Wie Alcar über ein junges Leben wachte

Eines Morgens wurde André schon früh von Alcar geweckt, der ihm mitteilte, dass er Doortje, die anderthalbjährige Tochter seines Freundes Jacques, um zwölf Uhr behandeln müsse.
„Merkwürdig“, dachte er.
„Was sollte dem Kind fehlen?
Gestern Abend saß sie noch fröhlich in ihrem Stühlchen und spielte."
Er verstand es nicht, sorgte aber natürlich dafür, dass er zum angegebenen Zeitpunkt bei seinen Freunden war.
Nel, Jacques’ Frau, öffnete ihm und sagte, dass ihr Mann noch nicht zu Hause sei, aber bald kommen würde.
„Ich komme, um Doortje zu helfen“, antwortete André.
„Doortje?“, fragte Nel verwundert.
„Fehlt ihr denn was?“
„Das weiß ich noch nicht, Nel.
Aber mein geistiger Leiter hat mir heute Morgen aufgetragen, zu ihr zu gehen und ihr zu helfen.“
„So“, sagte Nel.
„Nun, in letzter Zeit sieht sie schon ein wenig blass aus und manchmal kann sie sogar kreidebleich werden.
Kinder erwischt es, bevor man es weiß.“
Während sie sprach, hatte Nel Doortje aus ihrem Stuhl geholt, um sie André zu geben.
Die Kleine wollte jedoch nichts davon wissen und versuchte ihn mit ihren Händchen von sich zu schubsen, als fühlte sie bereits, was geschehen würde.
Er hatte jedoch mit ihrem Widerstand gerechnet und ein paar Süßigkeiten mitgebracht, womit er die Kleine zur Folgsamkeit bewegen konnte.
Nel setzte sie, mit ihren Leckereien, wieder in ihren kleinen Stuhl, und als André diesen günstigen Moment nutzen wollte, um sie zu magnetisieren, hörte er Alcar sagen, dass er besonders die rechte Seite ihres Köpfchens behandeln sollte.
Sein geistiger Leiter würde ihm dabei helfen.
Plötzlich wurde er von einer Angst überfallen.
Hatte er richtig gehört?
Alcar würde ihm helfen?
Das geschah nur in ernsten Fällen.
War Doortjes Zustand denn so ernst?
Was fehlte ihr bloß?
Das wusste er noch immer nicht.
Er legte beide Hände auf ihr Köpfchen, obwohl sie das auf mancherlei Weise zu verhindern suchte.
Als in ihm die Angst aufkam, hatte er sich vorgenommen, sich – wie noch nie zuvor – zu konzentrieren, denn er spürte intuitiv, dass Doortjes Krankheit viel ernster war als vermutet.
Beim Magnetisieren geriet er in Trance, aber er konnte in diesem Zustand nichts anderes als eine dunkelgraue Eintrübung auf der rechten Kopfhälfte wahrnehmen.
Von Alcar hörte er, dass er richtig gesehen habe und er das Kind nach einer Viertelstunde noch mal behandeln solle.
Da begriff er, dass sie sehr ernsthaft erkrankt sein musste.
„Ist es so, Alcar?“, fragte er ängstlich in Gedanken, damit Nel es nicht hörte.
„Ja, mein Junge, aber alles wird gut.
Du musst der Kleinen noch einmal helfen.“
Nel fragte, was er davon hielt, doch André, der es selbst noch nicht wusste, antwortete, dass er eine Erkältung bei ihr entdeckt habe.
Daher wolle er sie noch einmal behandeln.
Nel war durch diese Antwort zufriedengestellt, denn sie wusste nicht, dass zweimaliges Magnetisieren nacheinander auf etwas Ernstes hindeutete.
Was bedeutete das alles?
War diese graue Eintrübung die Krankheit?
Warum zwei Behandlungen so kurz hintereinander?
Zum Glück ließ Alcar ihn in seiner Unruhe nicht lange warten.
„Helfen, Junge“, wurde ihm zugeflüstert, „später wirst du es verstehen.“
Beim zweiten Mal behandelte er das kleine Mädchen noch intensiver als beim ersten Mal, und zugleich bat er Gott innig, dass er Alcar die Kraft schenken möge, dieses junge Leben zu retten.
Während der ganzen Behandlung betete er dafür, und er versuchte auch die Krankheit in seinen eigenen Körper zu übernehmen, was ihm immer gelang.
Dann sog er die schmerzenden Stellen langsam in sich auf, und wenn dies geschehen war, konnte er im Zustand der Hellsichtigkeit die Diagnose stellen.
Das Einzige, was er jetzt feststellte, war das Gefühl einer Steifheit in der rechten Kopfhälfte und ein Zittern im Rücken.
Nach der Behandlung ging er nach Hause und begegnete unterwegs Jacques, den er über alles informierte, was während seiner Abwesenheit vorgefallen war.
Jacques war darüber sehr verwundert, denn auch er hatte, bevor er zur Arbeit ging, nichts Ungewöhnliches an seiner kleinen Tochter bemerkt.
„Vielleicht hat Alcar etwas entdeckt, als wir gestern Abend bei dir waren.
Auf jeden Fall wird ihr die Behandlung nicht schaden.“
Davon war sein Freund vollkommen überzeugt, weil er, nachdem er damals von seinem Hausarzt für unheilbar krank erklärt worden war, durch Alcars und Andrés Hilfe binnen kurzer Zeit vollständig geheilt werden konnte.
Daher war er Alcar für sein Eingreifen innig dankbar und war zutiefst gerührt von diesem Liebesbeweis ihm und den Seinen gegenüber.
Mittags bekam André von seinem geistigen Leiter die Nachricht, dass Jacques ihn gegen neun holen käme, und genau um neun läutete sein Freund.
„Komm schnell mit, André“, sagte er.
„Doortje sieht furchtbar aus.
Auf der rechten Kopfhälfte hat sie ein dickes Geschwür, ein Auge ist ganz zu und von der Mitte ihres Kopfes aus zieht sich ein blauer Strich bis zum Geschwür hin.
Was könnte das sein, André?“
Blitzartig kamen folgende Worte zu ihm: „Sag ihm, dass es eine Erkältung ist, die jetzt ausgebrochen ist.“
Er gab diese Botschaft seinem Freund weiter, die ihn halbwegs beruhigte.
Unterwegs kam er erneut in Kontakt mit Alcar, der ihm sagte: „Keine Angst, André, die ganze Gefahr ist vorbei.
Wir haben Doortje aus dem Griff einer gefährlichen Kinderkrankheit befreien dürfen.
Solange ich es dir jedoch nicht erlaube, darfst du den Eltern nichts davon sagen, denn sie dürfen noch nicht die Wahrheit wissen.
Beruhige sie lediglich.“
Bald waren sie bei der kleinen Kranken.
Sie sah tatsächlich furchtbar aus.
Kein Wunder, dass seine Freunde sich schreckliche Sorgen machten.
André beruhigte sie jedoch und sagte, dass sie froh sein sollten, dass die Erkältung sich gelöst hatte.
Doortje saß auf dem Schoß ihrer Mutter und blickte still um sich und er versuchte vorsichtig ihr Köpfchen mit den Händen zu umfassen.
Aber mit ihr war überhaupt nichts anzufangen.
Daher gab er den Versuch auf und wartete Alcars Anweisungen ab.
Ihr kleines Gesicht war schrecklich geschwollen und der blaue Strich sah beunruhigend aus.
Da hörte er – Gott sei Dank – die bekannte, so liebevolle Stimme flüstern: „Behandle sie auch jetzt zwei Mal, und wenn sie auch noch so laut schreit.“
In diesen Worten verbarg sich eine schreckliche Wahrheit.
Doch er beherrschte sich, um das Kind mit der Hilfe von Jacques und Nel in Ruhe magnetisieren zu können.
Nach der zweiten Behandlung musste er sich konzentrieren.
Er öffnete sich Alcar, der ihm durch Inspiration seine Informationen durchgab.
Doortje wurde geherzt und in ihr Bettchen gebracht; danach vereinbarte André mit seinen Freunden, dass sie ihn rufen sollten, wenn sie ihn bräuchten.
„Besteht denn Gefahr?“, fragte Nel.
„Nein“, antwortete André, „Gefahr besteht zum Glück nicht.“
Wir wollen froh sein, dass diese Erkältung sich gelöst hat."
Zu Hause angekommen dachte er lange über den Fall nach.
Nach zwei Behandlungen schien sich der Zustand deutlich gebessert zu haben.
Aber warum hatte er Jacques und Nel nicht die Wahrheit sagen dürfen, wenn doch jede Gefahr vorbei war?
Noch immer wusste er nicht, was der Kleinen eigentlich fehlte.
Alcar hatte ihm lediglich gesagt, dass Lebensgefahr bestanden hat, sie aber Doortje haben retten dürfen.
Er fühlte sich innerlich nicht ruhig; der Verlauf der Dinge gefiel ihm nicht ganz.
Schließlich schlief er ein, um morgens mit demselben, unzufriedenen Gefühl aufzuwachen.
Seine ersten Gedanken galten dem so kranken Kind.
Die Nacht war vergangen, ohne dass er gerufen wurde.
Das war merkwürdig.
Ihm wurde ängstlich zumute.
Hatte er diesmal nicht richtig zugehört und deshalb falsch gehandelt?
Das war doch nicht möglich?
Sonst zweifelte er nie an Alcars Worten.
Warum denn jetzt?
Durfte er denn schlafen gehen?
Was hätte in der Nacht nicht alles passieren können!
Wie sollte er das alles verantworten können!
Hatte er sich dem größten Schatz seiner Freunde mit genügender Sorgfalt gewidmet?
Sie haben wohl auch geschlafen, da sie nichts von der Gefahr wussten.
Wie hatte er sich so vergessen und ihr Kind den Ärzten vorenthalten können!
Es war unverantwortlich, und es musste sich wohl noch einiges bei ihm ändern, wenn er für die höheren Intelligenzen ein liebevolles Instrument werden wollte.
Was sollte er nun tun?
Zu Jacques und Nel gehen?
Aber es war noch so früh.
Würden sie dann nicht denken, dass ihr Liebling sehr ernsthaft krank sei?
Nein, das durfte nicht passieren.
Großer Kummer ergriff ihn.
Ach, wie konnte er alles nur wiedergutmachen?
Er flehte Gott um Vergebung an und betete: „Vater, ich will dir so gerne als lauteres Instrument dienen.
Lass mich dies also eine Lehre sein, Vater, eine Lehre fürs Leben."
Seine Freunde sah er bereits gebrochen vor Kummer.
Durch seine Schuld hatten sie das Liebste verloren, was sie auf Erden besaßen.
Für ihr ganzes Leben waren sie gebrochen.
Und wer hatte den größten Kummer?
Alcar natürlich.
Durch unverzeihliche Unachtsamkeit hatte er ihn völlig ausgeschaltet.
Wer würde jetzt noch an seinen Alcar glauben, wenn dessen Instrument zu nichts mehr taugte?
Oh, welch eine Angst er hatte.
Und wo war sein geistiger Leiter jetzt?
Fühlte er seinen Schmerz nicht?
Sonst tröstete er ihn immer, wenn er Kummer und Sorgen hatte.
Warum denn jetzt nicht?
Ihm schien der Kopf zu platzen und er war benommen vor lauter Denken.
Wenn er Alcar nur nicht verloren hat, sein Werk nicht zerstört hat!
Wenn er nur etwas sehen würde!
Vielleicht hatte er seine Gaben bereits verspielt.
Wie arm würde er dann sein.
Ärmer noch als der ärmste Mensch, der nichts mehr zu essen hat; denn was bedeutet schon Hab und Gut im Vergleich zu geistiger Armut?
Alcar hatte ihm so oft gesagt, dass irdischer Reichtum keine Bedeutung hat in Hinsicht auf geistigen, ewigen Besitz.
Was ist irdisches Gold im Vergleich zu geistigem Besitz?
Was bedeutet all das Irdische im Vergleich zu seinen Gaben?
Gar nichts.
Lieber hungerte er sich zu Tode, als auf seine Gaben – sein geistiges Gold, sein ewiges Kristall, worin die Sphären in vollem Glanz, in ganzer Schönheit funkeln – verzichten zu müssen.
Und nun hatte er Alcars Werk, dessen Aufgabe, die Erdbewohner zu heilen und von einem ewigen Fortleben – in einer höheren Daseinsform – zu überzeugen, womöglich zerstört.
Er hätte in dieser Nacht bei Doortje bleiben und über dieses junge Leben gewissenhaft wachen müssen.
Und nun hatte er Stück für Stück die Liebesbande, welche ihn mit Alcar verbanden, in die Brüche gehen lassen und somit dessen Vertrauen verspielt.
Gott hatte ihm die Gnade geschenkt, für den Spiritualismus zu wirken und – durch seine Gaben – leidenden Mitmenschen zu helfen und sie zu trösten.
Diejenigen, die sich von ihren Lieben trennen mussten, durfte er unterstützen, indem er ihnen bedeutete, im „Tod“ das Leben zu erkennen.
Kranke durfte er heilen, als Erdenmensch durfte er die Sphären besuchen.
Und war er denn von der Größe all dessen überzeugt?
War es ihm heilig genug?
Hat er denn begriffen, dass er Alcar, der bereits vor Jahrhunderten die Erde verlassen hatte und so unendlich viel mehr wusste als er, nie genug Liebe entgegenbringen konnte?
Gott hatte all dieses Heilige in seine Hände gelegt, und wenn er den unbeschreiblichen Wert dieser Gottesgabe nicht genügend fühlte, würde er später sehr unglücklich sein.
Tausende von Intelligenzen, die ihre Lieben auf der Erde zurückgelassen haben und diese beschützen, während sie hinter dem Schleier weiterleben, schauen jetzt auf ihn nieder.
Ist er sich dessen denn ganz bewusst, dass er bereits jetzt sein ewigliches Leben leben muss?
Dass er von allem Abstand nehmen muss, was zur Erde gehört?
Hätte er seine Pflicht getan, dann würden ihn seine Freunde noch mehr geliebt haben, als sie es bereits jetzt taten.
Er hätte die Wissenschaft noch mehr davon überzeugen können, dass geistig hochstehende, liebevolle Medien imstande sind, ihr mit Hellsehen, magnetischer Kraft und anderen Gaben zur Seite zu stehen.
Wie viel Nützliches hatte er bereits tun dürfen.
Ärzten hatte er helfen können und in wenigen Minuten Diagnosen gestellt, wozu sie – ohne die Hilfe der geistigen Kollegen – nicht imstande gewesen wären, denn mit Alcars Hilfe konnte er in den menschlichen Körper hineinschauen.
Alles wäre anders gewesen, wenn er richtig zugehört hätte.
Die Menschen vertrauen sich nicht so schnell einem Magnetiseur an.
Wollten Mütter ihm jetzt noch ihre Kinder anvertrauen?
Würden sie sich fortan nicht tausendmal lieber in die Hände eines Arztes begeben, als tatenlos zuzusehen, dass er ihnen jede medizinische Hilfe vorenthielt?
War es für sie nicht viel besser zu wissen, alles Mögliche getan zu haben, als ihm ihr unangebrachtes Vertrauen zu schenken?
Er war sich voll und ganz darüber im Klaren, wie groß sein Versäumnis war.
Das ließ sich nicht mehr schönreden.
Dort hingen seine medial empfangenen Bilder, die Alcar durch ihn als Instrument gemalt hatte.
Wagte er es da noch, sie anzuschauen, während er ihn mit Undank belohnte?
Im Geiste werden keine halben Sachen gemacht.
Entweder alles oder nichts; das hatte er im Laufe der Jahre doch gelernt.
Er musste entweder ein gut entwickeltes Medium sein wollen, oder er verlöre seine Medialität, da diese eine Gabe Gottes ist und der Allerhöchste nicht mit sich spotten lässt.
Wie still war es um ihn herum geworden!
Es glich wohl derselben Stille, derselben Ruhe, die im Sommerland herrschte, als er seinerzeit mit seinem geistigen Leiter dort eintrat.
Es wurde noch stiller, so still, dass er das Leben atmen hören konnte.
Das tat ihm gut.
Es machte ihn ruhiger und seine Nerven entspannten sich.
Sein Angstgefühl ließ nach und es wurde ihm etwas leichter Kopf.
Ein behagliches Gefühl durchströmte ihn.
Wie war das nur möglich!
Über seinem Kopf glaubte er irgendein Geräusch zu vernehmen.
Es war, als würde geflüstert.
Es klang eine Melodie in seinen Ohren.
Es war wie Musik, die vom Winde fortgetragen zu ihm drang; himmlische Musik, die ihn glücklich stimmte.
An das Angstgefühl von vorhin war jetzt nicht mehr zu denken.
Wo war dieses elende Gefühl geblieben?
Noch intensiver fühlte er das Glück in sich einströmen.
Was passierte mit ihm?
Die Wände seines Zimmers verschwanden vor seinen Augen, um einer sonnigen, ausgedehnten Berglandschaft Platz zu machen.
Er sah Baumkronen mit dunkel- und hellfarbigen Blättern.
Direkt vor ihm war ein großer Teich, worin sich viele Vögel tummelten, wie er sie noch niemals zuvor gesehen hatte; und um diesen Teich dufteten und blühten Blumen im Überfluss in solch leuchtenden Farben, in solch einer überwältigenden Pracht, wie es sie auf dieser Erde nirgens zu sehen gibt, und entlang dieses himmlischen Blumengartens verlief ein Pfad, der sich durch die ganze Berglandschaft schlängelte, bis zum Horizont.
Dort entschwand er seinem Blick.
Forschend sah er sich um, doch er konnte kein einziges Menschenkind entdecken.
Wie schade, dass hier keine Menschen lebten, denn wie glücklich wären sie inmitten dieser Schönheit, in diesem göttlichen Lebensgarten, wie jener, den Alcar ihn früher einmal hatte sehen lassen.
Welch ein Reichtum an Harmonie, seliger Ruhe und Frieden lag über dieser von goldenem Licht erleuchteten Landschaft!
Am Ende des Schlängelpfades sah er etwas sich bewegen.
Es war nicht viel mehr als ein Tupfen, aber er konnte dennoch sehen, dass es sich fortbewegte.
Langsam kam es näher und näher.
Es schien eine in Weiß gekleidete Gestalt zu sein.
Sollte es doch ein Mensch sein?
Welch unbeschreibliche Glückseligkeit musste es für diesen Menschen bedeuten, in diesem Paradies leben zu dürfen.
Immer näher kam die Gestalt.
Jetzt blieb sie stehen und nahm mit Ehrfurcht einige Blumen in die Hände.
Einige Zeit stand sie da, die einsame Gestalt, und tat genau dasselbe, was er Alcar einmal hatte tun sehen.
Auch sie liebte also die Blumen und das Leben, das in allem liegt.
Sollte auch sie, ebenso wie Alcar, in allem das Leben fühlen können?
Es war eine große, schlanke Erscheinung.
So von weitem gesehen hatte sie die gleiche Größe wie sein geistiger Leiter und in ihrem Tun war sie Alcar sehr ähnlich.
Schade, jetzt verschwand sie hinter den Blumenbüschen.
Kommt sie wieder?
Das junge Leben hielt sie vor seinen Augen verborgen.
Zum Glück, da sah er sie wieder; durch die Sträucher hindurch konnte er ihren Schatten erkennen.
Welch eine Ruhe lag in ihren Bewegungen!
Jetzt war sie wieder deutlich sichtbar, doch ihr Antlitz konnte er noch nicht klar erkennen; dazu war sie noch zu weit von ihm entfernt.
Jetzt kam sie wieder langsam näher.
In ihrem ganzen Wesen lag Harmonie und er meinte ein Lächeln auf ihrem schönen Antlitz zu erkennen.
Ist es ein Mann oder eine Frau?
Die Locken der schönen Erscheinung reichten bis auf die Schultern, aber all ihre Bewegungen deuteten dennoch auf eine männliche Schönheit hin.
Doch, es musste sich um einen Mann handeln.
Nun konnte er sein weißes Gewand besser erkennen; wenn es von der Sonne angestrahlt wurde, leuchtete es in unzähligen Schattierungen.
Einmal zeigte es sich in einem zartrosa, dann wieder in einem hellblauen oder einem weinroten Hauch, der sich vom hellgrünen Hintergrund abhob.
Es war, als spiegelten sich in diesem weißen Kleid all die himmlischen Farben der Blumen wider, inmitten derer er sich befand.
Jetzt blieb der Unbekannte wieder stehen, um zum zweiten Mal Blumen in die Hände zu nehmen.
Er beugte sich tief über sie, während er sie mit beiden Händen umfasste, um sie auf diese Weise zu liebkosen.
Sollte er jetzt auch beten, genauso wie Alcar, der durch die Blumen zu Gott betete?
Durch das Leben, das Er in alles hineingelegt hat?
Sollte dieser schöne Unbekannte das auch können?
Sollte seine Abstimmung dieselbe sein wie die seines geistigen Leiters?
Er unternahm den Versuch, sich mit ihm zu verbinden, und konzentrierte sich stark auf ihn.
Aber er konnte nicht zu ihm durchdringen.
Wenn seine Gedanken ihn erreichten, fühlte er, dass etwas ihn zurückhielt, ihn zurückzog und ungeachtet all seiner Mühe wollte es ihm nicht gelingen, was ihm auf der Erde doch so leicht fiel.
Wie viel Kraft und Anstrengung ihn das jetzt kostete!
War dieser Mensch nicht zu ergründen?
Er fühlte deutlich, dass sein Konzentrationsvermögen nachließ, wenn er sich ihm näherte.
Etwas umgab diesen Unbekannten, das er nicht durchdringen konnte.
War es vielleicht dessen Ausstrahlung, welche stärker und schöner war als die seine?
Konnte dessen Licht nicht mit seinem verbunden werden?
Wurde es von seinem Licht zurückgeworfen?
Dass ihm der Unbekannte überlegen war, fühlte er in allem.
Wollte er nicht, dass man ihn erreichte?
War er für eine Beeinflussung nicht zugänglich?
Besaß er diese Kraft des Selbstbewusstseins?
André verstand.
Er prallte von ihm ab, wie Wellen des Ozeans von Felsen zurückgeworfen werden.
Dieser Mensch würde Orkanen trotzen und Berge versetzen können.
Niemand außer Gott könnte ihn von seinem Podest herunterholen.
Und Gott ließ ihm seinen Frieden und sein Glück, weil er das Leben liebte mit einer Liebe, welche im Einklang steht mit Gottes heiliger Liebe.
Er lebte daher in Harmonie mit dem Unendlichen und er musste, allein durch seine Liebe, Wunder vollbringen können.
Auch das begriff André; Alcar hatte es ihn gelehrt.
Und wenn er dafür sorgte, ein gutes Instrument zu sein, dann würde auch er einst diese Kraft besitzen dürfen.
Er fühlte, dass er jetzt nicht so weitermachen und seine Kräfte nicht länger unnötigerweise verschwenden durfte.
Wozu diente das?
Durfte er einen störenden Einfluss in die Ruhe des Geistes hineintragen?
War das Liebe?
Durfte er diese heilige Ruhe stören, welche nicht irdisch war?
Wäre es nicht besser, geduldig auf das zu warten, was weiter geschehen sollte?
Es tat ihm Leid, dass er bereits zu weit gegangen war; er musste seine Neugier zu bezwingen lernen, denn eigentlich ist Neugier nichts anderes als Selbstliebe.
Welch friedliche Züge im edlen Antlitz des einsamen Unbekannten lagen!
Es schien gar, als ob er der Engel des Friedens selbst wäre.
Langsam, Schritt für Schritt, entfernte er sich von der Stelle, wo er eine Zeit lang gestanden hatte, und ging in aller Ruhe weiter.
Sein Gesicht war nach links gewandt, als nähme er dort etwas wahr, das sein Interesse weckte.
Doch ... plötzlich drehte er sich um und war verschwunden.
André kam zu der Einsicht, dass es an ihm gelegen haben musste.
Durfte er ihn beim Beten denn so heimlich beobachten?
Er musste sich selbst eingestehen, dass es noch traurig um ihn bestellt war und dass er noch ein grober Erdbewohner war, der noch lange nicht auf das Geistige abgestimmt war, da er in Kollision geriet mit dem, was er hier sehen durfte.
All dessen Tun hätte er mit großer Liebe verfolgen sollen, dann wäre seine Abstimmung vollkommen gewesen und sein Geist in Harmonie mit dem Ewigen.
Doch der grobstoffliche Erdbewohner fühlt nicht so fein, so geistig, so rein.
Wäre es da nicht besser, sich zu entfernen, anstatt zuzuschauen in der Schönheit der Sphären, dass er vor Erregung Herzklopfen bekam?
War er es wert, das alles sehen zu dürfen?
Noch immer lag die Landschaft in ihrer ganzen Ruhe und Schönheit vor ihm.
Wer war doch nur der Glückliche, der da so selig umherstreifte?
In ihm lebte der Geist Gottes, der Geist des Vaters.
Da sah er ihn wieder.
Es war seltsam.
Wenn er in Liebe an ihn dachte, dann zeigte er sich sogleich wieder.
Sollte er seine Gedanken auffangen können?
Das konnte nur Alcar, Alcar allein.
Langsam kam er näher.
Wenn er dem jetzt eingeschlagenen Weg nur weiter folgte, dann würde er ihn bald deutlicher sehen können.
Er unterdrückte jedenfalls seine große Sehnsucht, denn er wäre tief betrübt, wenn dieser sich durch seine Schuld, durch seine störenden, disharmonischen Gedanken wieder zurückziehen würde.
Wie lange wird es noch dauern, bis der Mensch sich geistig nennen kann und darf, und wie viele Jahrtausende werden noch vergehen müssen, bis auf Erden bessere Zustände herrschen und die Liebe unter den Menschen geistig, rein und lauter ist!
Mit dem schönen Unbekannten würde er einzig in Liebe verbunden werden können.
Das war ihm klar.
Da blieb er zum dritten Mal inmitten der Blumen – einem Meer von Blumen – stehen und streckte die Hände nach ihnen aus.
Anschließend umfasste er mit seinen schöngestalten Händen eine große, blaue Blume und neigte demütig das Haupt, das von einem überirdischen Glanz erleuchtet war.
Es war ein weihevoller, heiliger Augenblick, woraufhin er zu sprechen begann.
Die Laute erreichten ihn genauso, wie soeben diese herrliche Musik, und die Stimme – so sanft wie die Musik – klang gleich melodisch in seinen Ohren.
Es war ein Gebet, das er zum Schöpfer hinaufschickte:
 
 
„Du, meine Blume, oh Du, die Du das Leben in Dir trägst, das Gott in Dich und in mich gelegt hat, durch Dich sende ich meine Liebe zu Ihm.
Indem ich mich mit Dir verbinde, verbinde ich mich mit Gott, weil er uns beiden das Leben geschenkt hat, ein ewiges Leben in uns gelegt hat.
Durch Deine schöne Farbe werde ich in Harmonie bleiben mit dem Unendlichen, mit Deinem süßen Duft werde ich mich stärken.
Deine Farbe, die des Geistes ist, überzieht die Felder des ewigen Lebens.
Wer Deinen Duft atmet, wird sich gestärkt fühlen, weil der Atem des Vaters in Dir lebt, in mir lebt.
Weil unser Vater das Leben ist, das Leben uns geschenkt hat.
Süß werden Deine Düfte sein, die des Menschen Seelenkraft stärken.
Er wird dadurch das Leben fühlen, wie es uns gegeben ist, weil Gott nur das eine Leben gibt, das dem Menschen bedeuten wird: Selige Ruhe, ewiger Frieden und heiligende Liebe.
Ich verschmelze darum mit Dir, um mich dem Schöpfer in Liebe und Demut zu nähern.
Ich mische mein Licht mit Deinem Licht, weil wir gemeinsam Gottes Licht, Sein ewiges, heiliges Licht fühlen.
Unsere Liebe, die eins, die ewig, die das Leben ist, werden wir bewahren, weil Gott uns ewige Liebe, ewiges Leben gab.
Gott gab Dir das Leben, Deinen blauen Glanz und Deinen Duft.
Mir gab Gott den denkenden Intellekt und bedachte mich mit Weisheit und Kraft.
Er gab uns nur das eine Leben und die eine Liebe.
Darum machte Gott uns eins.
Durch das Leben und in Liebe sind wir auf ewig verbunden.
So leben wir in Liebe für Gott; in Ruhe, in Frieden, in Glück und in Harmonie durch Gott, weil wir das eine Leben in uns tragen.
Würden die Menschen auf Erden, wo ich einst lebte und wo ich nun wieder Werk zu verrichten habe, verstehen können, dass wir eins sind?
Oder dachten sie, dass wir Toren sind?
Wenn sie nur eine Winzigkeit des Glücks kennen würden, das wir besitzen, das wir in uns tragen, dann würden sie bereits glücklich sein und es würde Frieden herrschen auf Erden.
Wüssten sie nur, schöne Blume, dass Liebe Kraft ist und Leben bedeutet; dass Liebe Meere zum Austrocknen bringen kann.
Aber nur, wenn sie göttlichen Ursprungs ist.
Würden sie nur fühlen, was universelle Liebe ist, dann würden sie, wie wir, anderen helfen und sie unterstützen können.
Wir werden ihnen jedoch helfen, Gottes heilige Kraft zu nutzen, um andere zu erwecken, die das Leben noch nicht fühlen, es nicht zu leben wissen, die noch nicht zu den Lebenden gehören.
Wir werden sie lehren, Vertrauen zu haben in Gottes heilige Kraft.
Wir werden ihr Vertrauen zu allem stärken.
Könnten die Menschen auf Erden doch nur mehr Vertrauen haben, dann würden sie stark sein in ihrem Kampf.
Du, schöne Blume, hast Vertrauen; darum ist es Dir gegeben zu leben, ist Dein Leben Gefühl geworden, ist Dein Gefühl Liebe und Deine Liebe Dein Leben.
Wüssten die Menschen auf Erden nur, dass sie – durch Selbstvertrauen – Wunder zustande bringen könnten; dass ihre Liebe – durch Selbstvertrauen – wachsen und blühen würde und rein wäre.
Selbstvertrauen ist die Kraft allen Lebens.
Selbstvertrauen ist die heilige Kraft, welche Gott Leben nennt.
Das Selbstvertrauen verbindet den Menschen mit Gott.
Warum zweifelt der Mensch an einem ewigen Leben?
Weil er, schöne Blume, sein ewiges Leben nicht fühlt, es nicht versteht; weil er sich des Lebens nicht bewusst ist.
Noch ist es sein unbewusster Besitz.
Darum nennen wir ihn einen lebenden Toten.
Er wird böse, schöne Blume, wenn man ihm die Wahrheit sagt, wenn man ihm die Wahrheit vorhält.
Ach, ich könnte Dir so viel über den irdischen Menschen erzählen, aber ich will Deine Ruhe nicht stören.
Der Mensch auf Erden kennt unseren Frieden nicht, weil er in Disharmonie lebt und keine Harmonie fühlt; weil sein Leben disharmonisch ist, weil er in Disharmonie mit seinem himmlischen Vater ist.
Wie viel Schönes könnten wir ihm nicht über uns erzählen!
Doch das würde er zu süßlich, zu unirdisch finden.
So sehr ist sein geistiges Gefühl verstofflicht.
Wenn wir ihn durch unsere Instrumente anleiten wollen, und diese ihn bitten, es so zu tun, wie wir es sehen und fühlen – weil wir leben und wach sind –, dann glaubt er, dass die Medien unsere Sklaven geworden sind.
Das glauben vor allem diejenigen, die meinen, dass sie etwas von geistiger Abstimmung verstehen.
Wenn sie nur mehr Vertrauen in uns hätten, dann könnten wir sie auf ihre Fehler hinweisen, sie auf den rechten Weg bringen und sie mit unserem Leben verbinden, dem ewigen Leben.
Wie viel könnten wir ihnen dann geben!
Aber, schöne Blume, selbst diejenigen, die geistig sehen, die Gabe des Lichts in sich tragen, haben nicht genügend Selbstvertrauen.
Sie wanken noch und sind Einflüssen ausgesetzt.
Ich schöpfe nun Kraft aus Dir, meine Blume.
Junges Leben habe ich genährt und gestärkt mit Deinen Säften.
Nun gehe ich fort, aber ich werde wiederkommen, um Dir noch mehr über die Menschen zu erzählen, wenn es Deine Ruhe nicht stört.
Deine Liebe aber ist stark genug, weil sie von Gott kommt.
Ich werde auf Erden das Unbegreifliche verständlich machen und den menschlichen Geist entwickeln.
So will ich die Menschen leiten und ihr Gefühl auf Gott abstimmen.
Dann wird sich all ihre Angst und ihr Zweifel in Selbstvertrauen verwandeln.
Lebe, meine Blume, lebe.
Lasse das Leben, das in Dir ist, leben.
Lasse es stets Dein ewiges Glück, Dein ewiges Leben sein.“
 
Andrés Herz klopfte heftig.
Er wusste jetzt genug und verstand alles.
Die Lichtgestalt, dort vor ihm, konnte niemand anders sein als sein geistiger Leiter, sein geliebter Alcar.
Nun hatte er ihn – wie noch niemals zuvor – gesehen.
Ja, er verstand alles.
Seine Angst war unnötig und sein Vertrauen ins Wanken geraten.
Er war noch nicht stark genug, um der Gefahr zu trotzen.
Er hätte Alcar auf der Stelle wiedererkennen müssen und niemals an seiner Hilfe zweifeln dürfen.
Er fühlte sich wie gelähmt und hatte kaum Kraft, das alles zu tragen.
Da hörte er die ihm wohlbekannte, geliebte Stimme flüstern: „André, mein Junge, derjenige, der alles in Liebe vollbringen will, wird unerschöpflich sein, weil Liebe Gott ist und Gott unerschöpflich ist.“
André schaute auf.
Dort vor ihm stand sein geistiger Leiter.
Wie schön er war!
Auf ihren Reisen in die Sphären hatte er sich ihm noch nie so strahlend schön gezeigt.
„Du wirst mich nur dann so sehen, wenn du vollkommen auf mich abgestimmt sein wirst und, wie jetzt, in großer menschlicher Liebe zu mir kommst.
Liebe, welche du mir durch deine Angst entgegenbrachtest, da deine Angst Liebe war, die auf diese Sphäre abgestimmt ist.
Dieser Beweis deiner Liebe zu mir ließ mich den Entschluss fassen, dem Mangel an Vertrauen, der in dir war, jetzt – und ein für alle Mal – ein Ende zu setzen.
Ich kannte dieses Misstrauen, mein Junge, und darum hielt ich dich aus allem heraus und du warst nur mein Werkzeug.
Dadurch hättest du aber nichts gelernt, doch – durch dein tiefes Gefühl – hat deine Liebe sich abgestimmt auf die meine.
So wurden wir eins und ich durfte dich verbinden mit dieser Liebe, mit dieser Sphäre, in der du Ruhe gefühlt hast, die in alles Harmonie bringt, was geistiges Leben bedeutet.
Ich wollte, während Doortjes Krankheit, dein Selbstvertrauen stärken, um dir zu zeigen, dass allein die Liebe Selbstvertrauen bedeutet.
Dir wird nun nicht mehr die Wahrheit vorenthalten; denn ich weiß jetzt, dass dir alles heilig ist, dass deine Liebe blühen und gedeihen wird und dass wir im Namen des Vaters Wunder bewirken werden, weil Er das Leben allen Lebens ist.
Alles wird dir nun klar geworden sein.
Sei aber stets auf der Hut, dass du kein Spielball deines Gefühls wirst, und vor allem auch, dass du nicht meinst, es besser zu wissen als wir, denn das wäre Überheblichkeit, vor der wir dich nicht genug warnen können.
Lass dich nicht mehr falsch beeinflussen; denk daran.
Unglaube ist das Gift, mit dem die Menschheit durchseucht ist.
Sieh, nun ein anderes Bild.“
André sah Doortje vor sich, und vor Glück hätte er wohl aufschreien können, denn das Kind lebte.
Er hatte sich also unnötigerweise Sorgen gemacht, weil er nicht genug Vertrauen in Alcar hatte.
„Fühlst du jetzt“, fragte der, „warum Jacques und Nel nichts wissen dürfen?
Wenn sie um den Ernst der Krankheit ihres Kindes wüssten, dann würden sie es uns nehmen, um es in ihrer Angst einem irdischen Arzt anzuvertrauen.
In unseren Händen ist es aber sicher und durch zwei magnetische Behandlungen haben wir die Kleine von einer Hirnhautentzündung befreien dürfen.“
Diese Nachricht erschrak André nicht mehr, denn jetzt konnte sein Vertrauen in Alcar nicht mehr ins Wanken gebracht werden.
„Alle Schadstoffe verlassen jetzt den kleinen Körper; das wirst du bald sehen.
Ich wache, André.
Vertraue, vertraue, vertraue.
Und jetzt noch dies:
Halte dich nicht für zu groß, aber vor allem auch nicht für zu klein, denn wie könntest du dir dann deiner eigenen Kraft bewusst sein und andere von unserem Wissen überzeugen?
Und zeige auch, dass Liebe von dir ausgeht, denn Liebe bewirkt Wunder.
Dein Freund wird nicht kommen und dem Kind geht es morgen viel besser.“
Alcar war fortgegangen und André war wieder allein.
In den letzten Stunden hatte er viel gelernt und die Vision hatte er wohl verstanden.
Welch ein Glück war es für ihn, dass er seinem geistigen Leiter hatte helfen dürfen, den Eltern ein junges Leben zu bewahren.
Am nächsten Abend ging er zu Doortje, um nach ihr zu sehen.
Nel kam ihm schon im Gang entgegen und rief ihm zu: „Doortje geht es viel besser, André, aber wie viel Schmutz kam da aus ihrem Öhrchen!
Heute Nachmittag gegen drei brach der Abszess auf; dabei hat es fürchterlich gestunken.
Wie muss der kleine Schatz gelitten haben!“
Das kleine Mädchen saß wieder in ihrem Stühlchen und sah ihn lachend an, als wüsste sie, dass nun alles wieder gut war.
Er brauchte ihr nicht mehr zu helfen.
Durch die beiden Behandlungen war das Wunder geschehen.
Trotzdem blieb ihr nicht noch mehr Krankheit erspart, denn so langsam schwoll ihr linkes Öhrchen an und die Haut rundherum färbte sich rot, bis schließlich ein Geschwür hinter dem Öhrchen zum Vorschein kam.
André behandelte sie zweimal pro Woche, was sein geistiger Leiter ihm aufgetragen hatte, wobei dieser ihm gleichzeitig mitgeteilt hatte, dass sich dieser Prozess fünfmal wiederholt und dass das zweite Geschwür etwas kleiner wäre als das erste.
Das Letzte wäre dann so groß wie ein Knicker.
Er berichtete dies seinen Freunden, die das sehr bedrückte.
Sie fanden es schrecklich.
Das erste Geschwür war wohl so groß wie eine Nuss und konnte jeden Moment aufbrechen.
Eines Abends sagte Alcar, dass es in der Nacht passieren würde und dass die Kleine gut verbunden werden müsse, da viel unreines Sekret freigesetzt würde.
Am nächsten Morgen kam Jacques und berichtete, dass es sich bewahrheitet hatte, was Alcar ihnen mitgeteilt hatte.
Das erste Geschwür war verschwunden.
Gleichwohl blieb das Öhrchen rot und geschwollen, und von dem Moment an, als die Schwellung auftrat, war und blieb Blut im Urin, was, laut Alcar, nicht mehr der Fall sein werde, wenn das letzte Geschwür verschwunden ist.
Langsam kam das zweite Geschwür zum Vorschein und verschwand wieder auf die gleiche Weise wie das erste.
Und als sich dieser Prozess schließlich fünfmal wiederholt hatte, wurde die Gesichtsfarbe des kleinen Mädchens zum Glück wieder besser und es war auch kein Blut mehr im Urin zu finden.
„Doortje ist nun geheilt“, sagte Alcar, „und sie wird so bald nicht wieder krank werden, denn wir haben alle schädlichen Substanzen aus dem Körper herausgebracht, und das ist von großer Bedeutung für ihr ganzes Leben.“
Dann erzählte André seinen Freunden, wie liebevoll sein geistiger Leiter über ihren Schatz wachte und von welcher gefürchteten Krankheit er sie gerettet hatte.
Von dieser Botschaft waren sie natürlich tief berührt und innig dankbar für alles, was Alcar in seiner großen Liebe für sie getan hatte.
„Wir können den Menschen bei allem helfen“, sagte Alcar, „und im Falle einer schweren Krankheit wird keine Minute zu lange gewartet, falls sich herausstellen sollte, dass irdische medizinische Hilfe gerufen werden muss.
Ich werde stets wachen, Tag und Nacht, weil der Geist keinen Schlaf mehr braucht und keine Müdigkeit mehr kennt.
Doch es obliegt dir, alles unseren Wünschen entsprechend auszuführen.
Dann besteht keine Gefahr.
Dann wird man sich uns willig anvertrauen und die Wissenschaft wird uns akzeptieren, weil sie zu uns Vertrauen bekommen hat.
Ärzte werden um unsere Hilfe anrufen, wenn sie schweren Krankheitsfällen machtlos gegenüberstehen.
Sie werden sich verneigen und ihre falsche Scham ablegen, weil sie oftmals vor Problemen stehen werden, die für den Geist keine Probleme darstellen, da wir uns mit dem Stoff verbinden und durch ihn hindurchschauen.
Ich, der heute Alcar heißt und früher auf der Erde gelebt hat, werde – verstehe mich recht – der Wissenschaft beweisen, dass wir fortleben.
Ich lebte vor einigen Jahrhunderten auf eurer Erde und der Name, den ich damals trug, wird noch immer von vielen von euch mit Achtung ausgesprochen.
In der Blüte meines Lebens bin ich, im Alter von ungefähr vierzig Jahren, von dort abberufen worden.
Davor war ich allerdings schon davon überzeugt, dass mein Leben mit dem irdischen nicht endet.
Und als mir bewusst wurde, in welchem Zustand ich viele Brüder und Schwestern zurückgelassen hatte, kam – Gott sei Dank – das intensive Verlangen in mir auf, die Erdenmenschen von einem Fortleben nach dem stofflichen Tod überzeugen zu dürfen.
Alle meine Freunde sind nun auch schon seit Langem an unserer Seite und sie helfen mir und unterstützen mich bei dieser Aufgabe.
Auf eurer Erde hatten sie klangvolle Namen, die es dort auch immer noch sind und an die man hängt, während sie für sie selbst jedoch nichts mehr bedeuten, weil wir gelernt haben, dass es allein der Geist ist, der dem Leben Wert verleiht.
Wenn man annehmen könnte, dass wir hinter dem Schleier in großer Liebe für die Menschen wirken und bemüht sind, ihnen in allem zur Seite zu stehen, dann könnte man uns unsere Aufgabe so viel leichter machen und unseren Wünschen entsprechend handeln, aber da man glaubt, dass tot tot ist, will man mit dem Leben nichts zu tun haben.
Deshalb sind wir – ich und so viele andere – zurückgekommen auf die Erde, um die Menschheit wachzurütteln und sie davon zu überzeugen, dass wir leben, weil Gott, der Liebe ist, uns und der Menschheit ein ewiges Leben geschenkt hat, das – indem es sich ständig durch Evolution entwickelt – einst vollkommen sein wird, dem Vater im Himmel gleich, der vollkommen ist.
So habe ich also ein junges Leben retten dürfen; ich, der entleiblichte Mensch mit meinem entwickelten, denkenden Intellekt, während niemand auf Erden wusste, an welcher gefährlichen Krankheit es litt und folglich niemand rechtzeitig und wirksam hätte eingreifen können, sodass nur Staub, allein Staub zurückgeblieben wäre.
Damit wollte ich aufzeigen, dass wir dem Menschen durch ein geistig hochstehendes, heilendes Medium helfen können, seine Probleme zu lösen, und ihm stets Liebe entgegenbringen wollen.
Lernte er nur zu begreifen, dass die „Toten“ leben.
Wir rufen ihm aus dem Jenseits zu: Wir leben, wir leben an unserer Seite in großem Glück.
Wir leben in ewiger, reiner Liebe; eine Liebe, wie kein Mensch auf Erden sie kennt noch fühlt.
Das ewige Leben ist nicht zu vernichten, aber erst nach dem stofflichen Tod kann es sich ganz entfalten im Geist.
Es ist nicht zu vernichten, weil das Leben Gott ist und Er Sein eigenes Leben nicht vernichten wird.
Wenn aber der Augenblick gekommen ist, da Gott ihn ruft und der sogenannte Tod eintritt, dann muss der Mensch lediglich sein Stoffkleid ablegen, wie er so oft ein mehr oder weniger abgetragenes Kleidungsstück ablegt.
Dann wirft der Geist seine Fesseln ab, um in unbekannte Gefilde aufsteigen zu können, stets höher, immer nur höher.
Wir, die wir unser Stoffkleid bereits vor so langer Zeit abgelegt haben, kommen zu den Menschen, um ihnen das zu erzählen, weil wir wissen, dass wir uns immerfort durch Evolution entwickeln werden, um immer wieder höhere Daseinsformen anzunehmen, bis wir zu feinbesaitet, zu hoch abgestimmt sein werden, um uns noch mit den Erdbewohnern verbinden zu können.
 
Schließlich habe ich noch gezeigt, dass der Magnetismus die heilende Kraft ist, die den Menschen helfen wird, ihre Kranken zu heilen, weil es eine reine, natürliche Heilkraft ist, und alles, was natürlich und rein ist, den Weg geht, der zum Höheren führt.
Ich, der vor so langer Zeit auf deiner Erde lebte, rettete ein junges Leben, weil es Gottes Wille war.
Das ist mir nur möglich, wenn meine Kraft nicht mit Gottes Kraft in Konflikt gerät.
Wir, die den Geist viel intensiver fühlen als der Mensch, wir wissen, was wir in Abstimmung auf Gott tun können und dürfen.
Der Mensch befindet sich noch in einem geistigen Tiefschlaf, aus dem er erst dann ganz erweckt wird, wenn er zu den Unseren gehört.
Doortje wurde durch uns gerettet.
Liefert das den Menschen nicht den Beweis, dass wir zu ihnen zurückgekehrt sind, um in ihrer Mitte unser Werk zu tun?
Gott schenkte uns die Gnade, zu ihnen zurückkehren zu dürfen.
Da wir das Licht besitzen, sehen wir in ihrer Finsternis, und unser Licht wird ihre Finsternis erhellen.
Mensch der Erde, nimm das Licht an, weil dieses Licht Gott ist.
Wir legen dir den Rettungsring des Geistes an.
Wisse, dass dich kein Sturm auf dem Meer des Lebens vernichten kann.
Du wirst dich über Wasser halten, weil das ewige Leben dich über Wasser hält.
In dir liegt der heilige Gottesfunke, die rettende Kraft, durch die du auf Ihn abgestimmt bist.
Wir werden weiterhin über junge Leben wachen, und auch über Leben, die noch auf Kindesbeinen stehen – noch jung im Geiste zu nennen sind –, auch wenn sie schon das Alter von siebzig oder sogar achtzig Jahren erreicht haben.
Ihnen und den Jüngeren wollen wir helfen.
Und darum rufe ich allen zu: Jetzt ist noch Zeit, jetzt seid ihr noch in eurem irdischen Körper, im Besitz eures irdischen Lebens.
Rettet, Freunde, was zu retten ist.
Rettet aber nicht den Stoff, sondern rettet den Geist und läutert die Seele.
Dann erwartet euch ein Leben ewiger Liebe, ewigen Glücks in Gottes Vaterhaus, wenn eure irdische Pilgerfahrt zu Ende sein wird.“