigkeiten anhäufen, wenn sie einander in die Quere kämen.
Crisje besitzt die unfehlbare Intuition, dieses Leben bis zum Augenblick seines geistigen Erwachens ruhig weiter vor sich hin pfuschen zu lassen.
Sie sieht, dass ihre Schwester bis zum Hals im Unkraut steht.
Crisje lässt sie sich jetzt um ihre eigenen Dinge kümmern und, vernünftig, wie sie immer ist, gibt sie Trui einfach recht und folgt dem einzigen Weg, der von Unserem Lieben Herrgott gezeigt wird: dem Weg der „Liebe“.
Aber Trui will schließlich, weil sie Leben, Frau und Mensch ist, auch ihren Teil und ein Krümelchen dessen besitzen, was diese zwei so glücklich macht.
Das ist für sie: ein gesunder Junge nach dem anderen.
Vielleicht hat Crisje recht, vielleicht ist sie zu steif, zu rau und zu hart gegen sich selbst.
Wer weiß.
Doch Trui hat schon etwas gelernt.
Sie nimmt sich einfach zurück und hält ihr Mundwerk mehr im Zaum.
Sie geht lieber zur Tür hinaus als mit dem Langen anzufangen und ihn, so wie früher sozusagen zum Duell herauszufordern.
Und der Lange?
Ach, der sieht sie überhaupt nicht mehr.
Er ist mit Trui fertig, und wenn sie ab und zu doch noch in seinem Gesichtsfeld erscheint, sieht er nur noch einen Menschen, der hier nur kurz ist, mit dem er aber so wenig wie möglich zu tun haben will.
Darum auch sollte Trui von dieser Flasche Wein wegbleiben.
Die lässt er in keinem Fall von ihr besudeln.
Crisje erschrak natürlich, denn sie spürte Trui und verstand den Langen.
Trui biss sich heftig auf die Lippen, ging jedoch ihrem Schwager aus dem Weg und ließ das Feuer nicht aufflackern.
Crisje machte ihr im Stillen ein Kompliment.
Ihre Schwester widerstand Hendrik jetzt prima.
Dies waren Zeichen des Erwachens und Auftauens, obwohl sie für Unseren Lieben Herrgott noch nicht viel zu bedeuten hatten.
Wenn Trui jedoch andere Leute vor sich hatte, war sie wieder sofort zum Angriff bereit.
Trotz allem war sie doch dabei, ein Fundament zu legen.
Sicher, es war deutlich, dass dies doch nur für ihr eigenes „Ich“ und für ihre eigene Glückseligkeit war, und offensichtlich dem Zweck diente, einen Platz unter all diesen Menschen zu erobern, die aber letztlich doch alle in ihrer eigenen Ungerechtigkeit gelegen hatten.
Laut Trui stank alles!
Und wenn der Mensch keine Kleider mehr anhatte, dann war er nichts!
Crisje fand die Ausdrücke, die ihre Schwester immer gebrauchte, zu billig, zu durchschaubar und geistig zu arm.
Sie waren nichts als der Versuch, sich vor ihrem eignen Ich zu retten, aber kein Mensch im Dorf erkannte dies offen und bewusst.
Man hielt sie nur für einen normalen Menschen, eine Bohnenstange mit Haaren auf den Zähnen.
Trui von Onkel Gradus war eine kalte und kühle Erscheinung und entschieden kein Born der Freude für Crisje.
Ihre Vorbereitung auf die Kommunion und andere religiöse Gebräuche prallten von den Wänden der Kirche ab und man durchschaute es.
Die Leute wussten, was so ein Gebet von ihr wert war.
Nein, wenn sie Hilfe brauchten, baten sie Crisje, für ihr Glück und ihre Seligkeit zu beten, die das gerne auf sich nahm.
Aber es kamen so viele.
Wenn sie dann auch sah, dass sie es nicht wert waren und selbst nichts dafür taten, hörte sie mit ihren Gebeten auf.
Unser Lieber Herrgott war schließlich kein Markthändler.
Truis Gebete hingen wie schlappe Wäsche hinten im Garten, wenn die Luft nicht trocken war und es Tag und Nacht nebelig war.
Das wusste jeder und sie selbst auch.
Ihr Gemüt wollte nicht knirschen und bersten, und ihr Gefühl konnte sich nicht entfalten.
Ihr fehlte das beseligende Feuer.
Auch der Herr Pastor wusste das, denn er kannte seine Schäfchen.
Das mütterliche, warme Gefühl, der Drang zu streicheln und zu begütigen, alles, was lebt, lieb zu haben, kam nicht höher als die Bank, auf der sie saß.
Die Demut, die sie zur Schau stellte, nahmen die Leute nicht an.
Das nahm niemand ernst.
In derselben Gegend geboren und miteinander aufgewachsen, kannten sie den Charakter des anderen genau.
Sie wussten, woran man dachte, was man fühlte und was sich in einem abspielte.
Truis Gebete, sagte der Lange, waren wie ein Huhn, das zwar gackert, aber von dem man nie ein Ei sieht.
Das landete natürlich im Topf, denn Sattfresser muss man schlachten!
Trui, das sieht Crisje heute, fällt noch oft zurück in ihre eigene, harte Welt, aber sie hat doch etwas gelernt, und es lohnt sich schon, Unserem Lieben Herrgott dafür zu danken.
Crisje betet und ihre Gebete für das Wohlsein der ihren und aller anderen Mitgeschöpfe fliegen in den Raum.
Sicher fünfzig Mal hat Crisje deren Erfüllung erlebt.
Die Leute kamen und erzählten ihr selbst, dass das Ärgernis verschwunden war.
Durch sie kam es, ihr Gebet konnte Wunder bewirken.
Und das wusste der Herr Pastor ebenfalls, deshalb durfte kein Kind seiner Pfarrgemeinde mit dem Finger auf sie zeigen, sonst bekamen sie es mit ihm zu tun.
Diesen gewaltigen Respekt hatte sie sich verschafft und davon konnte der Lange zehren und sich erlauben, zu sagen: Ich bin der glücklichste Mann der Welt!
Trui hat verloren und probiert nicht mehr, diese Ehe ins Wanken zu bringen, denn dann würde sie sich auf den gelegten Fundamenten, die von Unserem Lieben Herrgott selbst gesegnet worden sind, den Hals brechen.
Und jetzt: Es geht.
Trui sucht einen Weg.
Crisje lässt ihre Schwester den Weg selbst entdecken.
Unerbetene Hilfe würde sich hier nur hinderlich auf Truis Charakterentwicklung auswirken.
Natürlich ist Crisje bereit, ihr beizustehen und sie Tag und Nacht mit ihrer großen Liebe aufzufangen.
Trui ist dann doch wieder da und das sieht Crisje als übernatürliche Gnade an.
Als sie zurückkehrt, nachdem sie Frau De Man zur Tür hinauskomplimentiert hat, sagt Crisje:
„Recht hast du, Trui.
Solche Leute bringen andere zu Fall.“
Das ist Wasser auf Truis Mühle.
Schon kommt ihre Antwort:
„Hätte ich dir schon früher sagen und beibringen können, aber du denkst, dass ich kein Herz habe.“
Ja, Trui, jetzt hast du recht.
Frau De Man Geld zu geben ist ein Teufelsdienst.
Trui schüttet den Schweinen die Suppe hin, was Crisje wiederum ein Stoßgebet kostet, denn es leben soviel arme Menschen, die sich daran hätten gütlich tun können.
Das ist sündig in Crisjes Augen und sie nimmt sich vor, wenn im Herbst die ersten Schweine geschlachtet werden, dem erstbesten Bettler, der an ihre Tür kommt, eine Portion zu geben.
Auch Frau De Man wird dann nicht vergessen werden.
Was für ein Tag, was muss sie wieder viel überlegen und erwägen, bevor sie handeln darf, zumindest, wenn sie kein Porzellan zerschlagen und vermeiden will, dass Trui das Heft in die Hand nimmt.
Die Nachbarsfrauen kommen, weder Crisje noch Trui sind erpicht auf diesen Besuch.
Es ist ja kein aufrichtiges Interesse, sondern nur Befriedigung der Neugier, um zu sehen, wie es der heiligen Crisje jetzt wieder geht.
Darüber hinaus wird es doch nur eine Tratschpartie, bei der alle Leute in der Gegend an die Reihe kommen.
„Und, Crisje, hast du viel Schmerzen gehabt?“
„Ach, Frau Ruikes, was soll ich dazu sagen, es geht alles von selbst.“
„Und, Crisje, war es sehr schlimm?“
„Ach, Frau Kniep, was soll ich darüber sagen.
Es ist geschehen, bevor du dich versiehst.“
Crisje wird dieser Litanei langsam überdrüssig.
Trui schaut schon vielsagend auf die Uhr und sagt, dass es Zeit wird, sich auszuruhen.
Doch die Frauen haben nicht vor, sofort bei der ersten Ermahnung wegzugehen.
Ein solcher Mittag muss richtig ausgenutzt werden.
Der Knochen ist zu lecker, als dass man ihn einfach so liegen ließe.
Zum Glück sind nicht allzu viele „Anteilnehmende“ gekommen.
Es sind jedoch immer welche dabei, die man sonst nie sieht und die man kaum kennt.
Doch auch diese Leute drängen sich deinem Leben auf und es ist sehr schwierig, die Tür dauerhaft vor ihnen zu verschließen.
Crisje kann die Eier, die man ihr zum Besuch mitgebracht hat, nur mäßig schätzen.
Wie viele Menschen brauchen sie viel nötiger.
Noch nie waren Crisje dieses ganze Getue, Geschwätz und die krankhafte Neugier so aus tiefstem Herzen zuwider.
Wie oft haben die Frauen einander mit ihrem Tratsch durch den Dreck gezogen.
Nicht selten drang dieses Gerede bis in die Kneipe von Hent Klink.
Dann gab es einmal mehr heftigen Streit unter den Männern.
Nein, es war Crisje völlig einerlei, wie es bei einem anderen war oder was ein anderer tat.
Bei ihr war alles einfach und sauber.
Trui kommt etwas besser zurecht, weil Onkel Gradus mehr verdiente und es keine Kinder im Haushalt gab, obgleich hinsichtlich des Verdienstes Veränderungen begonnen haben, denn der Lange ersinnt alles Mögliche, um sein Einkommen zu verbessern.
Trui mochte ihre Schwester gerne spüren lassen, dass sie viel wohlhabender war und es viel besser hatte.
Aber das macht Trui jetzt nicht mehr.
Als sie wieder einmal das Bedürfnis hatte, sich herablassend über den geringeren Wohlstand ihrer Schwester zu äußern, schlug Crisje mit einem Hieb ihr Glück in Stücke.
„Deinen Reichtum, Trui, fressen die Schweine nicht.
Auch die kotzen davon.“
Trui erschrak, wurde feuerrot, war jedoch so vernünftig, dieses Thema ferner ruhen zu lassen.
Nein, Trui, dein Glück ist nicht viel wert.
Sehr vernünftig von dir, dass du dich entschieden hast, nicht weiter auf Crisjes Urteil einzugehen und dich nicht mehr in ihr Glück einzumischen.
Crisjes goldenes Glück ist unantastbar.
Das lässt sie von keinem Menschen, also auch nicht von dir, besudeln.
Trui hat eine leckere Suppe gekocht.
Die Stimmung ist außergewöhnlich gemütlich und die Herzen strahlen vor Freude und Glück.
Als Johan und Bernard ihrer Mutter versichern, dass sie beinahe umfallen vor Hunger, werden sie zu Tante Trui geschickt.
Johan kann so schmeicheln, dass man dadurch weich wird.
Aber was für Schmeichelei gehalten wird, kommt oft aus dem empfindlichen, goldenen Herzen des Kindes.
Das entgeht auch Trui nicht, und die Aufrichtigkeit dieses Charakters trifft sie jedes Mal wieder.
Sie weiß auch sehr gut, dass Bernard ihr viel weniger wohlgesonnen ist und, so jung er auch ist, ihren Charakter und ihre Handlungen durchschaut.
Sie weiß wohl, dass Bernard ihre Anwesenheit notgedrungen duldet, aber seine Tante nicht gern sieht.
Der Lange kommt herein und mit ihm ist wieder Ordnung im Haus.
Jetzt heißt es wieder aufpassen und auf die Worte achten, denn Trui und ihr Schwager sind immer Feuer und Wasser.
Allerdings nimmt der Lange nicht mehr viel Notiz von seiner Schwägerin, und diese muss sich damit abfinden.
Hendrik ist nicht unhöflich zu ihr, aber damit ist auch schon alles gesagt.
„Hallo Trui.“
„Hallo Hendrik.“
„Hallo Cris.
Wer war alles da?“
Crisje begrüßt ihren Mann, geht jedoch über seine Frage hinweg.
„Ach, Hendrik, niemand Besonderes.
Du weißt schon, ich mag keinen Besuch.“
Bist du noch beim Herrn Pastor gewesen?“
„Selbstverständlich, Cris.“
„Und, Hendrik?“
„Wir haben ein gutes Glas Wein getrunken und uns schön unterhalten.
Was für ein guter Mensch ist das, Cris.
Er kennt sich auch mit allem aus.“
„Ja, das ist wahr.
Unser Pastor ist ein guter Mensch.
Und wir müssen vor Glück in unsere Hände klatschen, dass wir wieder einen so Guten bekommen haben.
Dafür können wir Unserem Lieben Herrgott nicht genug danken.“
„Hör jetzt aber auf, Cris, auch er ist noch kein Heiliger.“
Der Lange bremst seine Frau ein wenig, sonst hebt ihre Seele mit dem Herrn Pastor viel zu sehr ab.
„Kommt der Herr Pastor noch, Hendrik?“
„Ja, ich denke wohl, morgen, Cris.“
„Oh, das ist fein.“
Der Lange lässt es sich schmecken.
Er hat auch ein paar Schnäpse getrunken, aber er kennt sein Maß.
Auch das ist eine Eigenschaft, für die Crisje ihm dankbar ist.
Hendrik hat viel zu tun.
Er schaut einmal nach Jeus und den Jungen, eilt zur Tür hinaus wegen seiner Porträts und kommt erst spät zurück.
Crisje hätte ihn natürlich lieber zu Hause behalten, aber sie musste sich damit abfinden.
Schließlich hat er wieder eine Bestellung bekommen, und das Geld können sie nun einmal nur allzu gut gebrauchen.
Spät am Abend kommt noch Besuch und plötzlich steht einer ihrer besten Freunde vor ihnen.
Casje, der Händler.
Casje ist beinahe so groß wie der Lange, aber er ist Invalide; ihm fehlen die Unterarme.
Wie Gerrit Noesthede ist er ein außergewöhnlicher Spaßmacher, allerdings auf andere Art und Weise.
Er reist und zieht überallhin und ganz zufällig war er jetzt gerade im Dorf.
Meistens treibt er sich irgendwo anders herum.
Wie bereits gesagt, ist der Kaufmann ein geborener Komiker, und Crisje muss schon lachen, wenn sie ihn nur sieht.
Der Lange begrüßt ihn mit einem:
„Je später der Abend, umso schöner die Gäste.“
„Hallo Crisje.“
Casje kann keine Hände schütteln und ersetzt dies, indem er Grimassen schneidet.
Er zieht ein komisches Gesicht, und das ist oft mehr wert als ein Händedruck, der oft nur ein klebriges und unangenehmes Gefühl zum Ergebnis hat.
Casje verfügt, das hat er auch mit Gerrit Noesthede gemein, über einen guten Verstand und eine Handschrift, dass sie ihn im Rathaus nicht verbessern.
Wenn bekannt wird, dass er wieder im Dorf ist, kommen die Leute mit Briefen zu ihm, in denen dieses und jenes geschrieben steht, das sie nicht erklären können.
Casje ist sehr bewandert und schreibt mit Schnörkeln, auf die der Lange eifersüchtig ist.
Seine verstorbenen Eltern waren wohlhabend gewesen und hatten ihm eine gute Erziehung angedeihen lassen.
Dass er jetzt ein fliegender Händler ist und mit seiner Ware durchs Land zieht, ist sein eigener, freier Wille.
Auch er wird nicht heiraten und allein bleiben, auch wenn er so tut, als ob er viele Frauen gehabt hat und jetzt noch mehr als genug davon hat.
Casje und Crisje, sie kennen sich seit den frühen Kinderjahren und haben sich immer gut verstanden.
Auch der Lange mag ihn gerne, weil der Händler einer von ihnen geworden ist, mit dem man gut reden kann.
Im Grunde war es Casje, der den Langen mit dem Mann mit den Portraits in Kontakt gebracht hat.
Dort in Didam, wo Casje umherschlenderte, machte er Bekanntschaft mit dem Porträtisten.
„Ich bleib nur kurz, Crisje.
Ich weiß, dass ich spät bin, aber ich hörte von eurem Jeus und das, dachte ich, lass ich mir nicht nehmen, du könntest mir das nicht vergeben!“
Hendrik und Casje sprechen noch kurz über den Geschäftsgang der Portraits.
Casje behauptet, dass Hendrik damit das große Geld verdienen kann, wenn er sich ab und zu aufmacht.
Er selbst kann diese Geschäfte nicht mit übernehmen.
Hendrik weiß, dass er diese ganze Beschäftigung nicht nötig hat, denn, wenn es darauf ankommt, hat Casje noch einen Notgroschen.
Der Notgroschen liegt still irgendwo unter den Menschen und Casje weiß absolut sicher, dass niemand in der Lage ist, ihm das Geld abzuluchsen.
So clever und gewitzt ist Casje schon.
Das ist bei ihm in guten Händen.
Sie trinken ein Gläschen.
Dies ist ein Tag, den man nicht so schnell vergessen wird.
Casjes Kiste steht in der Ecke der Küche.
Er kann nie herkommen, ohne dass etwas für Crisje daraus zum Vorschein kommt.
Auch jetzt wird er sie mit einem Geschenk beglücken.
Er taucht in seine Händlerkiste und stöbert darin herum.
Dann findet er, was er sucht, und zeigt es dem Langen.
Der Landstreicher ist ein geborener Diplomat und Menschenkenner, er hat ein gutes Herz und ist ehrlich wie Gold.
Casje zeigt Hendrik sein Geschenk für Crisje und dieser kann keine Gewissensbisse dagegen haben.
Denn mit dieser Freundschaftsgabe zeigt Casje wieder sehr deutlich, dass er nicht daran denkt, sich auf ein Gebiet zu begeben, das ihm nicht zusteht.
Sicher, Casje ist zwar nur ein einfacher Mensch und ein ganz gewöhnlicher Händler, jedoch mit einer innerlichen Seelengröße, die ihn davon abhält, die heiligen Dinge und Wahrheiten anzutasten, die ein Ehegatte für sich selbst fordert.
Hier kann und darf nichts oder niemand dazwischen kommen.
Das sind heilige Dinge, die nur der Mann seiner eigenen Frau geben darf.
Casje weiß: Ein Kreuz muss die Frau von ihrem eigenen Mann haben und von keinem anderen.
Der Lange fürchtet, dass Casje seine Crisje nicht kennt.
Schade, denkt er, denn jetzt muss er seinem Freund wehtun.
Wie kann er schnell genug eingreifen, dass Crisje nicht etwas angeboten wird, was sie nicht annehmen kann und dass Casje eine peinliche Ablehnung erspart bleibt.
Der Lange sitzt dabei wie ein geprügelter Hund, als Personifizierung des tiefsten Unglücks, denn Crisje sehnt sich schon so lange nach einem Kreuz und er, der tote, schändliche Hund, ein verkrüppeltes Stück Elend, hätte sich ja schon längst darum kümmern müssen.
Gerade heute wäre es der Gipfel der Glückseligkeit für sie gewesen und wieder, immer wieder, schießt ihm das durch den Kopf.
Es scheint so, als ob es nicht sein darf!
Aber der Lange hat sich unnötige Sorgen gemacht.
Casjes innerliches Gefühl hat ihn ja bereits gewarnt.
Wie, das wird ihnen beiden wohl ein Rätsel bleiben.
Crisje kann die beiden vom Alkoven aus in der Küche beobachten und hat gesehen, was der Besucher erst aus der Kiste holen wollte.
Aber das trägt sie niemals!
Niemals ein Kreuz von einem Mann, zu dem du nicht gehörst.
Das wäre eine Falle für dich, was Unseren Lieben Herrgott betrifft.
Ein Gebet, das sie schicken würde, würde immer mit dem Mann zu tun haben, von dem sie das Kreuz bekommen hat.
Das berührt die Seele, den Geist, das Leben und das Glück.
Crisje würde sich selbst damit infizieren und besudeln.
Nein, niemals könnte sie dieses Ding tragen, das kann nur der Lange ihr schenken und dann ist es ein Segen!
Casje gibt kein Kreuz.
Der Lange darf froh sein, dass dieser so empfindsam ist.
Er tut genau das, was Jeus' Mutter will, dass er tut, nimmt ein schönes Deckchen und geht damit auf sie zu.
„Schau mal, Crisje, für Jeus.“
Und dies ist ein wundervolles Geschenk.
Die Seide strahlt ihr entgegen.
„Casje, ich danke dir von Herzen!“
Auch von den „Engeln“ hier, Casje, die du nicht sehen kannst, die dir aber diese Empfindsamkeit geschenkt haben und das auch für dich sagen will, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, wovon die Menschen nichts wissen!
Doch wir versichern dir, Unser Lieber Herrgott fand deinen Entschluss gut.
Es ist ein seltsamer Anblick, wie Casje mit seinen hölzernen Armen mit Messer und Gabel hantiert.
Wenn er schreibt, dann schiebt er seine hölzernen Arme und Hände an die Stümpfe, liegt mit seinen Ellbogen auf dem Tisch und verziert seine Schrift mit Schnörkeln, von denen die Leute in Ministerien und anderen Behörden noch etwas lernen können.
Übrigens, Casje ist Schreiber bei der Stadtverwaltung gewesen und hat eine Zeit lang auf dem Rathaus geschrieben, seine Liebe zur Natur war jedoch so stark, dass er seine Stelle aufgab und Auf Wiedersehen sagte:
„Für mich könnt ihr einen anderen suchen, ich habe kein Sitzfleisch.“
Damit endete Casjes Behördenlaufbahn und er nahm seinen Straßenhandel und sein Leben in Gottes freier, herrlicher Natur auf.
Bis Zwolle kannte man den reisenden Händler mit seinen Streichen und seiner Fröhlichkeit, seiner menschlichen Güte und seiner Geistes- und Seelengröße nun.
Casje, der trotz seiner Torheiten doch immer ein Herr war und blieb, obwohl er in ausgelassener Laune manchmal wie ein Verrückter um seine Handelskiste herumsprang, wie ein Stierkämpfer um einen verwundeten Stier in der Arena, denn das brachte ihm Glück.
Es brachte ihm soviel Glück, dass er bisweilen weder aus noch ein wusste.
Was hatte ein Mensch von dem verfluchten Geld?
Was hatte ein Mensch vom Geld, wenn er nicht über normale Arme und einen normalen Körper verfügte?
War er etwa kein Mensch?
Ach nein, man sollte mit Casje nicht über Unseren Lieben Herrgott reden, der alle seine Kinder liebt.
Das nicht.
Crisje kennt Casje und Casje kennt Crisje.
Sie haben öfter ausführlich über ihr Freud und Leid gesprochen und doch viel Respekt und Achtung voreinander bekommen.
Der eine weiß, dass ihr großer Glauben an Unseren Lieben Herrgott durch nichts zu erschüttern oder zu zerstören ist, während die andere weiß, dass sie diese Seele in Ruhe lassen muss.
Hier konnte sie nicht helfen.
Die verkrüppelten Arme sitzen dazwischen und das kann nicht aus dem Weg geräumt werden.
Aber Casje ist ein guter Mensch und kein Schuft.
Sie waren gute Freunde und blieben es.
Crisje versuchte nie mehr, dem Krüppel die heiligen Sakramente ans Herz zu legen.
Das überließ sie ferner dem Herrn Pastor.
Hendrik hatte in jenen Tagen einen unvergesslichen Spaß gehabt.
Beide kämpften um ein und dasselbe Gesetz, ein und denselben Lieben Herrgott.
Die eine eine gottesfürchtige Frau, der andere ein Mann mit Armstümpfen.
Casje war immer willkommen und Crisje stand immer für ihn bereit, kochte Kaffee und bediente ihn, wie sie das für den Langen tat.
Es war noch gar nicht so lange her, da kam Casje unerwartet und klopfte nachts um halb vier auf seine Weise ans Fenster.
Crisje, sofort wach, sprang direkt aus dem warmen Bett, zündete den Ofen an, briet Eier, gab dem Besucher einen Strohsack und kroch wieder unter die Decke.
Hendrik wurde kurz wach, sagte: „Tag, Casje“, und schlief wieder ein.
Das ist Crisje!
Das tat sie für ihn ebenso wie für andere.
Aber dieser Freund besaß ihr Herz und ihre Zuneigung, weil er ein Herr war und ihren Langen so zum Guten beeinflusst hatte.
Crisje ging jedoch für alle ihre Freunde durchs Feuer, alle konnten auf ihre Hilfe und ihren Beistand rechnen.
Nie und nimmer klopfte man vergeblich an ihr Herz oder ihre Wohnung.
Casje klopfte immer auf eine besondere Art und Weise an die Fenster.
Der Lange murmelte dann im Schlaf:
„Cris, Casje ist da.“
Casje wusste, hier lebten seine Freunde.
Crisje war wie eine Mutter für ihn.
Beide hatten heiligen Respekt voreinander, gaben einander aber keinen Zollbreit nach.
Diese starken Persönlichkeiten verstanden jedoch die Lebenskunst, wie man unter bestimmten Lebensbedingungen zu handeln hatte.
Casje brach jetzt wieder auf.
Er wurde noch irgendwo anders erwartet.
Der Lange kroch ins Bett und versprach Crisje, an das Kreuz zu denken.
Crisje kannte ihren Langen, doch darum bitten, das würde sie nie tun.
Niemals!
Dann wäre an dem Kreuz keine Seligkeit zu sehen oder zu fühlen.
Zu tief gingen Crisjes Gefühle für dieses Geschenk, und so tief war dessen Bedeutung für ihr Seelenleben.
Dies ließ sie nicht besudeln, noch nicht einmal durch ein Kreuz mit Diamanten.
Aber sie wollte ein Kreuz von dem Langen haben!
Aber wer konnte den Langen das wissen lassen, wer schenkte ihm dieses Gefühl?
Gefühle kann man jemandem nicht einprügeln.
Das sah man an Trui, an Frau De Man und beinahe an jedem Menschen.
Das ganze lange Leben mühte sich manchmal damit, ein bisschen Gefühl zu erwerben.
Immer und immer wieder musste man bereit sein, einen Menschen aufzufangen und begreifen zu wollen, sonst wäre man nicht so, wie es Unser Lieber Herrgott verlangte.
Crisje ruht und Hendrik schnarcht schon.
Aber, oh Wunder, sein Schnarchen ist viel weniger durchdringend.
Er schläft jetzt ordentlich mit geschlossenem Mund.
Wenn das noch einmal überwunden werden sollte, ist er ihr König, mit einer Krone aus Pappmaché, aber von echtem Adel!
Crisje hat heute Abend viel zu beten, viel zu danken und sehr viel, um glücklich zu sein.
Sie hat heute mit vielem abgerechnet und klar Schiff gemacht.
Wenn sie sich jetzt keinen neuen Ärger aufhalst, ist das Leben wieder wunderbar und die Nachbarn und alles in der Umgebung haben ihren Segen.
Jeus schläft schön.
Das Kind ist gesund wie ein Fisch.
Alles verläuft bestens und sie fühlt sich in der Lage, morgen notfalls wieder aufzustehen.
Hendrik hat seine Frau dreimal geküsst und ist wieder zur Arbeit.
Nach einer Stunde kommt auch Mina herein.
Es wird lebhaft hin und her geredet.
Ängstliches Suchen nach den richtigen Worten ist jetzt nicht nötig, denn Mina fängt alles auf und Crisje braucht nicht besorgt zu sein, dass Trui wieder was falsch macht.
Der Morgen geht schnell dahin, und es ist schon Mittag, als Crisje ihre große Freude erlebt.
Der Herr Pastor kommt sie besuchen.
„Guten Tag, Cris, wie geht es?“
„Gut, Herr Pastor, danke schön.“
„Und wo ist nun unser Jeus?
So, ist das Jeus?
Meine Crisje, was hat er für schöne Augen.“
„Vom Essen, Herr Pastor, denn er hat gerade sein Essen bekommen.“
„Nein, das ist es nicht, Cris, er sieht anders aus als die beiden anderen.
Das ist wahr.
Du kannst Unserem Lieben Herrgott wohl dankbar sein, Crisje!“
„Das bin ich auch, Herr Pastor, und Herr Pastor weiß das doch?
Aber ich habe etwas zu beichten, Herr Pastor.“
„Hast du etwas zu beichten, Crisje?
Das vergebe ich dir!“
„Nein, Herr Pastor, ich meine es ernst.“
Crisje erzählt, was eigentlich los ist.
Sie hat furchtbar gelogen, und das belastet sie.
Das Essen für das Kind ist dadurch schon verdorben.
Das ist zu viel für Pastor Luninkhof.
Das ist ganz schlimm.
Er erzählt Crisje, was sie hätte tun müssen.
„Ich will dir etwas sagen, Crisje, bleib du mal so, wie du bist, und ich vergebe dir alles durch Unseren Lieben Herrgott.
Aber jetzt will ich doch noch einmal nach Jeus schauen.“
Der gute Mann schaut nach dem Kind.
Jeus hat seine Augen schon geschlossen, das junge Leben schläft.
Der Priester folgt dem jungen Leben und kommt zum Denken und Fühlen.
Crisje merkt, dass etwas Besonderes geschehen wird.
Der Herr Pastor träumt.
Ruhe ist bei ihm eingekehrt, fühlt Crisje.
Sollte das dieselbe, herrliche Stille und Ruhe sein, die so oft in sie herabgekommen ist, während sie Jeus trug?
Ja, Crisje, dieselben Gefühle sind jetzt durch Ansehen und Ergründen des Kindes in den Herrn Pastor gekommen.
Es geht etwas von diesem Wesen aus.
Es munterte den Geist des alten Mannes auf und führte ihn in eine andere Welt.
Es dauert lange.
Es sind schon mindestens zehn Minuten vorbei und der Herr Pastor sitzt noch unbeweglich da.
Er besitzt jetzt Schwingen und befindet sich in einer anderen Welt, in der des Raumes.
Er hört Gesang und sieht Blumen.
Er fühlt sich emporgehoben und zur Einheit mit Gott gekommen.
Crisje wartet ehrfürchtig ab.
Dann kommt wieder Leben in den Herrn Pastor.
Er reibt sich die Augen und sagt dann:
„Ja, Crisje, ich war in einem Himmel!
Mein Kind, was kannst du doch dankbar sein.
Ein schönes Kind ist das.
Ich werde an ihn denken und ihn in meine Gebete einschließen!“
Das ist wohl das schönste Geschenk, das Crisje bekommen kann.
Herr Pastor kehrt in seine Kirche zurück und kniet dort nieder.
Was bedeutet dies alles?
Er dankt Gott, weil er Seinen Himmel schauen durfte.
Durch Jeus war er in Kontakt mit dem Himmel.
Ein großes und gewaltiges Wunder.
Dieses Kind von Crisje wird noch von sich reden machen.
Jeus ist ein himmlisches Kind, und in dieser Seele lebt eine Kraft, die nicht von dieser Welt ist.
Das fühlt jeder.
Der Lange hat nicht zu viel gesagt, im Gegenteil.
Aber was ist es?
Was ist es nur?
Der Herr Pastor kann nur Gott danken, mehr sieht und fühlt dieses Leben nicht.
Und doch kam diese Seele unter den Einfluss des Kindes und neigte ihr Haupt.
Schwingen bekam dieser Priester.
Er reiste auf dieselbe Weise, wie Crisje es neun Monate lang tun durfte, eine Gabe, die sie jetzt nicht mehr besitzt.
Sehr schade, aber vielleicht kommen noch andere Zeiten und noch mehr Kinder.
Von einer Sache ist sie jedoch überzeugt.
Zwei solche Lichtstrahlen bekommt sie nicht.
Sie wird einmal mit dem Langen darüber reden.
Der Herr Pastor sagte genau, was sie selbst darüber dachte.
Säufer darf man nicht unterstützen und das Schlechte im Menschen darf man nicht helfend fördern.
Das ist falsch.
Auch Trui hat Recht, Crisje, aber das ist doch natürlich wieder etwas ganz anderes.
Als der Lange nach Hause kommt, strahlt Crisje die Glückseligkeit aus dem Gesicht und auch an dem Langen kann man sehen, dass er ein glücklicher Mensch ist.
Wo so viel Segen ist, so viel Mitgefühl erlebt wird, erhält das menschliche Auge eine glänzende Ausstrahlung, Herz und Gemüt werden weich.
Es gibt dem Geist und der Persönlichkeit eine neue Gestalt, bezaubert den Menschen, macht seine Schritte leichter und krempelt ihn, selbst wenn er nicht daran glaubt, völlig um und macht ihn zu einem anderen Menschen.
Wie lange so etwas dauert, spielt keine Rolle.
Jeder Mensch erlebt mal eine solche Stunde oder solch einen Tag, denn dafür ist man nun einmal Mensch.
„Guten Tag, Trui.“
„Guten Tag, Hendrik.“
Crisje hört erfreut zu.
Hört sie einen besseren oder höher gestimmten Ton, oder was ist es?
„Erzähl schnell, Cris, was hast du heute alles erlebt.“
Sie erzählt alles genau mit allen Besonderheiten und vergisst nichts, auch nicht, dass sie gebeichtet hat.
Der Lange muss lachen.
Er prustet nur so.
Er hat wieder etwas Leckeres mitgebracht und die Flasche muss auch entkorkt werden.
Trui muss mittrinken, auch wenn sie behauptet, keinen Wein zu mögen.
Aber ihr Protest wird nicht akzeptiert.
Sie wird ein Glas Wein auf die Gesundheit von Mutter und Kind trinken.
Prost Crisje, zum Wohle.
„Du lieber Himmel, Hendrik, das ist ein Spitzenwein.“
„Das stimmt,“ schreit der Lange, „den durfte ich mir aussuchen.
Einen vom Chef und einen von der Gnädigsten.
Guck mal, Crisje?
Dieser ist es.“
Crisje schaut nach der feinen Flasche Wein, reines Blut laut dem Langen und nur für sie.
Wenn sie einmal Appetit darauf hat.
Trui ist etwas gesprächiger, geht aber bald nach Hause.
Der Lange fragt doch wirklich, ob Gradus noch kurz herüberkommt.
Sie wird die Einladung überbringen.
Dann kommt die Einheit wieder zu ihnen.
Das Tor ihres Tempels ist geschlossen, sie sind wieder allein.
Hendrik weiß, dass Crisje nur dann ihre heiligsten Probleme mit ihm bespricht, wenn sie fühlt, dass Hendrik und sie selbst sich dafür in der richtigen Gefühlsstimmung befinden.
Trui kommt noch kurz und sagt, Gradus komme nicht, denn er sei zu einer Versammlung.
Noch besser, denkt der Lange, dann kann er sich vollkommen Crisje widmen und dann hört er Ausführliches.
Als der Lange vor Jeus steht und es Crisje zu lange dauert, bis er etwas sagt, fürchtet sie, dass er ebenfalls wie der Herr Pastor seine Gedanken für diese Welt verliert und ruft ihn darum zurück:
„Du verhältst dich ja genauso wie der Herr Pastor, Hendrik.
Der bekam auch nicht genug und dachte, er wäre im Himmel!“
„Du kannst von mir denken, was du willst, Crisje, aber der hat was!
Ich glaube mir selbst nicht, morgen werde ich es wieder vergessen haben, jetzt kann ich es nicht begreifen.“
„Soll ich dir mal was sagen, Hendrik?“
„Was willst du mir sagen?“
„Ich habe seinetwegen weinen müssen.
Ich muss weinen, weil ich jetzt allein bin, jetzt kann ich nicht mehr fliegen, weiß ich, nicht mehr hören.
Jetzt werde ich die Stille nicht mehr fühlen, jetzt bin ich so arm wie ein Wurm.“
Das ist doch wohl verrückt, findet Hendrik.
So hat er Crisje noch nie gehört.
„Was sagst du?“, fragt er.
„Was bist du?“
„Ja“, fährt Crisje fort, „Hendrik, was der Herr Pastor fühlte, habe ich neun Monate gefühlt und getragen.
Ich fliege schon so lange!
Ich bin ja schon so lange in dieser Stille, im Himmel.
Ich weiß noch nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber das wird noch was werden!
Dies ist so sicher wie das Amen in der Kirche, Hendrik.
Und er hat etwas zu sagen.“
Ja, Hendrik, wie soll Crisje das in Worten ausdrücken?
Sie fühlt es.
Sie hat es erlebt, es war Teil ihres Herzens.
Auch, wenn jede Mutter so etwas Ähnliches erlebt, dies ist anders!
Dies hat universelle Bedeutung.
Dies ist reines geistiges Gold, dies verbindet dich mit dem ganzen Leben Gottes!
Nachdem der Lange alles angehört hat und sieht, dass es für Crisje heiliger Ernst ist, folgt er noch einmal der ruhigen Atmung des Kindes.
Nur kurz, dann reißt er sich los, als ob er Angst hat, auch zu schweben anzufangen, und er will sich selbst nicht verlieren!